Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

Bild:
<< vorherige Seite

Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe.
wissen Titeln des Denkens nachzusehen, was sich am besten
vor seine vorliegende Materie schikte, und darüber, mit
einem Schein von Gründlichkeit, zu vernünfteln, oder
wortreich zu schwatzen.

Die transscendentale Topik enthält dagegen nicht
mehr, als die angeführte vier Titel aller Vergleichung und
Unterscheidung, die sich dadurch von Categorien unterschei-
den, daß durch iene nicht der Gegenstand, nach demieni-
gen, was seinen Begriff ausmacht, (Grösse, Realität)
sondern nur die Vergleichung der Vorstellungen, welche
vor dem Begriffe von Dingen vorhergeht, in aller ihrer
Mannigfaltigkeit dargestellt wird. Diese Vergleichung
aber bedarf zuvörderst einer Ueberlegung, d. i. einer Be-
stimmung desienigen Orts, wo die Vorstellungen der Din-
ge, die verglichen werden, hingehören, ob sie der reine
Verstand denkt, oder die Sinnlichkeit in der Erscheinung
giebt.

Die Begriffe können logisch verglichen werden, ohne
sich darum zu bekümmern, wohin ihre Obiecte gehören,
ob als Noumena vor den Verstand, oder als Phänomena
vor die Sinnlichkeit. Wenn wir aber mit diesen Begrif-
fen zu den Gegenständen gehen wollen, so ist zuvörderst
transscendentale Ueberlegung nöthig, vor welche Erkent-
nißkraft sie Gegenstände seyn sollen, ob vor den reinen
Verstand, oder die Sinnlichkeit. Ohne diese Ueberlegung
mache ich einen sehr unsicheren Gebrauch von diesen Be-
griffen, und es entspringen vermeinte synthetische Grund-

sätze

Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe.
wiſſen Titeln des Denkens nachzuſehen, was ſich am beſten
vor ſeine vorliegende Materie ſchikte, und daruͤber, mit
einem Schein von Gruͤndlichkeit, zu vernuͤnfteln, oder
wortreich zu ſchwatzen.

Die transſcendentale Topik enthaͤlt dagegen nicht
mehr, als die angefuͤhrte vier Titel aller Vergleichung und
Unterſcheidung, die ſich dadurch von Categorien unterſchei-
den, daß durch iene nicht der Gegenſtand, nach demieni-
gen, was ſeinen Begriff ausmacht, (Groͤſſe, Realitaͤt)
ſondern nur die Vergleichung der Vorſtellungen, welche
vor dem Begriffe von Dingen vorhergeht, in aller ihrer
Mannigfaltigkeit dargeſtellt wird. Dieſe Vergleichung
aber bedarf zuvoͤrderſt einer Ueberlegung, d. i. einer Be-
ſtimmung desienigen Orts, wo die Vorſtellungen der Din-
ge, die verglichen werden, hingehoͤren, ob ſie der reine
Verſtand denkt, oder die Sinnlichkeit in der Erſcheinung
giebt.

Die Begriffe koͤnnen logiſch verglichen werden, ohne
ſich darum zu bekuͤmmern, wohin ihre Obiecte gehoͤren,
ob als Noumena vor den Verſtand, oder als Phaͤnomena
vor die Sinnlichkeit. Wenn wir aber mit dieſen Begrif-
fen zu den Gegenſtaͤnden gehen wollen, ſo iſt zuvoͤrderſt
transſcendentale Ueberlegung noͤthig, vor welche Erkent-
nißkraft ſie Gegenſtaͤnde ſeyn ſollen, ob vor den reinen
Verſtand, oder die Sinnlichkeit. Ohne dieſe Ueberlegung
mache ich einen ſehr unſicheren Gebrauch von dieſen Be-
griffen, und es entſpringen vermeinte ſynthetiſche Grund-

ſaͤtze
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <div n="5">
                <p><pb facs="#f0299" n="269"/><fw place="top" type="header">Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe.</fw><lb/>
wi&#x017F;&#x017F;en Titeln des Denkens nachzu&#x017F;ehen, was &#x017F;ich am be&#x017F;ten<lb/>
vor &#x017F;eine vorliegende Materie &#x017F;chikte, und daru&#x0364;ber, mit<lb/>
einem Schein von Gru&#x0364;ndlichkeit, zu vernu&#x0364;nfteln, oder<lb/>
wortreich zu &#x017F;chwatzen.</p><lb/>
                <p>Die trans&#x017F;cendentale Topik entha&#x0364;lt dagegen nicht<lb/>
mehr, als die angefu&#x0364;hrte vier Titel aller Vergleichung und<lb/>
Unter&#x017F;cheidung, die &#x017F;ich dadurch von Categorien unter&#x017F;chei-<lb/>
den, daß durch iene nicht der Gegen&#x017F;tand, nach demieni-<lb/>
gen, was &#x017F;einen Begriff ausmacht, (Gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, Realita&#x0364;t)<lb/>
&#x017F;ondern nur die Vergleichung der Vor&#x017F;tellungen, welche<lb/>
vor dem Begriffe von Dingen vorhergeht, in aller ihrer<lb/>
Mannigfaltigkeit darge&#x017F;tellt wird. Die&#x017F;e Vergleichung<lb/>
aber bedarf zuvo&#x0364;rder&#x017F;t einer Ueberlegung, d. i. einer Be-<lb/>
&#x017F;timmung desienigen Orts, wo die Vor&#x017F;tellungen der Din-<lb/>
ge, die verglichen werden, hingeho&#x0364;ren, ob &#x017F;ie der reine<lb/>
Ver&#x017F;tand denkt, oder die Sinnlichkeit in der Er&#x017F;cheinung<lb/>
giebt.</p><lb/>
                <p>Die Begriffe ko&#x0364;nnen logi&#x017F;ch verglichen werden, ohne<lb/>
&#x017F;ich darum zu beku&#x0364;mmern, wohin ihre Obiecte geho&#x0364;ren,<lb/>
ob als Noumena vor den Ver&#x017F;tand, oder als Pha&#x0364;nomena<lb/>
vor die Sinnlichkeit. Wenn wir aber mit die&#x017F;en Begrif-<lb/>
fen zu den Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden gehen wollen, &#x017F;o i&#x017F;t zuvo&#x0364;rder&#x017F;t<lb/>
trans&#x017F;cendentale Ueberlegung no&#x0364;thig, vor welche Erkent-<lb/>
nißkraft &#x017F;ie Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde &#x017F;eyn &#x017F;ollen, ob vor den reinen<lb/>
Ver&#x017F;tand, oder die Sinnlichkeit. Ohne die&#x017F;e Ueberlegung<lb/>
mache ich einen &#x017F;ehr un&#x017F;icheren Gebrauch von die&#x017F;en Be-<lb/>
griffen, und es ent&#x017F;pringen vermeinte &#x017F;yntheti&#x017F;che Grund-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x017F;a&#x0364;tze</fw><lb/></p>
              </div>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[269/0299] Von der Amphibolie der Reflexionsbegriffe. wiſſen Titeln des Denkens nachzuſehen, was ſich am beſten vor ſeine vorliegende Materie ſchikte, und daruͤber, mit einem Schein von Gruͤndlichkeit, zu vernuͤnfteln, oder wortreich zu ſchwatzen. Die transſcendentale Topik enthaͤlt dagegen nicht mehr, als die angefuͤhrte vier Titel aller Vergleichung und Unterſcheidung, die ſich dadurch von Categorien unterſchei- den, daß durch iene nicht der Gegenſtand, nach demieni- gen, was ſeinen Begriff ausmacht, (Groͤſſe, Realitaͤt) ſondern nur die Vergleichung der Vorſtellungen, welche vor dem Begriffe von Dingen vorhergeht, in aller ihrer Mannigfaltigkeit dargeſtellt wird. Dieſe Vergleichung aber bedarf zuvoͤrderſt einer Ueberlegung, d. i. einer Be- ſtimmung desienigen Orts, wo die Vorſtellungen der Din- ge, die verglichen werden, hingehoͤren, ob ſie der reine Verſtand denkt, oder die Sinnlichkeit in der Erſcheinung giebt. Die Begriffe koͤnnen logiſch verglichen werden, ohne ſich darum zu bekuͤmmern, wohin ihre Obiecte gehoͤren, ob als Noumena vor den Verſtand, oder als Phaͤnomena vor die Sinnlichkeit. Wenn wir aber mit dieſen Begrif- fen zu den Gegenſtaͤnden gehen wollen, ſo iſt zuvoͤrderſt transſcendentale Ueberlegung noͤthig, vor welche Erkent- nißkraft ſie Gegenſtaͤnde ſeyn ſollen, ob vor den reinen Verſtand, oder die Sinnlichkeit. Ohne dieſe Ueberlegung mache ich einen ſehr unſicheren Gebrauch von dieſen Be- griffen, und es entſpringen vermeinte ſynthetiſche Grund- ſaͤtze

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/299
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 269. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/299>, abgerufen am 25.11.2024.