Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
ist ein sicherer Schluß, der auf empirische Nothwendigkeit und Beharrlichkeit im Daseyn, mithin auf den Begriff einer Substanz als Erscheinung, auslauft.
Wenn etwas geschieht, so ist das blosse Entstehen, ohne Rücksicht auf das, was da entsteht, schon an sich selbst ein Gegenstand der Untersuchung. Der Uebergang aus dem Nichtseyn eines Zustandes in diesen Zustand, gesezt, daß dieser auch keine Qualität in der Erscheinung enthielte, ist schon allein nöthig zu untersuchen. Dieses Entstehen trift, wie in der Nummer A gezeigt worden, nicht die Substanz (denn die entsteht nicht), sondern ihren Zustand. Es ist also blos Veränderung, und nicht Ursprung aus Nichts. Wenn dieser Ursprung als Wirkung von einer fremden Ursache angesehen wird, so heißt er Schöpfung, welche als Begebenheit unter den Erscheinungen nicht zu- gelassen werden kan, indem ihre Möglichkeit allein schon die Einheit der Erfahrung aufheben würde, obzwar, wenn ich alle Dinge nicht als Phönomene, sondern als Dinge an sich betrachte, und als Gegenstände des blossen Verstandes, sie, obschon sie Substanzen sind, dennoch wie abhängig ihrem Daseyn nach von fremder Ursache angesehen werden können, welches aber alsdenn ganz andere Wortbedeutun- gen nach sich ziehen, und auf Erscheinungen, als mögli- che Gegenstände der Erfahrung, nicht passen würde.
Wie nun überhaupt etwas verändert werden könne, wie es möglich ist: daß auf einen Zustand in einem Zeit-
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Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
iſt ein ſicherer Schluß, der auf empiriſche Nothwendigkeit und Beharrlichkeit im Daſeyn, mithin auf den Begriff einer Subſtanz als Erſcheinung, auslauft.
Wenn etwas geſchieht, ſo iſt das bloſſe Entſtehen, ohne Ruͤckſicht auf das, was da entſteht, ſchon an ſich ſelbſt ein Gegenſtand der Unterſuchung. Der Uebergang aus dem Nichtſeyn eines Zuſtandes in dieſen Zuſtand, geſezt, daß dieſer auch keine Qualitaͤt in der Erſcheinung enthielte, iſt ſchon allein noͤthig zu unterſuchen. Dieſes Entſtehen trift, wie in der Nummer A gezeigt worden, nicht die Subſtanz (denn die entſteht nicht), ſondern ihren Zuſtand. Es iſt alſo blos Veraͤnderung, und nicht Urſprung aus Nichts. Wenn dieſer Urſprung als Wirkung von einer fremden Urſache angeſehen wird, ſo heißt er Schoͤpfung, welche als Begebenheit unter den Erſcheinungen nicht zu- gelaſſen werden kan, indem ihre Moͤglichkeit allein ſchon die Einheit der Erfahrung aufheben wuͤrde, obzwar, wenn ich alle Dinge nicht als Phoͤnomene, ſondern als Dinge an ſich betrachte, und als Gegenſtaͤnde des bloſſen Verſtandes, ſie, obſchon ſie Subſtanzen ſind, dennoch wie abhaͤngig ihrem Daſeyn nach von fremder Urſache angeſehen werden koͤnnen, welches aber alsdenn ganz andere Wortbedeutun- gen nach ſich ziehen, und auf Erſcheinungen, als moͤgli- che Gegenſtaͤnde der Erfahrung, nicht paſſen wuͤrde.
Wie nun uͤberhaupt etwas veraͤndert werden koͤnne, wie es moͤglich iſt: daß auf einen Zuſtand in einem Zeit-
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Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
iſt ein ſicherer Schluß, der auf empiriſche Nothwendigkeit
und Beharrlichkeit im Daſeyn, mithin auf den Begriff
einer Subſtanz als Erſcheinung, auslauft.
Wenn etwas geſchieht, ſo iſt das bloſſe Entſtehen,
ohne Ruͤckſicht auf das, was da entſteht, ſchon an ſich ſelbſt
ein Gegenſtand der Unterſuchung. Der Uebergang aus
dem Nichtſeyn eines Zuſtandes in dieſen Zuſtand, geſezt,
daß dieſer auch keine Qualitaͤt in der Erſcheinung enthielte,
iſt ſchon allein noͤthig zu unterſuchen. Dieſes Entſtehen
trift, wie in der Nummer A gezeigt worden, nicht die
Subſtanz (denn die entſteht nicht), ſondern ihren Zuſtand.
Es iſt alſo blos Veraͤnderung, und nicht Urſprung aus
Nichts. Wenn dieſer Urſprung als Wirkung von einer
fremden Urſache angeſehen wird, ſo heißt er Schoͤpfung,
welche als Begebenheit unter den Erſcheinungen nicht zu-
gelaſſen werden kan, indem ihre Moͤglichkeit allein ſchon
die Einheit der Erfahrung aufheben wuͤrde, obzwar, wenn
ich alle Dinge nicht als Phoͤnomene, ſondern als Dinge an
ſich betrachte, und als Gegenſtaͤnde des bloſſen Verſtandes,
ſie, obſchon ſie Subſtanzen ſind, dennoch wie abhaͤngig
ihrem Daſeyn nach von fremder Urſache angeſehen werden
koͤnnen, welches aber alsdenn ganz andere Wortbedeutun-
gen nach ſich ziehen, und auf Erſcheinungen, als moͤgli-
che Gegenſtaͤnde der Erfahrung, nicht paſſen wuͤrde.
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 206. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/236>, abgerufen am 24.11.2024.
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