den Grunde, der Grund möglicher Erfahrung, nemlich der obiectiven Erkentniß der Erscheinungen, in Ansehung des Verhältnisses derselben, in Reihenfolge der Zeit.
Der Beweisgrund dieses Satzes aber beruht lediglich auf folgenden Momenten. Zu aller empirischen Erkent- niß gehört die Synthesis des Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft, die iederzeit successiv ist, d. i. die Vor- stellungen folgen in ihr iederzeit auf einander. Die Folge aber ist in der Einbildungskraft der Ordnung nach (was vorgehen und was folgen müsse) gar nicht bestimt, und die Reihe der einen der folgenden Vorstellungen kan eben sowol rückwerts als vorwerts genommen werden. Ist aber diese Synthesis eine Synthesis der Apprehension (des Mannigfaltigen einer gegebenen Erscheinung), so ist die Ordnung im Obiect bestimt, oder, genauer zu reden, es ist darin eine Ordnung der successiven Synthesis, die ein Obiect bestimt, nach welcher etwas nothwendig vorausge- hen, und wenn dieses gesezt ist, das andre nothwendig fol- gen müsse. Soll also meine Wahrnehmung die Erkentniß einer Begebenheit enthalten, da nemlich etwas wirklich ge- schieht, so muß sie ein empirisch Urtheil seyn, in welchem man sich denkt, daß die Folge bestimt sey, d. i. daß sie eine andere Erscheinung der Zeit nach voraussetze, wor- auf sie nothwendig, oder nach einer Regel folgt. Widri- genfals, wenn ich das vorhergehende setze, und die Bege- benheit folgte nicht darauf nothwendig, so würde ich sie nur für ein subiectives Spiel meiner Einbildungen halten
müs-
N 5
III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc.
den Grunde, der Grund moͤglicher Erfahrung, nemlich der obiectiven Erkentniß der Erſcheinungen, in Anſehung des Verhaͤltniſſes derſelben, in Reihenfolge der Zeit.
Der Beweisgrund dieſes Satzes aber beruht lediglich auf folgenden Momenten. Zu aller empiriſchen Erkent- niß gehoͤrt die Syntheſis des Mannigfaltigen durch die Einbildungskraft, die iederzeit ſucceſſiv iſt, d. i. die Vor- ſtellungen folgen in ihr iederzeit auf einander. Die Folge aber iſt in der Einbildungskraft der Ordnung nach (was vorgehen und was folgen muͤſſe) gar nicht beſtimt, und die Reihe der einen der folgenden Vorſtellungen kan eben ſowol ruͤckwerts als vorwerts genommen werden. Iſt aber dieſe Syntheſis eine Syntheſis der Apprehenſion (des Mannigfaltigen einer gegebenen Erſcheinung), ſo iſt die Ordnung im Obiect beſtimt, oder, genauer zu reden, es iſt darin eine Ordnung der ſucceſſiven Syntheſis, die ein Obiect beſtimt, nach welcher etwas nothwendig vorausge- hen, und wenn dieſes geſezt iſt, das andre nothwendig fol- gen muͤſſe. Soll alſo meine Wahrnehmung die Erkentniß einer Begebenheit enthalten, da nemlich etwas wirklich ge- ſchieht, ſo muß ſie ein empiriſch Urtheil ſeyn, in welchem man ſich denkt, daß die Folge beſtimt ſey, d. i. daß ſie eine andere Erſcheinung der Zeit nach vorausſetze, wor- auf ſie nothwendig, oder nach einer Regel folgt. Widri- genfals, wenn ich das vorhergehende ſetze, und die Bege- benheit folgte nicht darauf nothwendig, ſo wuͤrde ich ſie nur fuͤr ein ſubiectives Spiel meiner Einbildungen halten
muͤſ-
N 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><divn="9"><p><pbfacs="#f0231"n="201"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">III.</hi> Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc.</fw><lb/>
den Grunde, der Grund moͤglicher Erfahrung, nemlich der<lb/>
obiectiven Erkentniß der Erſcheinungen, in Anſehung des<lb/>
Verhaͤltniſſes derſelben, in Reihenfolge der Zeit.</p><lb/><p>Der Beweisgrund dieſes Satzes aber beruht lediglich<lb/>
auf folgenden Momenten. Zu aller empiriſchen Erkent-<lb/>
niß gehoͤrt die Syntheſis des Mannigfaltigen durch die<lb/>
Einbildungskraft, die iederzeit ſucceſſiv iſt, d. i. die Vor-<lb/>ſtellungen folgen in ihr iederzeit auf einander. Die Folge<lb/>
aber iſt in der Einbildungskraft der Ordnung nach (was<lb/>
vorgehen und was folgen muͤſſe) gar nicht beſtimt, und<lb/>
die Reihe der einen der folgenden Vorſtellungen kan eben<lb/>ſowol ruͤckwerts als vorwerts genommen werden. Iſt<lb/>
aber dieſe Syntheſis eine Syntheſis der Apprehenſion (des<lb/>
Mannigfaltigen einer gegebenen Erſcheinung), ſo iſt die<lb/>
Ordnung im Obiect beſtimt, oder, genauer zu reden, es<lb/>
iſt darin eine Ordnung der ſucceſſiven Syntheſis, die ein<lb/>
Obiect beſtimt, nach welcher etwas nothwendig vorausge-<lb/>
hen, und wenn dieſes geſezt iſt, das andre nothwendig fol-<lb/>
gen muͤſſe. Soll alſo meine Wahrnehmung die Erkentniß<lb/>
einer Begebenheit enthalten, da nemlich etwas wirklich ge-<lb/>ſchieht, ſo muß ſie ein empiriſch Urtheil ſeyn, in welchem<lb/>
man ſich denkt, daß die Folge beſtimt ſey, d. i. daß ſie<lb/>
eine andere Erſcheinung der Zeit nach vorausſetze, wor-<lb/>
auf ſie nothwendig, oder nach einer Regel folgt. Widri-<lb/>
genfals, wenn ich das vorhergehende ſetze, und die Bege-<lb/>
benheit folgte nicht darauf nothwendig, ſo wuͤrde ich ſie<lb/>
nur fuͤr ein ſubiectives Spiel meiner Einbildungen halten<lb/><fwplace="bottom"type="sig">N 5</fw><fwplace="bottom"type="catch">muͤſ-</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[201/0231]
III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc.
den Grunde, der Grund moͤglicher Erfahrung, nemlich der
obiectiven Erkentniß der Erſcheinungen, in Anſehung des
Verhaͤltniſſes derſelben, in Reihenfolge der Zeit.
Der Beweisgrund dieſes Satzes aber beruht lediglich
auf folgenden Momenten. Zu aller empiriſchen Erkent-
niß gehoͤrt die Syntheſis des Mannigfaltigen durch die
Einbildungskraft, die iederzeit ſucceſſiv iſt, d. i. die Vor-
ſtellungen folgen in ihr iederzeit auf einander. Die Folge
aber iſt in der Einbildungskraft der Ordnung nach (was
vorgehen und was folgen muͤſſe) gar nicht beſtimt, und
die Reihe der einen der folgenden Vorſtellungen kan eben
ſowol ruͤckwerts als vorwerts genommen werden. Iſt
aber dieſe Syntheſis eine Syntheſis der Apprehenſion (des
Mannigfaltigen einer gegebenen Erſcheinung), ſo iſt die
Ordnung im Obiect beſtimt, oder, genauer zu reden, es
iſt darin eine Ordnung der ſucceſſiven Syntheſis, die ein
Obiect beſtimt, nach welcher etwas nothwendig vorausge-
hen, und wenn dieſes geſezt iſt, das andre nothwendig fol-
gen muͤſſe. Soll alſo meine Wahrnehmung die Erkentniß
einer Begebenheit enthalten, da nemlich etwas wirklich ge-
ſchieht, ſo muß ſie ein empiriſch Urtheil ſeyn, in welchem
man ſich denkt, daß die Folge beſtimt ſey, d. i. daß ſie
eine andere Erſcheinung der Zeit nach vorausſetze, wor-
auf ſie nothwendig, oder nach einer Regel folgt. Widri-
genfals, wenn ich das vorhergehende ſetze, und die Bege-
benheit folgte nicht darauf nothwendig, ſo wuͤrde ich ſie
nur fuͤr ein ſubiectives Spiel meiner Einbildungen halten
muͤſ-
N 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 201. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/231>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.