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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781.

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III. Absch. Systemat. Vorstellung aller etc.
es geworden) auf irgend einen vorhergehenden Zustand
Anweisung giebt, als ein, ob zwar noch unbestimtes Cor-
relatum dieser Eräugniß, die gegeben ist, welches sich aber
auf diese, als seine Folge, bestimmend bezieht, und sie
nothwendig mit sich in der Zeitreihe verknüpfet.

Wenn es nun ein nothwendiges Gesetz unserer Sinn-
lichkeit, mithin eine formale Bedingung aller Wahrneh-
mungen ist: daß die vorige Zeit die folgende nothwendig
bestimmt; (indem ich zur folgenden nicht anders gelangen
kan, als durch die vorhergehende), so ist es auch ein un-
entbehrliches Gesetz der empirischen Vorstellung der Zeit-
reihe, daß die Erscheinungen der vergangenen Zeit iedes
Daseyn in der folgenden bestimmen, und daß diese, als
Begebenheiten, nicht statt finden, als so fern iene ihnen ihr
Daseyn in der Zeit bestimmen, d. i. nach einer Regel fest-
setzen. Denn nur an den Erscheinungen können wir
diese Continuität im Zusammenhange der Zeiten empi-
risch erkennen.

Zu aller Erfahrung und deren Möglichkeit gehört
Verstand, und das erste, was er dazu thut, ist nicht:
daß er die Vorstellung der Gegenstände deutlich macht, son-
dern daß er die Vorstellung eines Gegenstandes überhaupt
möglich macht. Dieses geschiehet nun dadurch, daß er
die Zeitordnung auf die Erscheinungen und deren Daseyn
überträgt, indem er ieder derselben als Folge eine, in An-
sehung der vorhergehenden Erscheinungen, a priori be-
stimte Stelle in der Zeit zuerkent, ohne welche sie nicht

mit
N 4

III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc.
es geworden) auf irgend einen vorhergehenden Zuſtand
Anweiſung giebt, als ein, ob zwar noch unbeſtimtes Cor-
relatum dieſer Eraͤugniß, die gegeben iſt, welches ſich aber
auf dieſe, als ſeine Folge, beſtimmend bezieht, und ſie
nothwendig mit ſich in der Zeitreihe verknuͤpfet.

Wenn es nun ein nothwendiges Geſetz unſerer Sinn-
lichkeit, mithin eine formale Bedingung aller Wahrneh-
mungen iſt: daß die vorige Zeit die folgende nothwendig
beſtimmt; (indem ich zur folgenden nicht anders gelangen
kan, als durch die vorhergehende), ſo iſt es auch ein un-
entbehrliches Geſetz der empiriſchen Vorſtellung der Zeit-
reihe, daß die Erſcheinungen der vergangenen Zeit iedes
Daſeyn in der folgenden beſtimmen, und daß dieſe, als
Begebenheiten, nicht ſtatt finden, als ſo fern iene ihnen ihr
Daſeyn in der Zeit beſtimmen, d. i. nach einer Regel feſt-
ſetzen. Denn nur an den Erſcheinungen koͤnnen wir
dieſe Continuitaͤt im Zuſammenhange der Zeiten empi-
riſch erkennen.

Zu aller Erfahrung und deren Moͤglichkeit gehoͤrt
Verſtand, und das erſte, was er dazu thut, iſt nicht:
daß er die Vorſtellung der Gegenſtaͤnde deutlich macht, ſon-
dern daß er die Vorſtellung eines Gegenſtandes uͤberhaupt
moͤglich macht. Dieſes geſchiehet nun dadurch, daß er
die Zeitordnung auf die Erſcheinungen und deren Daſeyn
uͤbertraͤgt, indem er ieder derſelben als Folge eine, in An-
ſehung der vorhergehenden Erſcheinungen, a priori be-
ſtimte Stelle in der Zeit zuerkent, ohne welche ſie nicht

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N 4
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[199/0229] III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc. es geworden) auf irgend einen vorhergehenden Zuſtand Anweiſung giebt, als ein, ob zwar noch unbeſtimtes Cor- relatum dieſer Eraͤugniß, die gegeben iſt, welches ſich aber auf dieſe, als ſeine Folge, beſtimmend bezieht, und ſie nothwendig mit ſich in der Zeitreihe verknuͤpfet. Wenn es nun ein nothwendiges Geſetz unſerer Sinn- lichkeit, mithin eine formale Bedingung aller Wahrneh- mungen iſt: daß die vorige Zeit die folgende nothwendig beſtimmt; (indem ich zur folgenden nicht anders gelangen kan, als durch die vorhergehende), ſo iſt es auch ein un- entbehrliches Geſetz der empiriſchen Vorſtellung der Zeit- reihe, daß die Erſcheinungen der vergangenen Zeit iedes Daſeyn in der folgenden beſtimmen, und daß dieſe, als Begebenheiten, nicht ſtatt finden, als ſo fern iene ihnen ihr Daſeyn in der Zeit beſtimmen, d. i. nach einer Regel feſt- ſetzen. Denn nur an den Erſcheinungen koͤnnen wir dieſe Continuitaͤt im Zuſammenhange der Zeiten empi- riſch erkennen. Zu aller Erfahrung und deren Moͤglichkeit gehoͤrt Verſtand, und das erſte, was er dazu thut, iſt nicht: daß er die Vorſtellung der Gegenſtaͤnde deutlich macht, ſon- dern daß er die Vorſtellung eines Gegenſtandes uͤberhaupt moͤglich macht. Dieſes geſchiehet nun dadurch, daß er die Zeitordnung auf die Erſcheinungen und deren Daſeyn uͤbertraͤgt, indem er ieder derſelben als Folge eine, in An- ſehung der vorhergehenden Erſcheinungen, a priori be- ſtimte Stelle in der Zeit zuerkent, ohne welche ſie nicht mit N 4

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/229>, abgerufen am 25.11.2024.