Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
auf eine leere Zeit folge, mithin ein Entstehen, vor dem kein Zustand der Dinge vorhergeht, kan eben so wenig, als die leere Zeit selbst apprehendirt werden. Jede Ap- prehension einer Begebenheit ist also eine Wahrnehmung, welche auf eine andere folgt. Weil dieses aber bey aller Synthesis der Apprehension so beschaffen ist, wie ich oben an der Erscheinung eines Hauses gezeigt habe, so unter- scheidet sie sich dadurch noch nicht von andern. Allein ich bemerke auch: daß, wenn ich an einer Erscheinung, wel- che ein Geschehen enthält, den vorhergehenden Zustand der Wahrnehmung A, den folgenden aber B, nenne, daß B auf A in der Apprehension nur folgen, die Wahrnehmung A aber auf B nicht folgen, sonden nur vorhergehen kan. Ich sehe z. B. ein Schiff den Strom hinab treiben. Mei- ne Wahrnehmung seiner Stelle unterhalb, folgt auf die Wahrnehmung der Stelle desselben oberhalb dem Laufe des Flusses, und es ist unmöglich, daß in der Apprehension dieser Erscheinung das Schiff zuerst unterhalb, nachher aber oberhalb des Stromes wahrgenommen werden sollte. Die Ordnung in der Folge der Wahrnehmungen in der Apprehension ist hier also bestimt, und an dieselbe ist die leztere gebunden. In dem vorigen Beyspiele von einem Hause konten meine Wahrnehmungen in der Apprehension von der Spitze desselben anfangen, und beym Boden endi- gen, aber auch von unten anfangen, und oben endigen, imgleichen rechts oder links das Mannigfaltige der empiri- schen Anschauung apprehendiren. In der Reihe dieser
Wahr-
Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
auf eine leere Zeit folge, mithin ein Entſtehen, vor dem kein Zuſtand der Dinge vorhergeht, kan eben ſo wenig, als die leere Zeit ſelbſt apprehendirt werden. Jede Ap- prehenſion einer Begebenheit iſt alſo eine Wahrnehmung, welche auf eine andere folgt. Weil dieſes aber bey aller Syntheſis der Apprehenſion ſo beſchaffen iſt, wie ich oben an der Erſcheinung eines Hauſes gezeigt habe, ſo unter- ſcheidet ſie ſich dadurch noch nicht von andern. Allein ich bemerke auch: daß, wenn ich an einer Erſcheinung, wel- che ein Geſchehen enthaͤlt, den vorhergehenden Zuſtand der Wahrnehmung A, den folgenden aber B, nenne, daß B auf A in der Apprehenſion nur folgen, die Wahrnehmung A aber auf B nicht folgen, ſonden nur vorhergehen kan. Ich ſehe z. B. ein Schiff den Strom hinab treiben. Mei- ne Wahrnehmung ſeiner Stelle unterhalb, folgt auf die Wahrnehmung der Stelle deſſelben oberhalb dem Laufe des Fluſſes, und es iſt unmoͤglich, daß in der Apprehenſion dieſer Erſcheinung das Schiff zuerſt unterhalb, nachher aber oberhalb des Stromes wahrgenommen werden ſollte. Die Ordnung in der Folge der Wahrnehmungen in der Apprehenſion iſt hier alſo beſtimt, und an dieſelbe iſt die leztere gebunden. In dem vorigen Beyſpiele von einem Hauſe konten meine Wahrnehmungen in der Apprehenſion von der Spitze deſſelben anfangen, und beym Boden endi- gen, aber auch von unten anfangen, und oben endigen, imgleichen rechts oder links das Mannigfaltige der empiri- ſchen Anſchauung apprehendiren. In der Reihe dieſer
Wahr-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><divn="7"><divn="8"><divn="9"><p><pbfacs="#f0222"n="192"/><fwplace="top"type="header">Elementarl. <hirendition="#aq">II.</hi> Th. <hirendition="#aq">I.</hi> Abth. <hirendition="#aq">II.</hi> Buch. <hirendition="#aq">II.</hi> Hauptſt.</fw><lb/>
auf eine leere Zeit folge, mithin ein Entſtehen, vor dem<lb/>
kein Zuſtand der Dinge vorhergeht, kan eben ſo wenig,<lb/>
als die leere Zeit ſelbſt apprehendirt werden. Jede Ap-<lb/>
prehenſion einer Begebenheit iſt alſo eine Wahrnehmung,<lb/>
welche auf eine andere folgt. Weil dieſes aber bey aller<lb/>
Syntheſis der Apprehenſion ſo beſchaffen iſt, wie ich oben<lb/>
an der Erſcheinung eines Hauſes gezeigt habe, ſo unter-<lb/>ſcheidet ſie ſich dadurch noch nicht von andern. Allein ich<lb/>
bemerke auch: daß, wenn ich an einer Erſcheinung, wel-<lb/>
che ein Geſchehen enthaͤlt, den vorhergehenden Zuſtand der<lb/>
Wahrnehmung <hirendition="#aq">A</hi>, den folgenden aber <hirendition="#aq">B</hi>, nenne, daß <hirendition="#aq">B</hi><lb/>
auf <hirendition="#aq">A</hi> in der Apprehenſion nur folgen, die Wahrnehmung<lb/><hirendition="#aq">A</hi> aber auf <hirendition="#aq">B</hi> nicht folgen, ſonden nur vorhergehen kan.<lb/>
Ich ſehe z. B. ein Schiff den Strom hinab treiben. Mei-<lb/>
ne Wahrnehmung ſeiner Stelle unterhalb, folgt auf die<lb/>
Wahrnehmung der Stelle deſſelben oberhalb dem Laufe des<lb/>
Fluſſes, und es iſt unmoͤglich, daß in der Apprehenſion<lb/>
dieſer Erſcheinung das Schiff zuerſt unterhalb, nachher<lb/>
aber oberhalb des Stromes wahrgenommen werden ſollte.<lb/>
Die Ordnung in der Folge der Wahrnehmungen in der<lb/>
Apprehenſion iſt hier alſo beſtimt, und an dieſelbe iſt die<lb/>
leztere gebunden. In dem vorigen Beyſpiele von einem<lb/>
Hauſe konten meine Wahrnehmungen in der Apprehenſion<lb/>
von der Spitze deſſelben anfangen, und beym Boden endi-<lb/>
gen, aber auch von unten anfangen, und oben endigen,<lb/>
imgleichen rechts oder links das Mannigfaltige der empiri-<lb/>ſchen Anſchauung apprehendiren. In der Reihe dieſer<lb/><fwplace="bottom"type="catch">Wahr-</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[192/0222]
Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
auf eine leere Zeit folge, mithin ein Entſtehen, vor dem
kein Zuſtand der Dinge vorhergeht, kan eben ſo wenig,
als die leere Zeit ſelbſt apprehendirt werden. Jede Ap-
prehenſion einer Begebenheit iſt alſo eine Wahrnehmung,
welche auf eine andere folgt. Weil dieſes aber bey aller
Syntheſis der Apprehenſion ſo beſchaffen iſt, wie ich oben
an der Erſcheinung eines Hauſes gezeigt habe, ſo unter-
ſcheidet ſie ſich dadurch noch nicht von andern. Allein ich
bemerke auch: daß, wenn ich an einer Erſcheinung, wel-
che ein Geſchehen enthaͤlt, den vorhergehenden Zuſtand der
Wahrnehmung A, den folgenden aber B, nenne, daß B
auf A in der Apprehenſion nur folgen, die Wahrnehmung
A aber auf B nicht folgen, ſonden nur vorhergehen kan.
Ich ſehe z. B. ein Schiff den Strom hinab treiben. Mei-
ne Wahrnehmung ſeiner Stelle unterhalb, folgt auf die
Wahrnehmung der Stelle deſſelben oberhalb dem Laufe des
Fluſſes, und es iſt unmoͤglich, daß in der Apprehenſion
dieſer Erſcheinung das Schiff zuerſt unterhalb, nachher
aber oberhalb des Stromes wahrgenommen werden ſollte.
Die Ordnung in der Folge der Wahrnehmungen in der
Apprehenſion iſt hier alſo beſtimt, und an dieſelbe iſt die
leztere gebunden. In dem vorigen Beyſpiele von einem
Hauſe konten meine Wahrnehmungen in der Apprehenſion
von der Spitze deſſelben anfangen, und beym Boden endi-
gen, aber auch von unten anfangen, und oben endigen,
imgleichen rechts oder links das Mannigfaltige der empiri-
ſchen Anſchauung apprehendiren. In der Reihe dieſer
Wahr-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/222>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.