selben Ursache sey, so mag es ihm wol erlaubt seyn, dieienige Stellen, die zu einigem Mißtrauen Anlaß ge- ben könten, ob sie gleich nur den Nebenzweck ange- hen, selbst anzumerken, um den Einfluß, den auch nur die mindeste Bedenklichkeit des Lesers in diesem Puncte auf sein Urtheil, in Ansehung des Hauptzwecks, haben möchte, bey zeiten abzuhalten.
Ich kenne keine Untersuchungen, die zu Ergrün- dung des Vermögens, welches wir Verstand nennen, und zugleich zu Bestimmung der Regeln und Grän- zen seines Gebrauchs, wichtiger wären, als die, wel- che ich in dem zweiten Hauptstücke der transscendenta- len Analytik, unter dem Titel der Deduction der reinen Verstandesbegriffe, angestellt habe; auch haben sie mir die meiste, aber, wie ich hoffe, nicht unvergoltene Mühe gekostet. Diese Betrachtung, die etwas tief angelegt ist, hat aber zwey Seiten. Die eine bezieht sich auf die Gegenstände des reinen Verstandes, und soll die obiective Gültigkeit seiner Begriffe a priori dar- thun und begreiflich machen; eben darum ist sie auch wesentlich zu meinen Zwecken gehörig. Die andere geht darauf aus, den reinen Verstand selbst, nach seiner Möglichkeit und den Erkentnißkräften, auf de- nen er selbst beruht, mithin ihn in subiectiver Bezie-
hung
Vorrede.
ſelben Urſache ſey, ſo mag es ihm wol erlaubt ſeyn, dieienige Stellen, die zu einigem Mißtrauen Anlaß ge- ben koͤnten, ob ſie gleich nur den Nebenzweck ange- hen, ſelbſt anzumerken, um den Einfluß, den auch nur die mindeſte Bedenklichkeit des Leſers in dieſem Puncte auf ſein Urtheil, in Anſehung des Hauptzwecks, haben moͤchte, bey zeiten abzuhalten.
Ich kenne keine Unterſuchungen, die zu Ergruͤn- dung des Vermoͤgens, welches wir Verſtand nennen, und zugleich zu Beſtimmung der Regeln und Graͤn- zen ſeines Gebrauchs, wichtiger waͤren, als die, wel- che ich in dem zweiten Hauptſtuͤcke der transſcendenta- len Analytik, unter dem Titel der Deduction der reinen Verſtandesbegriffe, angeſtellt habe; auch haben ſie mir die meiſte, aber, wie ich hoffe, nicht unvergoltene Muͤhe gekoſtet. Dieſe Betrachtung, die etwas tief angelegt iſt, hat aber zwey Seiten. Die eine bezieht ſich auf die Gegenſtaͤnde des reinen Verſtandes, und ſoll die obiective Guͤltigkeit ſeiner Begriffe a priori dar- thun und begreiflich machen; eben darum iſt ſie auch weſentlich zu meinen Zwecken gehoͤrig. Die andere geht darauf aus, den reinen Verſtand ſelbſt, nach ſeiner Moͤglichkeit und den Erkentnißkraͤften, auf de- nen er ſelbſt beruht, mithin ihn in ſubiectiver Bezie-
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[0022]
Vorrede.
ſelben Urſache ſey, ſo mag es ihm wol erlaubt ſeyn,
dieienige Stellen, die zu einigem Mißtrauen Anlaß ge-
ben koͤnten, ob ſie gleich nur den Nebenzweck ange-
hen, ſelbſt anzumerken, um den Einfluß, den auch nur
die mindeſte Bedenklichkeit des Leſers in dieſem Puncte
auf ſein Urtheil, in Anſehung des Hauptzwecks, haben
moͤchte, bey zeiten abzuhalten.
Ich kenne keine Unterſuchungen, die zu Ergruͤn-
dung des Vermoͤgens, welches wir Verſtand nennen,
und zugleich zu Beſtimmung der Regeln und Graͤn-
zen ſeines Gebrauchs, wichtiger waͤren, als die, wel-
che ich in dem zweiten Hauptſtuͤcke der transſcendenta-
len Analytik, unter dem Titel der Deduction der reinen
Verſtandesbegriffe, angeſtellt habe; auch haben ſie
mir die meiſte, aber, wie ich hoffe, nicht unvergoltene
Muͤhe gekoſtet. Dieſe Betrachtung, die etwas tief
angelegt iſt, hat aber zwey Seiten. Die eine bezieht
ſich auf die Gegenſtaͤnde des reinen Verſtandes, und
ſoll die obiective Guͤltigkeit ſeiner Begriffe a priori dar-
thun und begreiflich machen; eben darum iſt ſie auch
weſentlich zu meinen Zwecken gehoͤrig. Die andere
geht darauf aus, den reinen Verſtand ſelbſt, nach
ſeiner Moͤglichkeit und den Erkentnißkraͤften, auf de-
nen er ſelbſt beruht, mithin ihn in ſubiectiver Bezie-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/22>, abgerufen am 21.12.2024.
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