hieraus entspringen viel Mißdeutungen, und es ist genauer und richtiger geredt, wenn man das Accidenz nur durch die Art, wie das Daseyn einer Substanz positiv bestimt ist, bezeichnet. Indessen ist es doch, vermöge der Bedingun- gen des logischen Gebrauchs unseres Verstandes, unver- meidlich, dasienige, was im Daseyn einer Substanz wech- seln kan, indessen, daß die Substanz bleibt, gleichsam ab- zusondern, und in Verhältniß auf das eigentliche Beharr- liche und Radicale zu betrachten; daher denn auch diese Categorie unter dem Titel der Verhältnisse steht, mehr, als die Bedingung derselben, als daß sie selbst ein Ver- hältniß enthielte.
Auf dieser Beharrlichkeit gründet sich nun auch die Berichtigung des Begriffs von Veränderung. Entstehen und Vergehen sind nicht Veränderungen desienigen, was entsteht oder vergeht. Veränderung ist eine Art zu existi- ren, welche auf eine andere Art zu existiren eben desselben Gegenstandes erfolget. Daher ist alles, was sich verän- dert, bleibend, und nur sein Zustand wechselt. Da dieser Wechsel also nur die Bestimmungen trift, die auf- hören oder auch anheben können; so können wir, in ei- nem etwas paradox scheinenden Ausdruck sagen: nur das Beharrliche (die Substanz) wird verändert, das Wandel- bare erleidet keine Veränderung, sondern einen Wechsel, da einige Bestimmungen aufhören, und andre anheben.
Ver-
III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc.
hieraus entſpringen viel Mißdeutungen, und es iſt genauer und richtiger geredt, wenn man das Accidenz nur durch die Art, wie das Daſeyn einer Subſtanz poſitiv beſtimt iſt, bezeichnet. Indeſſen iſt es doch, vermoͤge der Bedingun- gen des logiſchen Gebrauchs unſeres Verſtandes, unver- meidlich, dasienige, was im Daſeyn einer Subſtanz wech- ſeln kan, indeſſen, daß die Subſtanz bleibt, gleichſam ab- zuſondern, und in Verhaͤltniß auf das eigentliche Beharr- liche und Radicale zu betrachten; daher denn auch dieſe Categorie unter dem Titel der Verhaͤltniſſe ſteht, mehr, als die Bedingung derſelben, als daß ſie ſelbſt ein Ver- haͤltniß enthielte.
Auf dieſer Beharrlichkeit gruͤndet ſich nun auch die Berichtigung des Begriffs von Veraͤnderung. Entſtehen und Vergehen ſind nicht Veraͤnderungen desienigen, was entſteht oder vergeht. Veraͤnderung iſt eine Art zu exiſti- ren, welche auf eine andere Art zu exiſtiren eben deſſelben Gegenſtandes erfolget. Daher iſt alles, was ſich veraͤn- dert, bleibend, und nur ſein Zuſtand wechſelt. Da dieſer Wechſel alſo nur die Beſtimmungen trift, die auf- hoͤren oder auch anheben koͤnnen; ſo koͤnnen wir, in ei- nem etwas paradox ſcheinenden Ausdruck ſagen: nur das Beharrliche (die Subſtanz) wird veraͤndert, das Wandel- bare erleidet keine Veraͤnderung, ſondern einen Wechſel, da einige Beſtimmungen aufhoͤren, und andre anheben.
Ver-
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III. Abſch. Syſtemat. Vorſtellung aller ꝛc.
hieraus entſpringen viel Mißdeutungen, und es iſt genauer
und richtiger geredt, wenn man das Accidenz nur durch
die Art, wie das Daſeyn einer Subſtanz poſitiv beſtimt iſt,
bezeichnet. Indeſſen iſt es doch, vermoͤge der Bedingun-
gen des logiſchen Gebrauchs unſeres Verſtandes, unver-
meidlich, dasienige, was im Daſeyn einer Subſtanz wech-
ſeln kan, indeſſen, daß die Subſtanz bleibt, gleichſam ab-
zuſondern, und in Verhaͤltniß auf das eigentliche Beharr-
liche und Radicale zu betrachten; daher denn auch dieſe
Categorie unter dem Titel der Verhaͤltniſſe ſteht, mehr,
als die Bedingung derſelben, als daß ſie ſelbſt ein Ver-
haͤltniß enthielte.
Auf dieſer Beharrlichkeit gruͤndet ſich nun auch die
Berichtigung des Begriffs von Veraͤnderung. Entſtehen
und Vergehen ſind nicht Veraͤnderungen desienigen, was
entſteht oder vergeht. Veraͤnderung iſt eine Art zu exiſti-
ren, welche auf eine andere Art zu exiſtiren eben deſſelben
Gegenſtandes erfolget. Daher iſt alles, was ſich veraͤn-
dert, bleibend, und nur ſein Zuſtand wechſelt. Da
dieſer Wechſel alſo nur die Beſtimmungen trift, die auf-
hoͤren oder auch anheben koͤnnen; ſo koͤnnen wir, in ei-
nem etwas paradox ſcheinenden Ausdruck ſagen: nur das
Beharrliche (die Subſtanz) wird veraͤndert, das Wandel-
bare erleidet keine Veraͤnderung, ſondern einen Wechſel,
da einige Beſtimmungen aufhoͤren, und andre anheben.
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 187. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/217>, abgerufen am 25.11.2024.
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