Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptst.
noch vor dem Raume oder der Zeit gegeben werden könten, kan weder Raum noch Zeit zusammen gesezt werden. Dergleichen Grössen kan man auch fliessende nennen, weil die Synthesis (der productiven Einbildungskraft) in ihrer Er- zeugung ein Fortgang in der Zeit ist, deren Continuität man besonders durch den Ausdruck des Fliessens (Verflies- sens) zu bezeichnen pflegt.
Alle Erscheinungen überhaupt sind demnach continuir- liche Grössen, sowol ihrer Anschauung nach, als extensive, oder der blossen Wahrnehmung (Empfindung und mithin Realität) nach, als intensive Grössen. Wenn die Synthesis des Mannigfaltigen der Erscheinung unterbro- chen ist, so ist dieses ein Aggregat von vielen Erscheinun- gen, und nicht eigentlich Erscheinung als ein Quantum, welches nicht durch die blosse Fortsetzung der productiven Synthesis einer gewissen Art, sondern durch Wiederholung einer immer aufhörenden Synthesis erzeugt wird. Wenn ich 13 Thaler ein Geldquantum nenne, so benenne ich es so fern richtig, als ich darunter den Gehalt von einer Mark fein Silber verstehe, welche aber allerdings eine continuirliche Grösse ist, in welcher kein Theil der kleineste ist, sondern ieder Theil ein Geldstück ausmachen könte, wel- che immer Materie zu noch kleineren enthielte. Wenn ich aber unter iener Benennung 13 runde Thaler verste- he, als so viel Münzen, (ihr Silbergehalt mag seyn, welcher er wolle), so benenne ich es unschicklich durch ein Quantum von Thalern, sondern muß es ein Aggregat,
d. i.
Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
noch vor dem Raume oder der Zeit gegeben werden koͤnten, kan weder Raum noch Zeit zuſammen geſezt werden. Dergleichen Groͤſſen kan man auch flieſſende nennen, weil die Syntheſis (der productiven Einbildungskraft) in ihrer Er- zeugung ein Fortgang in der Zeit iſt, deren Continuitaͤt man beſonders durch den Ausdruck des Flieſſens (Verflieſ- ſens) zu bezeichnen pflegt.
Alle Erſcheinungen uͤberhaupt ſind demnach continuir- liche Groͤſſen, ſowol ihrer Anſchauung nach, als extenſive, oder der bloſſen Wahrnehmung (Empfindung und mithin Realitaͤt) nach, als intenſive Groͤſſen. Wenn die Syntheſis des Mannigfaltigen der Erſcheinung unterbro- chen iſt, ſo iſt dieſes ein Aggregat von vielen Erſcheinun- gen, und nicht eigentlich Erſcheinung als ein Quantum, welches nicht durch die bloſſe Fortſetzung der productiven Syntheſis einer gewiſſen Art, ſondern durch Wiederholung einer immer aufhoͤrenden Syntheſis erzeugt wird. Wenn ich 13 Thaler ein Geldquantum nenne, ſo benenne ich es ſo fern richtig, als ich darunter den Gehalt von einer Mark fein Silber verſtehe, welche aber allerdings eine continuirliche Groͤſſe iſt, in welcher kein Theil der kleineſte iſt, ſondern ieder Theil ein Geldſtuͤck ausmachen koͤnte, wel- che immer Materie zu noch kleineren enthielte. Wenn ich aber unter iener Benennung 13 runde Thaler verſte- he, als ſo viel Muͤnzen, (ihr Silbergehalt mag ſeyn, welcher er wolle), ſo benenne ich es unſchicklich durch ein Quantum von Thalern, ſondern muß es ein Aggregat,
d. i.
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Elementarl. II. Th. I. Abth. II. Buch. II. Hauptſt.
noch vor dem Raume oder der Zeit gegeben werden koͤnten,
kan weder Raum noch Zeit zuſammen geſezt werden.
Dergleichen Groͤſſen kan man auch flieſſende nennen, weil die
Syntheſis (der productiven Einbildungskraft) in ihrer Er-
zeugung ein Fortgang in der Zeit iſt, deren Continuitaͤt
man beſonders durch den Ausdruck des Flieſſens (Verflieſ-
ſens) zu bezeichnen pflegt.
Alle Erſcheinungen uͤberhaupt ſind demnach continuir-
liche Groͤſſen, ſowol ihrer Anſchauung nach, als extenſive,
oder der bloſſen Wahrnehmung (Empfindung und
mithin Realitaͤt) nach, als intenſive Groͤſſen. Wenn die
Syntheſis des Mannigfaltigen der Erſcheinung unterbro-
chen iſt, ſo iſt dieſes ein Aggregat von vielen Erſcheinun-
gen, und nicht eigentlich Erſcheinung als ein Quantum,
welches nicht durch die bloſſe Fortſetzung der productiven
Syntheſis einer gewiſſen Art, ſondern durch Wiederholung
einer immer aufhoͤrenden Syntheſis erzeugt wird. Wenn
ich 13 Thaler ein Geldquantum nenne, ſo benenne ich es
ſo fern richtig, als ich darunter den Gehalt von einer
Mark fein Silber verſtehe, welche aber allerdings eine
continuirliche Groͤſſe iſt, in welcher kein Theil der kleineſte
iſt, ſondern ieder Theil ein Geldſtuͤck ausmachen koͤnte, wel-
che immer Materie zu noch kleineren enthielte. Wenn
ich aber unter iener Benennung 13 runde Thaler verſte-
he, als ſo viel Muͤnzen, (ihr Silbergehalt mag ſeyn,
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Quantum von Thalern, ſondern muß es ein Aggregat,
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 170. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/200>, abgerufen am 23.11.2024.
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