Die Einheit der Apperception in Beziehung auf die Synthesis der Einbildungskraft ist der Verstand, und eben dieselbe Einheit, beziehungsweise auf die trans- scendentale Synthesis der Einbildungskraft, der reine Verstand. Also sind im Verstande reine Erkentnisse a priori, welche die nothwendige Einheit der reinen Synthesis der Einbildungskraft, in Ansehung aller mög- lichen Erscheinungen, enthalten. Dieses sind aber die Categorien, d. i. reine Verstandesbegriffe, folglich ent- hält die empirische Erkentnißkraft des Menschen nothwen- dig einen Verstand, der sich auf alle Gegenstände der Sinne, obgleich nur vermittelst der Anschauung, und der Synthe- sis derselben durch Einbildungskraft bezieht, unter wel- chen also alle Erscheinungen, als Data zu einer möglichen Erfahrung stehen. Da nun diese Beziehung der Er- scheinungen auf mögliche Erfahrung ebenfals nothwendig ist, (weil wir ohne diese gar keine Erkentniß durch sie be- kommen würden, und sie uns mithin gar nichts angingen) so folgt, daß der reine Verstand, vermittelst der Catego- rien, ein formales und synthetisches Principium aller Er- fahrungen sey, und die Erscheinungen eine nothwendige Beziehung auf den Verstand haben.
Jezt wollen wir den nothwendigen Zusammenhang des Verstandes mit den Erscheinungen vermittelst der Cate- gorien dadurch vor Augen legen, daß wir von unten auf, nemlich dem Empirischen anfangen. Das erste, was uns
gege-
H 4
III. Abſch. Vom Verh. d. Verſt. zu Gegenſt. ꝛc.
Die Einheit der Apperception in Beziehung auf die Syntheſis der Einbildungskraft iſt der Verſtand, und eben dieſelbe Einheit, beziehungsweiſe auf die trans- ſcendentale Syntheſis der Einbildungskraft, der reine Verſtand. Alſo ſind im Verſtande reine Erkentniſſe a priori, welche die nothwendige Einheit der reinen Syntheſis der Einbildungskraft, in Anſehung aller moͤg- lichen Erſcheinungen, enthalten. Dieſes ſind aber die Categorien, d. i. reine Verſtandesbegriffe, folglich ent- haͤlt die empiriſche Erkentnißkraft des Menſchen nothwen- dig einen Verſtand, der ſich auf alle Gegenſtaͤnde der Sinne, obgleich nur vermittelſt der Anſchauung, und der Synthe- ſis derſelben durch Einbildungskraft bezieht, unter wel- chen alſo alle Erſcheinungen, als Data zu einer moͤglichen Erfahrung ſtehen. Da nun dieſe Beziehung der Er- ſcheinungen auf moͤgliche Erfahrung ebenfals nothwendig iſt, (weil wir ohne dieſe gar keine Erkentniß durch ſie be- kommen wuͤrden, und ſie uns mithin gar nichts angingen) ſo folgt, daß der reine Verſtand, vermittelſt der Catego- rien, ein formales und ſynthetiſches Principium aller Er- fahrungen ſey, und die Erſcheinungen eine nothwendige Beziehung auf den Verſtand haben.
Jezt wollen wir den nothwendigen Zuſammenhang des Verſtandes mit den Erſcheinungen vermittelſt der Cate- gorien dadurch vor Augen legen, daß wir von unten auf, nemlich dem Empiriſchen anfangen. Das erſte, was uns
gege-
H 4
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><divn="4"><divn="5"><divn="6"><pbfacs="#f0149"n="119"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#aq">III.</hi> Abſch. Vom Verh. d. Verſt. zu Gegenſt. ꝛc.</fw><lb/><p>Die Einheit der Apperception in Beziehung auf<lb/>
die Syntheſis der Einbildungskraft iſt der Verſtand,<lb/>
und eben dieſelbe Einheit, beziehungsweiſe auf die trans-<lb/>ſcendentale Syntheſis der Einbildungskraft, der reine<lb/>
Verſtand. Alſo ſind im Verſtande reine Erkentniſſe <hirendition="#aq">a<lb/>
priori,</hi> welche die nothwendige Einheit der reinen<lb/>
Syntheſis der Einbildungskraft, in Anſehung aller moͤg-<lb/>
lichen Erſcheinungen, enthalten. Dieſes ſind aber die<lb/>
Categorien, d. i. reine Verſtandesbegriffe, folglich ent-<lb/>
haͤlt die empiriſche Erkentnißkraft des Menſchen nothwen-<lb/>
dig einen Verſtand, der ſich auf alle Gegenſtaͤnde der Sinne,<lb/>
obgleich nur vermittelſt der Anſchauung, und der Synthe-<lb/>ſis derſelben durch Einbildungskraft bezieht, unter wel-<lb/>
chen alſo alle Erſcheinungen, als Data zu einer moͤglichen<lb/>
Erfahrung ſtehen. Da nun dieſe Beziehung der Er-<lb/>ſcheinungen auf moͤgliche Erfahrung ebenfals nothwendig<lb/>
iſt, (weil wir ohne dieſe gar keine Erkentniß durch ſie be-<lb/>
kommen wuͤrden, und ſie uns mithin gar nichts angingen)<lb/>ſo folgt, daß der reine Verſtand, vermittelſt der Catego-<lb/>
rien, ein formales und ſynthetiſches Principium aller Er-<lb/>
fahrungen ſey, und die Erſcheinungen eine nothwendige<lb/>
Beziehung auf den Verſtand haben.</p><lb/><p>Jezt wollen wir den nothwendigen Zuſammenhang<lb/>
des Verſtandes mit den Erſcheinungen vermittelſt der Cate-<lb/>
gorien dadurch vor Augen legen, daß wir von unten auf,<lb/>
nemlich dem Empiriſchen anfangen. Das erſte, was uns<lb/><fwplace="bottom"type="sig">H 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">gege-</fw><lb/></p></div></div></div></div></div></div></body></text></TEI>
[119/0149]
III. Abſch. Vom Verh. d. Verſt. zu Gegenſt. ꝛc.
Die Einheit der Apperception in Beziehung auf
die Syntheſis der Einbildungskraft iſt der Verſtand,
und eben dieſelbe Einheit, beziehungsweiſe auf die trans-
ſcendentale Syntheſis der Einbildungskraft, der reine
Verſtand. Alſo ſind im Verſtande reine Erkentniſſe a
priori, welche die nothwendige Einheit der reinen
Syntheſis der Einbildungskraft, in Anſehung aller moͤg-
lichen Erſcheinungen, enthalten. Dieſes ſind aber die
Categorien, d. i. reine Verſtandesbegriffe, folglich ent-
haͤlt die empiriſche Erkentnißkraft des Menſchen nothwen-
dig einen Verſtand, der ſich auf alle Gegenſtaͤnde der Sinne,
obgleich nur vermittelſt der Anſchauung, und der Synthe-
ſis derſelben durch Einbildungskraft bezieht, unter wel-
chen alſo alle Erſcheinungen, als Data zu einer moͤglichen
Erfahrung ſtehen. Da nun dieſe Beziehung der Er-
ſcheinungen auf moͤgliche Erfahrung ebenfals nothwendig
iſt, (weil wir ohne dieſe gar keine Erkentniß durch ſie be-
kommen wuͤrden, und ſie uns mithin gar nichts angingen)
ſo folgt, daß der reine Verſtand, vermittelſt der Catego-
rien, ein formales und ſynthetiſches Principium aller Er-
fahrungen ſey, und die Erſcheinungen eine nothwendige
Beziehung auf den Verſtand haben.
Jezt wollen wir den nothwendigen Zuſammenhang
des Verſtandes mit den Erſcheinungen vermittelſt der Cate-
gorien dadurch vor Augen legen, daß wir von unten auf,
nemlich dem Empiriſchen anfangen. Das erſte, was uns
gege-
H 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 119. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/149>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.