Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. II. Hauptst.
reine Synthesis der Einbildungskraft, und dem empiri- schen Bewustseyn die reine Apperception, d. i. die durch- gängige Identität seiner selbst bey allen möglichen Vorstel- lungen, a priori zum Grunde.
Wollen wir nun den innern Grund dieser Verknüp- fung der Vorstellungen bis auf denienigen Punct verfolgen, in welchem sie alle zusammenlaufen müssen, um darin allererst Einheit der Erkentniß zu einer möglichen Erfah- rung zu bekommen, so müssen wir von der reinen Apper- ception anfangen. Alle Anschauungen sind vor uns nichts, und gehen uns nicht im mindesten etwas an, wenn sie nicht ins Bewustseyn aufgenommen werden können, sie mögen nun direct oder indirect, darauf einfliessen, und nur durch dieses allein ist Erkentniß möglich. Wir sind uns a priori der durchgängigen Identität unserer selbst in Ansehung aller Vorstellungen, die zu unserem Erkentniß iemals gehören können, bewust, als einer nothwendigen Bedingung der Möglichkeit aller Vorstellungen, (weil diese in mir doch nur dadurch etwas vorstellen, daß sie mit allem andern zu einem Bewustseyn gehören, mithin darin wenigstens müssen verknüpft werden können). Dies Princip steht a priori fest, und kan das transscendentale Princip der Einheit alles Mannigfaltigen unserer Vor- stellungen (mithin auch in der Anschauung), heissen. Nun ist die Einheit des Mannigfaltigen in einem Subiect [s]ynthetisch: also giebt die reine Apperception ein Princi-
pium
Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. II. Hauptſt.
reine Syntheſis der Einbildungskraft, und dem empiri- ſchen Bewuſtſeyn die reine Apperception, d. i. die durch- gaͤngige Identitaͤt ſeiner ſelbſt bey allen moͤglichen Vorſtel- lungen, a priori zum Grunde.
Wollen wir nun den innern Grund dieſer Verknuͤp- fung der Vorſtellungen bis auf denienigen Punct verfolgen, in welchem ſie alle zuſammenlaufen muͤſſen, um darin allererſt Einheit der Erkentniß zu einer moͤglichen Erfah- rung zu bekommen, ſo muͤſſen wir von der reinen Apper- ception anfangen. Alle Anſchauungen ſind vor uns nichts, und gehen uns nicht im mindeſten etwas an, wenn ſie nicht ins Bewuſtſeyn aufgenommen werden koͤnnen, ſie moͤgen nun direct oder indirect, darauf einflieſſen, und nur durch dieſes allein iſt Erkentniß moͤglich. Wir ſind uns a priori der durchgaͤngigen Identitaͤt unſerer ſelbſt in Anſehung aller Vorſtellungen, die zu unſerem Erkentniß iemals gehoͤren koͤnnen, bewuſt, als einer nothwendigen Bedingung der Moͤglichkeit aller Vorſtellungen, (weil dieſe in mir doch nur dadurch etwas vorſtellen, daß ſie mit allem andern zu einem Bewuſtſeyn gehoͤren, mithin darin wenigſtens muͤſſen verknuͤpft werden koͤnnen). Dies Princip ſteht a priori feſt, und kan das transſcendentale Princip der Einheit alles Mannigfaltigen unſerer Vor- ſtellungen (mithin auch in der Anſchauung), heiſſen. Nun iſt die Einheit des Mannigfaltigen in einem Subiect [ſ]ynthetiſch: alſo giebt die reine Apperception ein Princi-
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Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. II. Hauptſt.
reine Syntheſis der Einbildungskraft, und dem empiri-
ſchen Bewuſtſeyn die reine Apperception, d. i. die durch-
gaͤngige Identitaͤt ſeiner ſelbſt bey allen moͤglichen Vorſtel-
lungen, a priori zum Grunde.
Wollen wir nun den innern Grund dieſer Verknuͤp-
fung der Vorſtellungen bis auf denienigen Punct verfolgen,
in welchem ſie alle zuſammenlaufen muͤſſen, um darin
allererſt Einheit der Erkentniß zu einer moͤglichen Erfah-
rung zu bekommen, ſo muͤſſen wir von der reinen Apper-
ception anfangen. Alle Anſchauungen ſind vor uns nichts,
und gehen uns nicht im mindeſten etwas an, wenn ſie
nicht ins Bewuſtſeyn aufgenommen werden koͤnnen, ſie
moͤgen nun direct oder indirect, darauf einflieſſen, und
nur durch dieſes allein iſt Erkentniß moͤglich. Wir ſind
uns a priori der durchgaͤngigen Identitaͤt unſerer ſelbſt in
Anſehung aller Vorſtellungen, die zu unſerem Erkentniß
iemals gehoͤren koͤnnen, bewuſt, als einer nothwendigen
Bedingung der Moͤglichkeit aller Vorſtellungen, (weil
dieſe in mir doch nur dadurch etwas vorſtellen, daß ſie
mit allem andern zu einem Bewuſtſeyn gehoͤren, mithin
darin wenigſtens muͤſſen verknuͤpft werden koͤnnen). Dies
Princip ſteht a priori feſt, und kan das transſcendentale
Princip der Einheit alles Mannigfaltigen unſerer Vor-
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Nun iſt die Einheit des Mannigfaltigen in einem Subiect
ſynthetiſch: alſo giebt die reine Apperception ein Princi-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 116. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/146>, abgerufen am 24.11.2024.
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