heiten dermassen unter Regeln stehe, daß niemals etwas geschieht, vor welchem nicht etwas vorhergehe, darauf es iederzeit folge: dieses, als ein Gesetz der Natur, w[or-] auf beruht es, frage ich? und wie ist selbst diese Associa- tion möglich? Der Grund der Möglichkeit der Association des Mannigfaltigen, so fern es im Obiecte liegt, heißt die Affinität des Mannigfaltigen. Ich frage also, wie macht ihr euch die durchgängige Affinität der Erscheinungen, (da- durch sie unter beständigen Gesetzen stehen, und darunter gehören müssen.) begreiflich?
Nach meinen Grundsätzen ist sie sehr wol begreiflich. Alle mögliche Erscheinungen gehören, als Vorstellungen, zu dem ganzen möglichen Selbstbewustseyn. Von diesem aber, als einer transscendentalen Vorstellung, ist die nu- merische Identität unzertrenlich, und a priori gewiß, weil nichts in das Erkentniß kommen kan, ohne vermittelst die- ser ursprünglichen Apperception. Da nun diese Identität nothwendig in der Synthesis alles Mannigfaltigen der Er- scheinungen, so fern sie empirische Erkentniß werden soll, hinein kommen muß, so sind die Erscheinungen Bedingun- gen a priori unterworfen, welchen ihre Synthesis (der Apprehension) durchgängig gemäs seyn muß. Nun heißt aber die Vorstellung einer allgemeinen Bedingung, nach welcher ein gewisses Mannigfaltige, (mithin auf einerley Art) gesezt werden kan, eine Regel, und wenn es so gesezt werden muß, ein Gesetz. Also stehen alle Erschei- nungen in einer durchgängigen Verknüpfung nach noth-
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II. Abſch. Gruͤnde zur Moͤglichkeit der Erfahr.
heiten dermaſſen unter Regeln ſtehe, daß niemals etwas geſchieht, vor welchem nicht etwas vorhergehe, darauf es iederzeit folge: dieſes, als ein Geſetz der Natur, w[or-] auf beruht es, frage ich? und wie iſt ſelbſt dieſe Aſſocia- tion moͤglich? Der Grund der Moͤglichkeit der Aſſociation des Mannigfaltigen, ſo fern es im Obiecte liegt, heißt die Affinitaͤt des Mannigfaltigen. Ich frage alſo, wie macht ihr euch die durchgaͤngige Affinitaͤt der Erſcheinungen, (da- durch ſie unter beſtaͤndigen Geſetzen ſtehen, und darunter gehoͤren muͤſſen.) begreiflich?
Nach meinen Grundſaͤtzen iſt ſie ſehr wol begreiflich. Alle moͤgliche Erſcheinungen gehoͤren, als Vorſtellungen, zu dem ganzen moͤglichen Selbſtbewuſtſeyn. Von dieſem aber, als einer transſcendentalen Vorſtellung, iſt die nu- meriſche Identitaͤt unzertrenlich, und a priori gewiß, weil nichts in das Erkentniß kommen kan, ohne vermittelſt die- ſer urſpruͤnglichen Apperception. Da nun dieſe Identitaͤt nothwendig in der Syntheſis alles Mannigfaltigen der Er- ſcheinungen, ſo fern ſie empiriſche Erkentniß werden ſoll, hinein kommen muß, ſo ſind die Erſcheinungen Bedingun- gen a priori unterworfen, welchen ihre Syntheſis (der Apprehenſion) durchgaͤngig gemaͤs ſeyn muß. Nun heißt aber die Vorſtellung einer allgemeinen Bedingung, nach welcher ein gewiſſes Mannigfaltige, (mithin auf einerley Art) geſezt werden kan, eine Regel, und wenn es ſo geſezt werden muß, ein Geſetz. Alſo ſtehen alle Erſchei- nungen in einer durchgaͤngigen Verknuͤpfung nach noth-
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II. Abſch. Gruͤnde zur Moͤglichkeit der Erfahr.
heiten dermaſſen unter Regeln ſtehe, daß niemals etwas
geſchieht, vor welchem nicht etwas vorhergehe, darauf
es iederzeit folge: dieſes, als ein Geſetz der Natur, wor-
auf beruht es, frage ich? und wie iſt ſelbſt dieſe Aſſocia-
tion moͤglich? Der Grund der Moͤglichkeit der Aſſociation
des Mannigfaltigen, ſo fern es im Obiecte liegt, heißt die
Affinitaͤt des Mannigfaltigen. Ich frage alſo, wie macht
ihr euch die durchgaͤngige Affinitaͤt der Erſcheinungen, (da-
durch ſie unter beſtaͤndigen Geſetzen ſtehen, und darunter
gehoͤren muͤſſen.) begreiflich?
Nach meinen Grundſaͤtzen iſt ſie ſehr wol begreiflich.
Alle moͤgliche Erſcheinungen gehoͤren, als Vorſtellungen, zu
dem ganzen moͤglichen Selbſtbewuſtſeyn. Von dieſem
aber, als einer transſcendentalen Vorſtellung, iſt die nu-
meriſche Identitaͤt unzertrenlich, und a priori gewiß, weil
nichts in das Erkentniß kommen kan, ohne vermittelſt die-
ſer urſpruͤnglichen Apperception. Da nun dieſe Identitaͤt
nothwendig in der Syntheſis alles Mannigfaltigen der Er-
ſcheinungen, ſo fern ſie empiriſche Erkentniß werden ſoll,
hinein kommen muß, ſo ſind die Erſcheinungen Bedingun-
gen a priori unterworfen, welchen ihre Syntheſis (der
Apprehenſion) durchgaͤngig gemaͤs ſeyn muß. Nun heißt
aber die Vorſtellung einer allgemeinen Bedingung, nach
welcher ein gewiſſes Mannigfaltige, (mithin auf einerley
Art) geſezt werden kan, eine Regel, und wenn es ſo
geſezt werden muß, ein Geſetz. Alſo ſtehen alle Erſchei-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/143>, abgerufen am 22.11.2024.
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