Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. II. Hauptst.
dingungen a priori seyn, worauf die Möglichkeit der Er- fahrung ankomt, und die ihr zum Grunde liegen, wenn man gleich von allem Empirischen der Erscheinungen ab- strahiret. Ein Begriff, der diese formale und obiective Bedingung der Erfahrung allgemein und zureichend aus- drückt, würde ein reiner Verstandesbegriff heissen. Habe ich einmal reine Verstandesbegriffe, so kan ich auch wohl Gegenstände erdenken, die vielleicht unmöglich, vielleicht zwar an sich möglich, aber in keiner Erfahrung gegeben werden können, indem in der Verknüpfung iener Begriffe etwas weggelassen seyn kan, was doch zur Bedingung einer möglichen Erfahrung nothwendig gehöret, (Begriff eines Geistes) oder etwa reine Verstandesbegriffe weiter aus- gedehnet werden, als Erfahrung fassen kan (Begriff von Gott). Die Elemente aber zu allen Erkentnissen a priori selbst zu willkührlichen und ungereimten Erdichtungen kön- nen zwar nicht von der Erfahrung entlehnt seyn, (denn sonst wären sie nicht Erkentnisse a priori) sie müssen aber iederzeit die reine Bedingungen a priori einer möglichen Erfahrung und eines Gegenstandes derselben enthalten, denn sonst würde nicht allein durch sie gar nichts gedacht werden, sondern sie selber würden ohne Data auch nicht einmal im Denken entstehen können.
Diese Begriffe nun, welche a priori das reine Den- ken bey ieder Erfahrung enthalten, finden wir an den Categorien, und es ist schon eine hinreichende Deduction derselben, und Rechtfertigung ihrer obiectiven Gültigkeit,
wenn
Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. II. Hauptſt.
dingungen a priori ſeyn, worauf die Moͤglichkeit der Er- fahrung ankomt, und die ihr zum Grunde liegen, wenn man gleich von allem Empiriſchen der Erſcheinungen ab- ſtrahiret. Ein Begriff, der dieſe formale und obiective Bedingung der Erfahrung allgemein und zureichend aus- druͤckt, wuͤrde ein reiner Verſtandesbegriff heiſſen. Habe ich einmal reine Verſtandesbegriffe, ſo kan ich auch wohl Gegenſtaͤnde erdenken, die vielleicht unmoͤglich, vielleicht zwar an ſich moͤglich, aber in keiner Erfahrung gegeben werden koͤnnen, indem in der Verknuͤpfung iener Begriffe etwas weggelaſſen ſeyn kan, was doch zur Bedingung einer moͤglichen Erfahrung nothwendig gehoͤret, (Begriff eines Geiſtes) oder etwa reine Verſtandesbegriffe weiter aus- gedehnet werden, als Erfahrung faſſen kan (Begriff von Gott). Die Elemente aber zu allen Erkentniſſen a priori ſelbſt zu willkuͤhrlichen und ungereimten Erdichtungen koͤn- nen zwar nicht von der Erfahrung entlehnt ſeyn, (denn ſonſt waͤren ſie nicht Erkentniſſe a priori) ſie muͤſſen aber iederzeit die reine Bedingungen a priori einer moͤglichen Erfahrung und eines Gegenſtandes derſelben enthalten, denn ſonſt wuͤrde nicht allein durch ſie gar nichts gedacht werden, ſondern ſie ſelber wuͤrden ohne Data auch nicht einmal im Denken entſtehen koͤnnen.
Dieſe Begriffe nun, welche a priori das reine Den- ken bey ieder Erfahrung enthalten, finden wir an den Categorien, und es iſt ſchon eine hinreichende Deduction derſelben, und Rechtfertigung ihrer obiectiven Guͤltigkeit,
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Elementarl. II. Th. I. Abth. I. Buch. II. Hauptſt.
dingungen a priori ſeyn, worauf die Moͤglichkeit der Er-
fahrung ankomt, und die ihr zum Grunde liegen, wenn
man gleich von allem Empiriſchen der Erſcheinungen ab-
ſtrahiret. Ein Begriff, der dieſe formale und obiective
Bedingung der Erfahrung allgemein und zureichend aus-
druͤckt, wuͤrde ein reiner Verſtandesbegriff heiſſen. Habe
ich einmal reine Verſtandesbegriffe, ſo kan ich auch wohl
Gegenſtaͤnde erdenken, die vielleicht unmoͤglich, vielleicht
zwar an ſich moͤglich, aber in keiner Erfahrung gegeben
werden koͤnnen, indem in der Verknuͤpfung iener Begriffe
etwas weggelaſſen ſeyn kan, was doch zur Bedingung einer
moͤglichen Erfahrung nothwendig gehoͤret, (Begriff eines
Geiſtes) oder etwa reine Verſtandesbegriffe weiter aus-
gedehnet werden, als Erfahrung faſſen kan (Begriff von
Gott). Die Elemente aber zu allen Erkentniſſen a priori
ſelbſt zu willkuͤhrlichen und ungereimten Erdichtungen koͤn-
nen zwar nicht von der Erfahrung entlehnt ſeyn, (denn
ſonſt waͤren ſie nicht Erkentniſſe a priori) ſie muͤſſen aber
iederzeit die reine Bedingungen a priori einer moͤglichen
Erfahrung und eines Gegenſtandes derſelben enthalten,
denn ſonſt wuͤrde nicht allein durch ſie gar nichts gedacht
werden, ſondern ſie ſelber wuͤrden ohne Data auch nicht
einmal im Denken entſtehen koͤnnen.
Dieſe Begriffe nun, welche a priori das reine Den-
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Kant, Immanuel: Critik der reinen Vernunft. Riga, 1781, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_rvernunft_1781/126>, abgerufen am 24.11.2024.
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