Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

Bild:
<< vorherige Seite

I. Th. I. B. I. Hauptst. Von den Grundsätzen
des Menschen, als Sinnenwesens, (welche gegeben ist,)
in der reinen Vernunft (die darum practisch heißt,)
setzt, und also den Begriff der Ursache selbst, von dessen
Anwendung auf Objecte zum Behuf theoretischer Er-
kenntnisse sie hier gänzlich abstrahiren kann, (weil die-
ser Begriff immer im Verstande, auch unabhängig von
aller Anschauung, a priori angetroffen wird,) nicht um
Gegenstände zu erkennen, sondern die Causalität in
Ansehung derselben überhaupt zu bestimmen, also in
keiner andern, als practischen Absicht braucht, und da-
her den Bestimmungsgrund des Willens in die intelli-
gibele Ordnung der Dinge verlegen kann, indem sie
zugleich gerne gesteht, das, was der Begriff der Ursa-
che zur Erkenntniß dieser Dinge für eine Bestimmung
haben möge, gar nicht zu verstehen. Die Causalität
in Ansehung der Handlungen des Willens in der Sin-
nenwelt muß sie allerdings auf bestimmte Weise erken-
nen, denn sonst könnte practische Vernunft wirklich
keine That hervorbringen. Aber den Begriff, den sie
von ihrer eigenen Causalität als Noumenon macht,
braucht sie nicht theoretisch zum Behuf der Erkenntniß
ihrer übersinnlichen Existenz zu bestimmen, und also
ihm so fern Bedeutung geben zu können. Denn Be-
deutung bekommt er ohnedem, obgleich nur zum
practischen Gebrauche, nemlich durchs moralische Ge-
setz. Auch theoretisch betrachtet bleibt er immer ein
reiner a priori gegebener Verstandesbegriff, der auf

Gegen-

I. Th. I. B. I. Hauptſt. Von den Grundſaͤtzen
des Menſchen, als Sinnenweſens, (welche gegeben iſt,)
in der reinen Vernunft (die darum practiſch heißt,)
ſetzt, und alſo den Begriff der Urſache ſelbſt, von deſſen
Anwendung auf Objecte zum Behuf theoretiſcher Er-
kenntniſſe ſie hier gaͤnzlich abſtrahiren kann, (weil die-
ſer Begriff immer im Verſtande, auch unabhaͤngig von
aller Anſchauung, a priori angetroffen wird,) nicht um
Gegenſtaͤnde zu erkennen, ſondern die Cauſalitaͤt in
Anſehung derſelben uͤberhaupt zu beſtimmen, alſo in
keiner andern, als practiſchen Abſicht braucht, und da-
her den Beſtimmungsgrund des Willens in die intelli-
gibele Ordnung der Dinge verlegen kann, indem ſie
zugleich gerne geſteht, das, was der Begriff der Urſa-
che zur Erkenntniß dieſer Dinge fuͤr eine Beſtimmung
haben moͤge, gar nicht zu verſtehen. Die Cauſalitaͤt
in Anſehung der Handlungen des Willens in der Sin-
nenwelt muß ſie allerdings auf beſtimmte Weiſe erken-
nen, denn ſonſt koͤnnte practiſche Vernunft wirklich
keine That hervorbringen. Aber den Begriff, den ſie
von ihrer eigenen Cauſalitaͤt als Noumenon macht,
braucht ſie nicht theoretiſch zum Behuf der Erkenntniß
ihrer uͤberſinnlichen Exiſtenz zu beſtimmen, und alſo
ihm ſo fern Bedeutung geben zu koͤnnen. Denn Be-
deutung bekommt er ohnedem, obgleich nur zum
practiſchen Gebrauche, nemlich durchs moraliſche Ge-
ſetz. Auch theoretiſch betrachtet bleibt er immer ein
reiner a priori gegebener Verſtandesbegriff, der auf

Gegen-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <div n="4">
              <p><pb facs="#f0094" n="86"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#aq">I.</hi> Th. <hi rendition="#aq">I.</hi> B. <hi rendition="#aq">I.</hi> Haupt&#x017F;t. Von den Grund&#x017F;a&#x0364;tzen</fw><lb/>
des Men&#x017F;chen, als Sinnenwe&#x017F;ens, (welche gegeben i&#x017F;t,)<lb/><hi rendition="#fr">in der reinen Vernunft</hi> (die darum practi&#x017F;ch heißt,)<lb/>
&#x017F;etzt, und al&#x017F;o den Begriff der Ur&#x017F;ache &#x017F;elb&#x017F;t, von de&#x017F;&#x017F;en<lb/>
Anwendung auf Objecte zum Behuf theoreti&#x017F;cher Er-<lb/>
kenntni&#x017F;&#x017F;e &#x017F;ie hier ga&#x0364;nzlich ab&#x017F;trahiren kann, (weil die-<lb/>
&#x017F;er Begriff immer im Ver&#x017F;tande, auch unabha&#x0364;ngig von<lb/>
aller An&#x017F;chauung, <hi rendition="#aq">a priori</hi> angetroffen wird,) nicht um<lb/>
Gegen&#x017F;ta&#x0364;nde zu erkennen, &#x017F;ondern die Cau&#x017F;alita&#x0364;t in<lb/>
An&#x017F;ehung der&#x017F;elben u&#x0364;berhaupt zu be&#x017F;timmen, al&#x017F;o in<lb/>
keiner andern, als practi&#x017F;chen Ab&#x017F;icht braucht, und da-<lb/>
her den Be&#x017F;timmungsgrund des Willens in die intelli-<lb/>
gibele Ordnung der Dinge verlegen kann, indem &#x017F;ie<lb/>
zugleich gerne ge&#x017F;teht, das, was der Begriff der Ur&#x017F;a-<lb/>
che zur Erkenntniß die&#x017F;er Dinge fu&#x0364;r eine Be&#x017F;timmung<lb/>
haben mo&#x0364;ge, gar nicht zu ver&#x017F;tehen. Die Cau&#x017F;alita&#x0364;t<lb/>
in An&#x017F;ehung der Handlungen des Willens in der Sin-<lb/>
nenwelt muß &#x017F;ie allerdings auf be&#x017F;timmte Wei&#x017F;e erken-<lb/>
nen, denn &#x017F;on&#x017F;t ko&#x0364;nnte practi&#x017F;che Vernunft wirklich<lb/>
keine That hervorbringen. Aber den Begriff, den &#x017F;ie<lb/>
von ihrer eigenen Cau&#x017F;alita&#x0364;t als Noumenon macht,<lb/>
braucht &#x017F;ie nicht theoreti&#x017F;ch zum Behuf der Erkenntniß<lb/>
ihrer u&#x0364;ber&#x017F;innlichen Exi&#x017F;tenz zu be&#x017F;timmen, und al&#x017F;o<lb/>
ihm &#x017F;o fern Bedeutung geben zu ko&#x0364;nnen. Denn Be-<lb/>
deutung bekommt er ohnedem, obgleich nur zum<lb/>
practi&#x017F;chen Gebrauche, nemlich durchs morali&#x017F;che Ge-<lb/>
&#x017F;etz. Auch theoreti&#x017F;ch betrachtet bleibt er immer ein<lb/>
reiner <hi rendition="#aq">a priori</hi> gegebener Ver&#x017F;tandesbegriff, der auf<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Gegen-</fw><lb/></p>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[86/0094] I. Th. I. B. I. Hauptſt. Von den Grundſaͤtzen des Menſchen, als Sinnenweſens, (welche gegeben iſt,) in der reinen Vernunft (die darum practiſch heißt,) ſetzt, und alſo den Begriff der Urſache ſelbſt, von deſſen Anwendung auf Objecte zum Behuf theoretiſcher Er- kenntniſſe ſie hier gaͤnzlich abſtrahiren kann, (weil die- ſer Begriff immer im Verſtande, auch unabhaͤngig von aller Anſchauung, a priori angetroffen wird,) nicht um Gegenſtaͤnde zu erkennen, ſondern die Cauſalitaͤt in Anſehung derſelben uͤberhaupt zu beſtimmen, alſo in keiner andern, als practiſchen Abſicht braucht, und da- her den Beſtimmungsgrund des Willens in die intelli- gibele Ordnung der Dinge verlegen kann, indem ſie zugleich gerne geſteht, das, was der Begriff der Urſa- che zur Erkenntniß dieſer Dinge fuͤr eine Beſtimmung haben moͤge, gar nicht zu verſtehen. Die Cauſalitaͤt in Anſehung der Handlungen des Willens in der Sin- nenwelt muß ſie allerdings auf beſtimmte Weiſe erken- nen, denn ſonſt koͤnnte practiſche Vernunft wirklich keine That hervorbringen. Aber den Begriff, den ſie von ihrer eigenen Cauſalitaͤt als Noumenon macht, braucht ſie nicht theoretiſch zum Behuf der Erkenntniß ihrer uͤberſinnlichen Exiſtenz zu beſtimmen, und alſo ihm ſo fern Bedeutung geben zu koͤnnen. Denn Be- deutung bekommt er ohnedem, obgleich nur zum practiſchen Gebrauche, nemlich durchs moraliſche Ge- ſetz. Auch theoretiſch betrachtet bleibt er immer ein reiner a priori gegebener Verſtandesbegriff, der auf Gegen-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/94
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 86. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/94>, abgerufen am 23.11.2024.