Hume würde sich bey diesem System des all- gemeinen Empirisms in Grundsätzen auch sehr wohl befinden; denn er verlangte, wie bekannt, nichts mehr, als daß, statt aller objectiven Bedeutung der Nothwendigkeit im Begriffe der Ursache, eine blos subjective, nemlich Gewohnheit, angenommen werde, um der Vernunft alles Urtheil über Gott, Freyheit und Unsterblichkeit abzusprechen; und er verstand sich gewiß sehr gut darauf, um, wenn man ihm nur die Principien zugestand, Schlüsse mit aller logischen Bündigkeit daraus zu folgern. Aber so allgemein hat selbst Hume den Empirism nicht gemacht, um auch die Mathematik darin einzuschließen. Er hielt ihre Sätze für analytisch, und, wenn das seine Richtig- keit hätte, würden sie in der That auch apodictisch seyn, gleichwol aber daraus kein Schluß auf ein Ver- mögen der Vernunft, auch in der Philosophie apodictische Urtheile, nemlich solche, die synthetisch wären, (wie der Satz der Causalität,) zu fällen, gezogen werden können. Nähme man aber den Empirism der Principien allge- mein an, so wäre auch Mathematik damit eingeflochten.
Wenn
Vorrede.
Hume wuͤrde ſich bey dieſem Syſtem des all- gemeinen Empirisms in Grundſaͤtzen auch ſehr wohl befinden; denn er verlangte, wie bekannt, nichts mehr, als daß, ſtatt aller objectiven Bedeutung der Nothwendigkeit im Begriffe der Urſache, eine blos ſubjective, nemlich Gewohnheit, angenommen werde, um der Vernunft alles Urtheil uͤber Gott, Freyheit und Unſterblichkeit abzuſprechen; und er verſtand ſich gewiß ſehr gut darauf, um, wenn man ihm nur die Principien zugeſtand, Schluͤſſe mit aller logiſchen Buͤndigkeit daraus zu folgern. Aber ſo allgemein hat ſelbſt Hume den Empirism nicht gemacht, um auch die Mathematik darin einzuſchließen. Er hielt ihre Saͤtze fuͤr analytiſch, und, wenn das ſeine Richtig- keit haͤtte, wuͤrden ſie in der That auch apodictiſch ſeyn, gleichwol aber daraus kein Schluß auf ein Ver- moͤgen der Vernunft, auch in der Philoſophie apodictiſche Urtheile, nemlich ſolche, die ſynthetiſch waͤren, (wie der Satz der Cauſalitaͤt,) zu faͤllen, gezogen werden koͤnnen. Naͤhme man aber den Empirism der Principien allge- mein an, ſo waͤre auch Mathematik damit eingeflochten.
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Vorrede.
Hume wuͤrde ſich bey dieſem Syſtem des all-
gemeinen Empirisms in Grundſaͤtzen auch ſehr
wohl befinden; denn er verlangte, wie bekannt, nichts
mehr, als daß, ſtatt aller objectiven Bedeutung der
Nothwendigkeit im Begriffe der Urſache, eine blos
ſubjective, nemlich Gewohnheit, angenommen werde,
um der Vernunft alles Urtheil uͤber Gott, Freyheit
und Unſterblichkeit abzuſprechen; und er verſtand ſich
gewiß ſehr gut darauf, um, wenn man ihm nur die
Principien zugeſtand, Schluͤſſe mit aller logiſchen
Buͤndigkeit daraus zu folgern. Aber ſo allgemein hat
ſelbſt Hume den Empirism nicht gemacht, um auch
die Mathematik darin einzuſchließen. Er hielt ihre
Saͤtze fuͤr analytiſch, und, wenn das ſeine Richtig-
keit haͤtte, wuͤrden ſie in der That auch apodictiſch
ſeyn, gleichwol aber daraus kein Schluß auf ein Ver-
moͤgen der Vernunft, auch in der Philoſophie apodictiſche
Urtheile, nemlich ſolche, die ſynthetiſch waͤren, (wie der
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Naͤhme man aber den Empirism der Principien allge-
mein an, ſo waͤre auch Mathematik damit eingeflochten.
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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 26. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/34>, abgerufen am 21.11.2024.
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