eingeschränkt ist, sondern ins Unendliche geht, abneh- men läßt.
Allein, Bewunderung und Achtung können zwar zur Nachforschung reizen, aber den Mangel derselben nicht ersetzen. Was ist nun zu thun, um diese, auf nutz- bare und der Erhabenheit des Gegenstandes angemessene Art, anzustellen? Beyspiele mögen hiebey zur War- nung, aber auch zur Nachahmung dienen. Die Welt- betrachtung fing von dem herrlichsten Anblicke an, den menschliche Sinne nur immer vorlegen, und unser Ver- stand, in ihrem weiten Umfange zu verfolgen, nur im- mer vertragen kann, und endigte -- mit der Stern- deutung. Die Moral fing mit der edelsten Eigenschaft in der menschlichen Natur an, deren Entwickelung und Cultur auf unendlichen Nutzen hinaussieht, und endigte -- mit der Schwärmerey, oder dem Aberglauben. So geht es allen noch rohen Versuchen, in denen der vornehmste Theil des Geschäfftes auf den Gebrauch der Vernunft ankommt, der nicht, so wie der Gebrauch der Füße, sich von selbst, vermittelst der öftern Ausübung, findet, vornemlich wenn er Eigenschaften betrifft, die sich nicht so unmittelbar in der gemeinen Erfahrung dar- stellen lassen. Nachdem aber, wiewol spät, die Maxime in Schwang gekommen war, alle Schritte vorher wohl zu überlegen, die die Vernunft zu thun vorhat, und sie nicht anders, als im Gleise einer vorher wohl über- dachten Methode, ihren Gang machen zu lassen, so be-
kam
II. Th. Methodenlehre
eingeſchraͤnkt iſt, ſondern ins Unendliche geht, abneh- men laͤßt.
Allein, Bewunderung und Achtung koͤnnen zwar zur Nachforſchung reizen, aber den Mangel derſelben nicht erſetzen. Was iſt nun zu thun, um dieſe, auf nutz- bare und der Erhabenheit des Gegenſtandes angemeſſene Art, anzuſtellen? Beyſpiele moͤgen hiebey zur War- nung, aber auch zur Nachahmung dienen. Die Welt- betrachtung fing von dem herrlichſten Anblicke an, den menſchliche Sinne nur immer vorlegen, und unſer Ver- ſtand, in ihrem weiten Umfange zu verfolgen, nur im- mer vertragen kann, und endigte — mit der Stern- deutung. Die Moral fing mit der edelſten Eigenſchaft in der menſchlichen Natur an, deren Entwickelung und Cultur auf unendlichen Nutzen hinausſieht, und endigte — mit der Schwaͤrmerey, oder dem Aberglauben. So geht es allen noch rohen Verſuchen, in denen der vornehmſte Theil des Geſchaͤfftes auf den Gebrauch der Vernunft ankommt, der nicht, ſo wie der Gebrauch der Fuͤße, ſich von ſelbſt, vermittelſt der oͤftern Ausuͤbung, findet, vornemlich wenn er Eigenſchaften betrifft, die ſich nicht ſo unmittelbar in der gemeinen Erfahrung dar- ſtellen laſſen. Nachdem aber, wiewol ſpaͤt, die Maxime in Schwang gekommen war, alle Schritte vorher wohl zu uͤberlegen, die die Vernunft zu thun vorhat, und ſie nicht anders, als im Gleiſe einer vorher wohl uͤber- dachten Methode, ihren Gang machen zu laſſen, ſo be-
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II. Th. Methodenlehre
eingeſchraͤnkt iſt, ſondern ins Unendliche geht, abneh-
men laͤßt.
Allein, Bewunderung und Achtung koͤnnen zwar
zur Nachforſchung reizen, aber den Mangel derſelben
nicht erſetzen. Was iſt nun zu thun, um dieſe, auf nutz-
bare und der Erhabenheit des Gegenſtandes angemeſſene
Art, anzuſtellen? Beyſpiele moͤgen hiebey zur War-
nung, aber auch zur Nachahmung dienen. Die Welt-
betrachtung fing von dem herrlichſten Anblicke an, den
menſchliche Sinne nur immer vorlegen, und unſer Ver-
ſtand, in ihrem weiten Umfange zu verfolgen, nur im-
mer vertragen kann, und endigte — mit der Stern-
deutung. Die Moral fing mit der edelſten Eigenſchaft
in der menſchlichen Natur an, deren Entwickelung und
Cultur auf unendlichen Nutzen hinausſieht, und endigte
— mit der Schwaͤrmerey, oder dem Aberglauben.
So geht es allen noch rohen Verſuchen, in denen der
vornehmſte Theil des Geſchaͤfftes auf den Gebrauch der
Vernunft ankommt, der nicht, ſo wie der Gebrauch
der Fuͤße, ſich von ſelbſt, vermittelſt der oͤftern Ausuͤbung,
findet, vornemlich wenn er Eigenſchaften betrifft, die
ſich nicht ſo unmittelbar in der gemeinen Erfahrung dar-
ſtellen laſſen. Nachdem aber, wiewol ſpaͤt, die Maxime
in Schwang gekommen war, alle Schritte vorher wohl
zu uͤberlegen, die die Vernunft zu thun vorhat, und
ſie nicht anders, als im Gleiſe einer vorher wohl uͤber-
dachten Methode, ihren Gang machen zu laſſen, ſo be-
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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/298>, abgerufen am 16.02.2025.
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