Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.der rein. Vern. in Best. des Begr. vom höchst. Gut. stimmt, ohne auf Vernünfteleyen zu achten, so wenig ichauch darauf zu antworten oder ihnen scheinbarere entge- gen zu stellen im Stande seyn möchte *). Um bey dem Gebrauche eines noch so ungewohn- glau- *) Im deutschen Museum, Febr. 1787, findet sich eine Abhandlung von einem sehr feinen und hellen Kopfe, dem sel. Wizenmann, dessen früher Tod zu bedauren ist, darin er die Befugniß, aus einem Bedürfnisse auf die objective Realität des Gegenstandes desselben zu schließen, bestreitet, und seinen Gegenstand durch das Beyspiel eines Verliebten erläutert, der, indem er sich in eine Idee von Schönheit, welche blos sein Hirngespinst ist, ver- narrt hätte, schließen wollte, daß ein solches Object wirklich wo existire. Ich gebe ihm hierin vollkommen recht, in allen Füllen, wo das Bedürfniß auf Neigung gegründet ist, die nicht einmal nothwendig für den, der damit angefochten ist, die Existenz ihres Objects postuliren kann, vielweniger eine für je- dermann gültige Foderung enthält, und daher ein blos subjec- tiver Grund der Wünsche ist. Hier aber ist es ein Vernunft- bedürfniß, aus einem objectiven Bestimmungsgrunde des Willens, nemlich dem moralischen Gesetze entspringend, wel- ches jedes vernünftige Wesen nothwendig verbindet, also zur Voraussetzung der ihm angemessenen Bedingungen in der Natur a priori berechtigt, und die letztern von dem voll- ständigen practischen Gebrauche der Vernunft unzertrennlich macht. Es ist Pflicht, das höchste Gut nach unserem größten Vermögen wirklichzumachen; daher muß es doch auch mög- lich seyn; mithin ist es für jedes vernünftige Wesen in der Welt auch unvermeidlich, dasjenige vorauszusetzen, was zu dessen objectiver Möglichkeit nothwendig ist. Die Voraussetzung ist so nothwendig, als das moralische Gesetz, in Beziehung auf welches sie auch nur gültig ist. R 2
der rein. Vern. in Beſt. des Begr. vom hoͤchſt. Gut. ſtimmt, ohne auf Vernuͤnfteleyen zu achten, ſo wenig ichauch darauf zu antworten oder ihnen ſcheinbarere entge- gen zu ſtellen im Stande ſeyn moͤchte *). Um bey dem Gebrauche eines noch ſo ungewohn- glau- *) Im deutſchen Muſeum, Febr. 1787, findet ſich eine Abhandlung von einem ſehr feinen und hellen Kopfe, dem ſel. Wizenmann, deſſen fruͤher Tod zu bedauren iſt, darin er die Befugniß, aus einem Beduͤrfniſſe auf die objective Realitaͤt des Gegenſtandes deſſelben zu ſchließen, beſtreitet, und ſeinen Gegenſtand durch das Beyſpiel eines Verliebten erlaͤutert, der, indem er ſich in eine Idee von Schoͤnheit, welche blos ſein Hirngeſpinſt iſt, ver- narrt haͤtte, ſchließen wollte, daß ein ſolches Object wirklich wo exiſtire. Ich gebe ihm hierin vollkommen recht, in allen Fuͤllen, wo das Beduͤrfniß auf Neigung gegruͤndet iſt, die nicht einmal nothwendig fuͤr den, der damit angefochten iſt, die Exiſtenz ihres Objects poſtuliren kann, vielweniger eine fuͤr je- dermann guͤltige Foderung enthaͤlt, und daher ein blos ſubjec- tiver Grund der Wuͤnſche iſt. Hier aber iſt es ein Vernunft- beduͤrfniß, aus einem objectiven Beſtimmungsgrunde des Willens, nemlich dem moraliſchen Geſetze entſpringend, wel- ches jedes vernuͤnftige Weſen nothwendig verbindet, alſo zur Vorausſetzung der ihm angemeſſenen Bedingungen in der Natur a priori berechtigt, und die letztern von dem voll- ſtaͤndigen practiſchen Gebrauche der Vernunft unzertrennlich macht. Es iſt Pflicht, das hoͤchſte Gut nach unſerem groͤßten Vermoͤgen wirklichzumachen; daher muß es doch auch moͤg- lich ſeyn; mithin iſt es fuͤr jedes vernuͤnftige Weſen in der Welt auch unvermeidlich, dasjenige vorauszuſetzen, was zu deſſen objectiver Moͤglichkeit nothwendig iſt. Die Vorausſetzung iſt ſo nothwendig, als das moraliſche Geſetz, in Beziehung auf welches ſie auch nur guͤltig iſt. R 2
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auch darauf zu antworten oder ihnen ſcheinbarere entge-
gen zu ſtellen im Stande ſeyn moͤchte *).
Um bey dem Gebrauche eines noch ſo ungewohn-
ten Begriffs, als der eines reinen practiſchen Vernunft-
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*) Im deutſchen Muſeum, Febr. 1787, findet ſich eine Abhandlung
von einem ſehr feinen und hellen Kopfe, dem ſel. Wizenmann,
deſſen fruͤher Tod zu bedauren iſt, darin er die Befugniß, aus
einem Beduͤrfniſſe auf die objective Realitaͤt des Gegenſtandes
deſſelben zu ſchließen, beſtreitet, und ſeinen Gegenſtand durch
das Beyſpiel eines Verliebten erlaͤutert, der, indem er ſich in
eine Idee von Schoͤnheit, welche blos ſein Hirngeſpinſt iſt, ver-
narrt haͤtte, ſchließen wollte, daß ein ſolches Object wirklich
wo exiſtire. Ich gebe ihm hierin vollkommen recht, in allen
Fuͤllen, wo das Beduͤrfniß auf Neigung gegruͤndet iſt, die
nicht einmal nothwendig fuͤr den, der damit angefochten iſt, die
Exiſtenz ihres Objects poſtuliren kann, vielweniger eine fuͤr je-
dermann guͤltige Foderung enthaͤlt, und daher ein blos ſubjec-
tiver Grund der Wuͤnſche iſt. Hier aber iſt es ein Vernunft-
beduͤrfniß, aus einem objectiven Beſtimmungsgrunde des
Willens, nemlich dem moraliſchen Geſetze entſpringend, wel-
ches jedes vernuͤnftige Weſen nothwendig verbindet, alſo
zur Vorausſetzung der ihm angemeſſenen Bedingungen in der
Natur a priori berechtigt, und die letztern von dem voll-
ſtaͤndigen practiſchen Gebrauche der Vernunft unzertrennlich
macht. Es iſt Pflicht, das hoͤchſte Gut nach unſerem groͤßten
Vermoͤgen wirklichzumachen; daher muß es doch auch moͤg-
lich ſeyn; mithin iſt es fuͤr jedes vernuͤnftige Weſen in der Welt
auch unvermeidlich, dasjenige vorauszuſetzen, was zu deſſen
objectiver Moͤglichkeit nothwendig iſt. Die Vorausſetzung iſt
ſo nothwendig, als das moraliſche Geſetz, in Beziehung auf
welches ſie auch nur guͤltig iſt.
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