Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.der rein. Vern. in Best. des Begr. vom höchst. Gut. die aber unsere Vernunft nicht anders denkbar findet,als unter Voraussetzung einer höchsten Intelligenz, de- ren Daseyn anzunehmen also mit dem Bewußtseyn un- serer Pflicht verbunden ist, obzwar diese Annehmung selbst für die theoretische Vernunft gehört, in Ansehung deren allein sie als Erklärungsgrund betrachtet, Hy- pothese, in Beziehung aber auf die Verständlichkeit ei- nes uns doch durchs moralische Gesetz aufgegebenen Ob- jects (des höchsten Guts), mithin eines Bedürfnisses in practischer Absicht, Glaube, und zwar reiner Ver- nunftglaube, heißen kann, weil blos reine Vernunft (sowol ihrem theoretischen als practischen Gebrauche nach) die Quelle ist, daraus er entspringt. Aus dieser Deduction wird es nunmehr begreif- dessel- P 2
der rein. Vern. in Beſt. des Begr. vom hoͤchſt. Gut. die aber unſere Vernunft nicht anders denkbar findet,als unter Vorausſetzung einer hoͤchſten Intelligenz, de- ren Daſeyn anzunehmen alſo mit dem Bewußtſeyn un- ſerer Pflicht verbunden iſt, obzwar dieſe Annehmung ſelbſt fuͤr die theoretiſche Vernunft gehoͤrt, in Anſehung deren allein ſie als Erklaͤrungsgrund betrachtet, Hy- potheſe, in Beziehung aber auf die Verſtaͤndlichkeit ei- nes uns doch durchs moraliſche Geſetz aufgegebenen Ob- jects (des hoͤchſten Guts), mithin eines Beduͤrfniſſes in practiſcher Abſicht, Glaube, und zwar reiner Ver- nunftglaube, heißen kann, weil blos reine Vernunft (ſowol ihrem theoretiſchen als practiſchen Gebrauche nach) die Quelle iſt, daraus er entſpringt. Aus dieſer Deduction wird es nunmehr begreif- deſſel- P 2
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der rein. Vern. in Beſt. des Begr. vom hoͤchſt. Gut.
die aber unſere Vernunft nicht anders denkbar findet,
als unter Vorausſetzung einer hoͤchſten Intelligenz, de-
ren Daſeyn anzunehmen alſo mit dem Bewußtſeyn un-
ſerer Pflicht verbunden iſt, obzwar dieſe Annehmung
ſelbſt fuͤr die theoretiſche Vernunft gehoͤrt, in Anſehung
deren allein ſie als Erklaͤrungsgrund betrachtet, Hy-
potheſe, in Beziehung aber auf die Verſtaͤndlichkeit ei-
nes uns doch durchs moraliſche Geſetz aufgegebenen Ob-
jects (des hoͤchſten Guts), mithin eines Beduͤrfniſſes in
practiſcher Abſicht, Glaube, und zwar reiner Ver-
nunftglaube, heißen kann, weil blos reine Vernunft
(ſowol ihrem theoretiſchen als practiſchen Gebrauche
nach) die Quelle iſt, daraus er entſpringt.
Aus dieſer Deduction wird es nunmehr begreif-
lich, warum die griechiſchen Schulen zur Aufloͤſung ih-
res Problems von der practiſchen Moͤglichkeit des hoͤch-
ſten Guts niemals gelangen konnten; weil ſie nur im-
mer die Regel des Gebrauchs, den der Wille des Men-
ſchen von ſeiner Freyheit macht, zum einzigen und fuͤr
ſich allein zureichenden Grunde derſelben machten, ohne,
ihrem Beduͤnken nach, das Daſeyn Gottes dazu zu beduͤr-
fen. Zwar thaten ſie daran recht, daß ſie das Princip
der Sitten unabhaͤngig von dieſem Poſtulat, fuͤr ſich
ſelbſt, aus dem Verhaͤltniß der Vernunft allein zum
Willen, feſtſetzten, und es mithin zur oberſten practi-
ſchen Bedingung des hoͤchſten Guts machten; es war
aber darum nicht die ganze Bedingung der Moͤglichkeit
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