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Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788.

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der reinen practischen Vernunft.
(z. B. Armuth) Versuchungen enthält, seine Pflicht zu
übertreten. Nur, seine Glückseligkeit zu befördern, kann
unmittelbar niemals Pflicht, noch weniger ein Princip
aller Pflicht seyn. Da nun alle Bestimmungsgründe
des Willens, ausser dem einigen reinen practischen Ver-
nunftgesetze, (dem moralischen) insgesamt empirisch sind,
als solche also zum Glückseligkeitsprincip gehören, so
müssen sie insgesamt vom obersten sittlichen Grundsatze
abgesondert, und ihm nie als Bedingung einverleibt
werden, weil dieses eben so sehr allen sittlichen Werth,
als empirische Beymischung zu geometrischen Grundsä-
tzen, alle mathematische Evidenz, das Vortreflichste, was
(nach Platos Urtheile) die Mathematik an sich hat,
und das selbst allem Nutzen derselben vorgeht, aufheben
würde.

Statt der Deduction des obersten Princips der
reinen practischen Vernunft, d. i. der Erklärung der
Möglichkeit einer dergleichen Erkenntniß a priori, konn-
te aber nichts weiter angeführt werden, als, daß, wenn
man die Möglichkeit der Freyheit einer wirkenden Ursa-
che einsähe, man auch, nicht etwa blos die Möglichkeit,
sondern gar die Nothwendigkeit des moralischen Gese-
tzes, als obersten practischen Gesetzes vernünftiger We-
sen, denen man Freyheit der Causalität ihres Willens
beylegt, einsehen würde; weil beide Begriffe so unzer-
trennlich verbunden sind, daß man practische Freyheit
auch durch Unabhängigkeit des Willens von jedem ande-

ren,
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der reinen practiſchen Vernunft.
(z. B. Armuth) Verſuchungen enthaͤlt, ſeine Pflicht zu
uͤbertreten. Nur, ſeine Gluͤckſeligkeit zu befoͤrdern, kann
unmittelbar niemals Pflicht, noch weniger ein Princip
aller Pflicht ſeyn. Da nun alle Beſtimmungsgruͤnde
des Willens, auſſer dem einigen reinen practiſchen Ver-
nunftgeſetze, (dem moraliſchen) insgeſamt empiriſch ſind,
als ſolche alſo zum Gluͤckſeligkeitsprincip gehoͤren, ſo
muͤſſen ſie insgeſamt vom oberſten ſittlichen Grundſatze
abgeſondert, und ihm nie als Bedingung einverleibt
werden, weil dieſes eben ſo ſehr allen ſittlichen Werth,
als empiriſche Beymiſchung zu geometriſchen Grundſaͤ-
tzen, alle mathematiſche Evidenz, das Vortreflichſte, was
(nach Platos Urtheile) die Mathematik an ſich hat,
und das ſelbſt allem Nutzen derſelben vorgeht, aufheben
wuͤrde.

Statt der Deduction des oberſten Princips der
reinen practiſchen Vernunft, d. i. der Erklaͤrung der
Moͤglichkeit einer dergleichen Erkenntniß a priori, konn-
te aber nichts weiter angefuͤhrt werden, als, daß, wenn
man die Moͤglichkeit der Freyheit einer wirkenden Urſa-
che einſaͤhe, man auch, nicht etwa blos die Moͤglichkeit,
ſondern gar die Nothwendigkeit des moraliſchen Geſe-
tzes, als oberſten practiſchen Geſetzes vernuͤnftiger We-
ſen, denen man Freyheit der Cauſalitaͤt ihres Willens
beylegt, einſehen wuͤrde; weil beide Begriffe ſo unzer-
trennlich verbunden ſind, daß man practiſche Freyheit
auch durch Unabhaͤngigkeit des Willens von jedem ande-

ren,
L 4
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[167/0175] der reinen practiſchen Vernunft. (z. B. Armuth) Verſuchungen enthaͤlt, ſeine Pflicht zu uͤbertreten. Nur, ſeine Gluͤckſeligkeit zu befoͤrdern, kann unmittelbar niemals Pflicht, noch weniger ein Princip aller Pflicht ſeyn. Da nun alle Beſtimmungsgruͤnde des Willens, auſſer dem einigen reinen practiſchen Ver- nunftgeſetze, (dem moraliſchen) insgeſamt empiriſch ſind, als ſolche alſo zum Gluͤckſeligkeitsprincip gehoͤren, ſo muͤſſen ſie insgeſamt vom oberſten ſittlichen Grundſatze abgeſondert, und ihm nie als Bedingung einverleibt werden, weil dieſes eben ſo ſehr allen ſittlichen Werth, als empiriſche Beymiſchung zu geometriſchen Grundſaͤ- tzen, alle mathematiſche Evidenz, das Vortreflichſte, was (nach Platos Urtheile) die Mathematik an ſich hat, und das ſelbſt allem Nutzen derſelben vorgeht, aufheben wuͤrde. Statt der Deduction des oberſten Princips der reinen practiſchen Vernunft, d. i. der Erklaͤrung der Moͤglichkeit einer dergleichen Erkenntniß a priori, konn- te aber nichts weiter angefuͤhrt werden, als, daß, wenn man die Moͤglichkeit der Freyheit einer wirkenden Urſa- che einſaͤhe, man auch, nicht etwa blos die Moͤglichkeit, ſondern gar die Nothwendigkeit des moraliſchen Geſe- tzes, als oberſten practiſchen Geſetzes vernuͤnftiger We- ſen, denen man Freyheit der Cauſalitaͤt ihres Willens beylegt, einſehen wuͤrde; weil beide Begriffe ſo unzer- trennlich verbunden ſind, daß man practiſche Freyheit auch durch Unabhaͤngigkeit des Willens von jedem ande- ren, L 4

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Critik der practischen Vernunft. Riga, 1788, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_pvernunft_1788/175>, abgerufen am 24.11.2024.