Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803.ist entweder eine würklich natürliche Strafe, die sich der Mensch selbst durch sein Betragen zuzieht, z. E. daß das Kind, wenn es zu viel ißt, krank wird, und diese Strafen sind die besten, denn der Mensch erfährt sie sein ganzes Leben hindurch, und nicht blos als Kind; oder aber die Strafe ist künstlich. Die Neigung, geachtet und geliebt zu werden, ist ein sicheres Mittel, die Züchtigungen in der Art einzurichten, daß sie dauerhaft sind. Physische Strafen müssen blos Ergänzungen der Unzulänglichkeit der moralischen seyn. Wenn moralische Strafen gar nicht mehr helfen, und man schreitet zu physischen fort, so wird durch diese doch kein guter Charakter mehr gebildet werden. Anfänglich aber muß der physische Zwang den Mangel der Ueberlegung der Kinder ersetzen. Strafen, die mit dem Merkmahle des Zornes verrichtet werden, würken falsch. Kinder sehen sie dann nur als Folgen, sich selbst aber als Gegenstände des Affectes eines Andern an. Ueberhaupt müssen Strafen den Kindern immer mit der Behutsamkeit zugefügt werden, daß sie sehen, daß blos ihre Besserung der Endzweck derselben sey. Die Kinder, wenn sie gestraft sind, sich bedanken, sie die Hände küssen lassen, u. dergl. ist thöricht, und macht die Kinder sclavisch. Wenn physische Strafen oft wiederholt werden, bilden sie einen Starrkopf, und strafen Eltern ihre Kinder des Eigensinnes wegen, so machen sie sie nur noch immer eigensinniger. - Das sind auch nicht immer die schlechtesten Menschen, die störrisch sind, sondern sie geben gütigen Vorstellungen öfters leicht nach. Der Gehorsam des angehenden Jünglinges ist unterschieden von dem Gehorsam des Kindes. Er besteht ist entweder eine würklich natürliche Strafe, die sich der Mensch selbst durch sein Betragen zuzieht, z. E. daß das Kind, wenn es zu viel ißt, krank wird, und diese Strafen sind die besten, denn der Mensch erfährt sie sein ganzes Leben hindurch, und nicht blos als Kind; oder aber die Strafe ist künstlich. Die Neigung, geachtet und geliebt zu werden, ist ein sicheres Mittel, die Züchtigungen in der Art einzurichten, daß sie dauerhaft sind. Physische Strafen müssen blos Ergänzungen der Unzulänglichkeit der moralischen seyn. Wenn moralische Strafen gar nicht mehr helfen, und man schreitet zu physischen fort, so wird durch diese doch kein guter Charakter mehr gebildet werden. Anfänglich aber muß der physische Zwang den Mangel der Ueberlegung der Kinder ersetzen. Strafen, die mit dem Merkmahle des Zornes verrichtet werden, würken falsch. Kinder sehen sie dann nur als Folgen, sich selbst aber als Gegenstände des Affectes eines Andern an. Ueberhaupt müssen Strafen den Kindern immer mit der Behutsamkeit zugefügt werden, daß sie sehen, daß blos ihre Besserung der Endzweck derselben sey. Die Kinder, wenn sie gestraft sind, sich bedanken, sie die Hände küssen lassen, u. dergl. ist thöricht, und macht die Kinder sclavisch. Wenn physische Strafen oft wiederholt werden, bilden sie einen Starrkopf, und strafen Eltern ihre Kinder des Eigensinnes wegen, so machen sie sie nur noch immer eigensinniger. – Das sind auch nicht immer die schlechtesten Menschen, die störrisch sind, sondern sie geben gütigen Vorstellungen öfters leicht nach. Der Gehorsam des angehenden Jünglinges ist unterschieden von dem Gehorsam des Kindes. Er besteht <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0075" n="75"/> ist entweder eine würklich <hi rendition="#g">natürliche</hi> Strafe, die sich der Mensch selbst durch sein Betragen zuzieht, z. E. daß das Kind, wenn es zu viel ißt, krank wird, und diese Strafen sind die besten, denn der Mensch erfährt sie sein ganzes Leben hindurch, und nicht blos als Kind; oder aber die Strafe ist <hi rendition="#g">künstlich</hi>. 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Wenn physische Strafen oft wiederholt werden, bilden sie einen Starrkopf, und strafen Eltern ihre Kinder des Eigensinnes wegen, so machen sie sie nur noch immer eigensinniger. – Das sind auch nicht immer die schlechtesten Menschen, die störrisch sind, sondern sie geben gütigen Vorstellungen öfters leicht nach.</p> <p>Der Gehorsam des angehenden Jünglinges ist unterschieden von dem Gehorsam des Kindes. Er besteht </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [75/0075]
ist entweder eine würklich natürliche Strafe, die sich der Mensch selbst durch sein Betragen zuzieht, z. E. daß das Kind, wenn es zu viel ißt, krank wird, und diese Strafen sind die besten, denn der Mensch erfährt sie sein ganzes Leben hindurch, und nicht blos als Kind; oder aber die Strafe ist künstlich. Die Neigung, geachtet und geliebt zu werden, ist ein sicheres Mittel, die Züchtigungen in der Art einzurichten, daß sie dauerhaft sind. Physische Strafen müssen blos Ergänzungen der Unzulänglichkeit der moralischen seyn. Wenn moralische Strafen gar nicht mehr helfen, und man schreitet zu physischen fort, so wird durch diese doch kein guter Charakter mehr gebildet werden. Anfänglich aber muß der physische Zwang den Mangel der Ueberlegung der Kinder ersetzen.
Strafen, die mit dem Merkmahle des Zornes verrichtet werden, würken falsch. Kinder sehen sie dann nur als Folgen, sich selbst aber als Gegenstände des Affectes eines Andern an. Ueberhaupt müssen Strafen den Kindern immer mit der Behutsamkeit zugefügt werden, daß sie sehen, daß blos ihre Besserung der Endzweck derselben sey. Die Kinder, wenn sie gestraft sind, sich bedanken, sie die Hände küssen lassen, u. dergl. ist thöricht, und macht die Kinder sclavisch. Wenn physische Strafen oft wiederholt werden, bilden sie einen Starrkopf, und strafen Eltern ihre Kinder des Eigensinnes wegen, so machen sie sie nur noch immer eigensinniger. – Das sind auch nicht immer die schlechtesten Menschen, die störrisch sind, sondern sie geben gütigen Vorstellungen öfters leicht nach.
Der Gehorsam des angehenden Jünglinges ist unterschieden von dem Gehorsam des Kindes. Er besteht
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