Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803.leisten will, z. E. wenn man die grammatische Regel, die man gelernt hat, gleich in Ausübung bringt. Man versteht eine Landkarte am besten, wenn man sie selbst verfertigen kann. Das Verstehen hat zum größsten Hülfsmittel das Hervorbringen. Man lernet das am gründlichsten, und behält das am besten, was man gleichsam aus sich selbst lernet. Nur wenige Menschen indessen sind das im Stande. Man nennt sie (autodidaktoi) Avtodidakten. Bey der Ausbildung der Vernunft muß man sokratisch verfahren. Sokrates nämlich, der sich die Hebamme der Kenntnisse seiner Zuhörer nannte, giebt in seinen Dialogen, die uns Plato gewissermaßen aufbehalten hat, Beyspiele, wie man selbst bey alten Leuten, manches aus ihrer eigenen Vernunft hervorziehen kann. Vernunft braucht in vielen Stücken nicht von Kindern ausgeübt zu werden. Sie müssen nicht über Alles vernünfteln. Von dem, was sie wohlgezogen machen soll, brauchen sie nicht die Gründe zu wissen, sobald es aber die Pflicht betrifft, so müssen ihnen dieselben bekannt gemacht werden. Doch muß man überhaupt dahin sehen, daß man nicht Vernunftkenntnisse in sie hineintrage, sondern dieselben aus ihnen heraushole. Die sokratische Methode sollte bey der katechetischen die Regel ausmachen. Sie ist freylich etwas langsam, und es ist schwer, es so einzurichten, daß, indem man aus dem Einen die Erkenntnisse herausholt, die Andern auch etwas dabey lernen. Die mechanisch-katechetische Methode ist bey manchen Wissenschaften auch gut; z. E. bey dem Vortrage der geoffenbarten Religion. Bey der allgemeinen Religion hingegen muß man die sokratische Methode benutzen. In Ansehung dessen nämlich, was historisch gelernt werden muß, leisten will, z. E. wenn man die grammatische Regel, die man gelernt hat, gleich in Ausübung bringt. Man versteht eine Landkarte am besten, wenn man sie selbst verfertigen kann. Das Verstehen hat zum größsten Hülfsmittel das Hervorbringen. Man lernet das am gründlichsten, und behält das am besten, was man gleichsam aus sich selbst lernet. Nur wenige Menschen indessen sind das im Stande. Man nennt sie (αυτοδιδακτοι) Avtodidakten. Bey der Ausbildung der Vernunft muß man sokratisch verfahren. Sokrates nämlich, der sich die Hebamme der Kenntnisse seiner Zuhörer nannte, giebt in seinen Dialogen, die uns Plato gewissermaßen aufbehalten hat, Beyspiele, wie man selbst bey alten Leuten, manches aus ihrer eigenen Vernunft hervorziehen kann. Vernunft braucht in vielen Stücken nicht von Kindern ausgeübt zu werden. Sie müssen nicht über Alles vernünfteln. Von dem, was sie wohlgezogen machen soll, brauchen sie nicht die Gründe zu wissen, sobald es aber die Pflicht betrifft, so müssen ihnen dieselben bekannt gemacht werden. Doch muß man überhaupt dahin sehen, daß man nicht Vernunftkenntnisse in sie hineintrage, sondern dieselben aus ihnen heraushole. Die sokratische Methode sollte bey der katechetischen die Regel ausmachen. Sie ist freylich etwas langsam, und es ist schwer, es so einzurichten, daß, indem man aus dem Einen die Erkenntnisse herausholt, die Andern auch etwas dabey lernen. Die mechanisch-katechetische Methode ist bey manchen Wissenschaften auch gut; z. E. bey dem Vortrage der geoffenbarten Religion. Bey der allgemeinen Religion hingegen muß man die sokratische Methode benutzen. In Ansehung dessen nämlich, was historisch gelernt werden muß, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0065" n="65"/> leisten will, z. E. wenn man die grammatische Regel, die man gelernt hat, gleich in Ausübung bringt. Man versteht eine Landkarte am besten, wenn man sie selbst verfertigen kann. Das Verstehen hat zum größsten Hülfsmittel das Hervorbringen. Man lernet das am gründlichsten, und behält das am besten, was man gleichsam aus sich selbst lernet. Nur wenige Menschen indessen sind das im Stande. 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Sie ist freylich etwas langsam, und es ist schwer, es so einzurichten, daß, indem man aus dem Einen die Erkenntnisse herausholt, die Andern auch etwas dabey lernen. Die mechanisch-katechetische Methode ist bey manchen Wissenschaften auch gut; z. E. bey dem Vortrage der geoffenbarten Religion. Bey der allgemeinen Religion hingegen muß man die sokratische Methode benutzen. In Ansehung dessen nämlich, was historisch gelernt werden muß, </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [65/0065]
leisten will, z. E. wenn man die grammatische Regel, die man gelernt hat, gleich in Ausübung bringt. Man versteht eine Landkarte am besten, wenn man sie selbst verfertigen kann. Das Verstehen hat zum größsten Hülfsmittel das Hervorbringen. Man lernet das am gründlichsten, und behält das am besten, was man gleichsam aus sich selbst lernet. Nur wenige Menschen indessen sind das im Stande. Man nennt sie (αυτοδιδακτοι) Avtodidakten.
Bey der Ausbildung der Vernunft muß man sokratisch verfahren. Sokrates nämlich, der sich die Hebamme der Kenntnisse seiner Zuhörer nannte, giebt in seinen Dialogen, die uns Plato gewissermaßen aufbehalten hat, Beyspiele, wie man selbst bey alten Leuten, manches aus ihrer eigenen Vernunft hervorziehen kann. Vernunft braucht in vielen Stücken nicht von Kindern ausgeübt zu werden. Sie müssen nicht über Alles vernünfteln. Von dem, was sie wohlgezogen machen soll, brauchen sie nicht die Gründe zu wissen, sobald es aber die Pflicht betrifft, so müssen ihnen dieselben bekannt gemacht werden. Doch muß man überhaupt dahin sehen, daß man nicht Vernunftkenntnisse in sie hineintrage, sondern dieselben aus ihnen heraushole. Die sokratische Methode sollte bey der katechetischen die Regel ausmachen. Sie ist freylich etwas langsam, und es ist schwer, es so einzurichten, daß, indem man aus dem Einen die Erkenntnisse herausholt, die Andern auch etwas dabey lernen. Die mechanisch-katechetische Methode ist bey manchen Wissenschaften auch gut; z. E. bey dem Vortrage der geoffenbarten Religion. Bey der allgemeinen Religion hingegen muß man die sokratische Methode benutzen. In Ansehung dessen nämlich, was historisch gelernt werden muß,
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