Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803.Auch die schönsten Talente gehen bey Einem, der der Zerstreuung ergeben ist, zu Grunde. Wenn Kinder sich gleich bey Vergnügungen zerstreuen: so sammeln sie sich doch bald wieder; man sieht sie aber am meisten zerstreut, wenn sie schlimme Streiche im Kopfe haben, denn da sinnen sie, wie sie sie verbergen, oder wieder gut machen können. Sie hören dann Alles nur halb, antworten verkehrt, wissen nicht, was sie lesen, u. s. w. Das Gedächtniß muß man frühe, aber auch nebenher sogleich den Verstand kultiviren. Das Gedächtniß wird kultivirt 1) durch das Behalten der Namen in Erzählungen; 2) durch das Lesen und Schreiben; jenes aber muß aus dem Kopfe geübt werden und nicht durch das Buchstabieren; 3) durch Sprachen, die den Kindern zuerst durchs Hören, bevor sie noch etwas lesen müssen, beygebracht werden. Dann thut ein zwäckmäßig eingerichteter, sogenannter Orbis pictus seine guten Dienste, und man kann mit dem Botanisiren, mit der Mineralogie, und der Naturbeschreibung überhaupt den Anfang machen. Von diesen Gegenständen einen Abriß zu machen, das giebt dann Veranlassung zum Zeichnen und Modelliren, wozu es der Mathematik bedarf. Der erste wissenschaftliche Unterricht bezieht sich am vortheilhaftesten auf die Geographie, die mathematische sowohl, als die physicalische. Reiseerzählungen, durch Kupfer und Karten erläutert, führen dann zu der politischen Geographie. Von dem gegenwärtigen Zustande der Erdoberfläche geht man dann auf den ehemaligen zurück, gelangt zur alten Erdbeschreibung, alten Geschichte, u. s. w. Auch die schönsten Talente gehen bey Einem, der der Zerstreuung ergeben ist, zu Grunde. Wenn Kinder sich gleich bey Vergnügungen zerstreuen: so sammeln sie sich doch bald wieder; man sieht sie aber am meisten zerstreut, wenn sie schlimme Streiche im Kopfe haben, denn da sinnen sie, wie sie sie verbergen, oder wieder gut machen können. Sie hören dann Alles nur halb, antworten verkehrt, wissen nicht, was sie lesen, u. s. w. Das Gedächtniß muß man frühe, aber auch nebenher sogleich den Verstand kultiviren. Das Gedächtniß wird kultivirt 1) durch das Behalten der Namen in Erzählungen; 2) durch das Lesen und Schreiben; jenes aber muß aus dem Kopfe geübt werden und nicht durch das Buchstabieren; 3) durch Sprachen, die den Kindern zuerst durchs Hören, bevor sie noch etwas lesen müssen, beygebracht werden. Dann thut ein zwäckmäßig eingerichteter, sogenannter Orbis pictus seine guten Dienste, und man kann mit dem Botanisiren, mit der Mineralogie, und der Naturbeschreibung überhaupt den Anfang machen. Von diesen Gegenständen einen Abriß zu machen, das giebt dann Veranlassung zum Zeichnen und Modelliren, wozu es der Mathematik bedarf. Der erste wissenschaftliche Unterricht bezieht sich am vortheilhaftesten auf die Geographie, die mathematische sowohl, als die physicalische. Reiseerzählungen, durch Kupfer und Karten erläutert, führen dann zu der politischen Geographie. Von dem gegenwärtigen Zustande der Erdoberfläche geht man dann auf den ehemaligen zurück, gelangt zur alten Erdbeschreibung, alten Geschichte, u. s. w. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0060" n="60"/> Auch die schönsten Talente gehen bey Einem, der der Zerstreuung ergeben ist, zu Grunde. Wenn Kinder sich gleich bey Vergnügungen zerstreuen: so sammeln sie sich doch bald wieder; man sieht sie aber am meisten zerstreut, wenn sie schlimme Streiche im Kopfe haben, denn da sinnen sie, wie sie sie verbergen, oder wieder gut machen können. Sie hören dann Alles nur halb, antworten verkehrt, wissen nicht, was sie lesen, u. s. w.</p> <p>Das Gedächtniß muß man frühe, aber auch nebenher sogleich den Verstand kultiviren.</p> <p>Das Gedächtniß wird kultivirt 1) durch das Behalten der Namen in Erzählungen; 2) durch das Lesen und Schreiben; jenes aber muß aus dem Kopfe geübt werden und nicht durch das Buchstabieren; 3) durch Sprachen, die den Kindern zuerst durchs Hören, bevor sie noch etwas lesen müssen, beygebracht werden. Dann thut ein zwäckmäßig eingerichteter, sogenannter <hi rendition="#aq">Orbis pictus</hi> seine guten Dienste, und man kann mit dem Botanisiren, mit der Mineralogie, und der Naturbeschreibung überhaupt den Anfang machen. Von diesen Gegenständen einen Abriß zu machen, das giebt dann Veranlassung zum Zeichnen und Modelliren, wozu es der Mathematik bedarf. Der erste wissenschaftliche Unterricht bezieht sich am vortheilhaftesten auf die Geographie, die mathematische sowohl, als die physicalische. Reiseerzählungen, durch Kupfer und Karten erläutert, führen dann zu der politischen Geographie. Von dem gegenwärtigen Zustande der Erdoberfläche geht man dann auf den ehemaligen zurück, gelangt zur alten Erdbeschreibung, alten Geschichte, u. s. w.</p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [60/0060]
Auch die schönsten Talente gehen bey Einem, der der Zerstreuung ergeben ist, zu Grunde. Wenn Kinder sich gleich bey Vergnügungen zerstreuen: so sammeln sie sich doch bald wieder; man sieht sie aber am meisten zerstreut, wenn sie schlimme Streiche im Kopfe haben, denn da sinnen sie, wie sie sie verbergen, oder wieder gut machen können. Sie hören dann Alles nur halb, antworten verkehrt, wissen nicht, was sie lesen, u. s. w.
Das Gedächtniß muß man frühe, aber auch nebenher sogleich den Verstand kultiviren.
Das Gedächtniß wird kultivirt 1) durch das Behalten der Namen in Erzählungen; 2) durch das Lesen und Schreiben; jenes aber muß aus dem Kopfe geübt werden und nicht durch das Buchstabieren; 3) durch Sprachen, die den Kindern zuerst durchs Hören, bevor sie noch etwas lesen müssen, beygebracht werden. Dann thut ein zwäckmäßig eingerichteter, sogenannter Orbis pictus seine guten Dienste, und man kann mit dem Botanisiren, mit der Mineralogie, und der Naturbeschreibung überhaupt den Anfang machen. Von diesen Gegenständen einen Abriß zu machen, das giebt dann Veranlassung zum Zeichnen und Modelliren, wozu es der Mathematik bedarf. Der erste wissenschaftliche Unterricht bezieht sich am vortheilhaftesten auf die Geographie, die mathematische sowohl, als die physicalische. Reiseerzählungen, durch Kupfer und Karten erläutert, führen dann zu der politischen Geographie. Von dem gegenwärtigen Zustande der Erdoberfläche geht man dann auf den ehemaligen zurück, gelangt zur alten Erdbeschreibung, alten Geschichte, u. s. w.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax.
(2012-12-05T13:54:31Z)
Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Google Books: Bereitstellung der Bilddigitalisate
(2012-12-05T13:54:31Z)
Frederike Neuber: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat.
(2012-12-05T13:54:31Z)
Weitere Informationen:Anmerkungen zur Transkription:
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |