Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803.lokale Einbildungskraft, unter der man die Fertigkeit versteht, sich Alles an den Oertern vorzustellen, an denen man es würklich gesehen hat, etwas sehr vortheilhaftes, z. E. das Vergnügen, sich aus einem Walde herauszufinden, und zwar dadurch, daß man sich die Bäume merket, an denen man vorher vorbeygegangen ist. So auch die memoria localis, daß man z. E. nicht nur wisse, in welchem Buche man etwas gelesen habe, sondern auch, wo es in demselben stehe. So hat der Musiker die Tasten im Kopfe, daß er nicht mehr erst nach ihnen sehen darf. Die Kultur des Gehörs der Kinder ist eben so erforderlich, um durch dasselbe zu wissen, ab etwas weit oder nahe und auf welcher Seite es sey. Das Blindekuhspiel der Kinder war schon bey den Griechen bekannt, sie nannten es muinda. Ueberhaupt sind Kinderspiele sehr allgemein. Diejenigen, die man in Deutschland hat, findet man auch in Engelland, Frankreich u. s. w. Es liegt bey ihnen ein gewisser Naturtrieb der Kinder zum Grunde; bey dem Blindekuhspiele z. E. zu sehen, wie sie sich helfen könnten, wenn sie eines Sinnes entbehren müßten. Der Kreisel ist ein besonderes Spiel; doch geben solche Kinderspiele Männern Stoff zum weitern Nachdenken, und bisweilen auch Anlaß zu wichtigen Erfindungen. So hat Segner eine Disputation vom Kreisel geschrieben, und einem englischen Schiffskapitain hat der Kreisel Gelegenheit gegeben, einen Spiegel zu erfinden, durch den man auf dem Schiffe die Höhe der Sterne messen kann. Kinder haben gerne Instrumente, die Lärm machen, z. E. Trompetchen, Trommelchen und dergl. lokale Einbildungskraft, unter der man die Fertigkeit versteht, sich Alles an den Oertern vorzustellen, an denen man es würklich gesehen hat, etwas sehr vortheilhaftes, z. E. das Vergnügen, sich aus einem Walde herauszufinden, und zwar dadurch, daß man sich die Bäume merket, an denen man vorher vorbeygegangen ist. So auch die memoria localis, daß man z. E. nicht nur wisse, in welchem Buche man etwas gelesen habe, sondern auch, wo es in demselben stehe. So hat der Musiker die Tasten im Kopfe, daß er nicht mehr erst nach ihnen sehen darf. Die Kultur des Gehörs der Kinder ist eben so erforderlich, um durch dasselbe zu wissen, ab etwas weit oder nahe und auf welcher Seite es sey. Das Blindekuhspiel der Kinder war schon bey den Griechen bekannt, sie nannten es μυϊνδα. Ueberhaupt sind Kinderspiele sehr allgemein. Diejenigen, die man in Deutschland hat, findet man auch in Engelland, Frankreich u. s. w. Es liegt bey ihnen ein gewisser Naturtrieb der Kinder zum Grunde; bey dem Blindekuhspiele z. E. zu sehen, wie sie sich helfen könnten, wenn sie eines Sinnes entbehren müßten. Der Kreisel ist ein besonderes Spiel; doch geben solche Kinderspiele Männern Stoff zum weitern Nachdenken, und bisweilen auch Anlaß zu wichtigen Erfindungen. So hat Segner eine Disputation vom Kreisel geschrieben, und einem englischen Schiffskapitain hat der Kreisel Gelegenheit gegeben, einen Spiegel zu erfinden, durch den man auf dem Schiffe die Höhe der Sterne messen kann. Kinder haben gerne Instrumente, die Lärm machen, z. E. Trompetchen, Trommelchen und dergl. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <p><pb facs="#f0050" n="50"/> lokale Einbildungskraft, unter der man die Fertigkeit versteht, sich Alles an den Oertern vorzustellen, an denen man es würklich gesehen hat, etwas sehr vortheilhaftes, z. E. das Vergnügen, sich aus einem Walde herauszufinden, und zwar dadurch, daß man sich die Bäume merket, an denen man vorher vorbeygegangen ist. So auch die <hi rendition="#aq">memoria localis</hi>, daß man z. E. nicht nur wisse, in welchem Buche man etwas gelesen habe, sondern auch, wo es in demselben stehe. So hat der Musiker die Tasten im Kopfe, daß er nicht mehr erst nach ihnen sehen darf. Die Kultur des Gehörs der Kinder ist eben so erforderlich, um durch dasselbe zu wissen, ab etwas weit oder nahe und auf welcher Seite es sey.</p> <p>Das Blindekuhspiel der Kinder war schon bey den Griechen bekannt, sie nannten es <foreign xml:lang="grc">μυϊνδα</foreign>. Ueberhaupt sind Kinderspiele sehr allgemein. Diejenigen, die man in Deutschland hat, findet man auch in Engelland, Frankreich u. s. w. Es liegt bey ihnen ein gewisser Naturtrieb der Kinder zum Grunde; bey dem Blindekuhspiele z. E. zu sehen, wie sie sich helfen könnten, wenn sie eines Sinnes entbehren müßten. Der Kreisel ist ein besonderes Spiel; doch geben solche Kinderspiele Männern Stoff zum weitern Nachdenken, und bisweilen auch Anlaß zu wichtigen Erfindungen. So hat <hi rendition="#g">Segner</hi> eine Disputation vom Kreisel geschrieben, und einem englischen Schiffskapitain hat der Kreisel Gelegenheit gegeben, einen Spiegel zu erfinden, durch den man auf dem Schiffe die Höhe der Sterne messen kann.</p> <p>Kinder haben gerne Instrumente, die Lärm machen, z. E. Trompetchen, Trommelchen und dergl. </p> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [50/0050]
lokale Einbildungskraft, unter der man die Fertigkeit versteht, sich Alles an den Oertern vorzustellen, an denen man es würklich gesehen hat, etwas sehr vortheilhaftes, z. E. das Vergnügen, sich aus einem Walde herauszufinden, und zwar dadurch, daß man sich die Bäume merket, an denen man vorher vorbeygegangen ist. So auch die memoria localis, daß man z. E. nicht nur wisse, in welchem Buche man etwas gelesen habe, sondern auch, wo es in demselben stehe. So hat der Musiker die Tasten im Kopfe, daß er nicht mehr erst nach ihnen sehen darf. Die Kultur des Gehörs der Kinder ist eben so erforderlich, um durch dasselbe zu wissen, ab etwas weit oder nahe und auf welcher Seite es sey.
Das Blindekuhspiel der Kinder war schon bey den Griechen bekannt, sie nannten es μυϊνδα. Ueberhaupt sind Kinderspiele sehr allgemein. Diejenigen, die man in Deutschland hat, findet man auch in Engelland, Frankreich u. s. w. Es liegt bey ihnen ein gewisser Naturtrieb der Kinder zum Grunde; bey dem Blindekuhspiele z. E. zu sehen, wie sie sich helfen könnten, wenn sie eines Sinnes entbehren müßten. Der Kreisel ist ein besonderes Spiel; doch geben solche Kinderspiele Männern Stoff zum weitern Nachdenken, und bisweilen auch Anlaß zu wichtigen Erfindungen. So hat Segner eine Disputation vom Kreisel geschrieben, und einem englischen Schiffskapitain hat der Kreisel Gelegenheit gegeben, einen Spiegel zu erfinden, durch den man auf dem Schiffe die Höhe der Sterne messen kann.
Kinder haben gerne Instrumente, die Lärm machen, z. E. Trompetchen, Trommelchen und dergl.
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Zitationshilfe: | Kant, Immanuel: Über Pädagogik. Königsberg, 1803, S. 50. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_paedagogik_1803/50>, abgerufen am 22.07.2024. |