Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

und Theorie des Himmels.
Grab selber nicht unterbricht, sondern nur verän-
dert, an diesen Punkt des Weltraumes, an unsere Er-
de jederzeit geheftet bleiben? Solte sie niemals von
den übrigen Wundern der Schöpfung eines nähe-
ren Anschauens theilhaftig werden? Wer weis, ist
es ihr nicht zugedacht, daß sie dereinst jene entfernte
Kugeln des Weltgebäudes, und die Treflichkeit ih-
rer Anstalten, die schon von weitem ihre Neugierde
so reitzen, von nahem soll kennen lernen? Vielleicht
bilden sich darum noch einige Kugeln des Planeten-
systems aus, um nach vollendetem Ablaufe der Zeit,
die unserem Aufenthalte allhier vorgeschrieben ist,
uns in andern Himmeln neue Wohnplätze zu berei-
ten. Wer weis, laufen nicht jene Trabanten um
den Jupiter, um uns dereinst zu leuchten?

Es ist erlaubt, es ist anständig, sich mit der-
gleichen Vorstellungen zu belustigen; allein nie-
mand wird die Hoffnung des Künftigen auf so unsi-
chern Bildern der Einbildungskraft gründen. Nach-
dem die Eitelkeit ihren Antheil an der menschlichen
Natur wird abgefordert haben: so wird der unsterb-
liche Geist, mit einem schnellen Schwunge, sich über
alles, was endlich ist, empor schwingen, und in einem
neuen Verhältnisse gegen die ganze Natur, welche
aus einer näheren Verbindung mit dem höchsten
Wesen entspringet, sein Daseyn fortsetzen. Forthin
wird diese erhöhete Natur, welche die Quelle der
Glückseeligkeit in sich selber hat, sich nicht mehr un-
ter den äusseren Gegenständen zerstreuen, um eine
Beruhigung bey ihnen zu suchen. Der gesammte
Jnnbegriff der Geschöpfe, welcher eine nothwendige
Uebereinstimmung zum Wohlgefallen des höchsten

Ur-

und Theorie des Himmels.
Grab ſelber nicht unterbricht, ſondern nur veraͤn-
dert, an dieſen Punkt des Weltraumes, an unſere Er-
de jederzeit geheftet bleiben? Solte ſie niemals von
den uͤbrigen Wundern der Schoͤpfung eines naͤhe-
ren Anſchauens theilhaftig werden? Wer weis, iſt
es ihr nicht zugedacht, daß ſie dereinſt jene entfernte
Kugeln des Weltgebaͤudes, und die Treflichkeit ih-
rer Anſtalten, die ſchon von weitem ihre Neugierde
ſo reitzen, von nahem ſoll kennen lernen? Vielleicht
bilden ſich darum noch einige Kugeln des Planeten-
ſyſtems aus, um nach vollendetem Ablaufe der Zeit,
die unſerem Aufenthalte allhier vorgeſchrieben iſt,
uns in andern Himmeln neue Wohnplaͤtze zu berei-
ten. Wer weis, laufen nicht jene Trabanten um
den Jupiter, um uns dereinſt zu leuchten?

Es iſt erlaubt, es iſt anſtaͤndig, ſich mit der-
gleichen Vorſtellungen zu beluſtigen; allein nie-
mand wird die Hoffnung des Kuͤnftigen auf ſo unſi-
chern Bildern der Einbildungskraft gruͤnden. Nach-
dem die Eitelkeit ihren Antheil an der menſchlichen
Natur wird abgefordert haben: ſo wird der unſterb-
liche Geiſt, mit einem ſchnellen Schwunge, ſich uͤber
alles, was endlich iſt, empor ſchwingen, und in einem
neuen Verhaͤltniſſe gegen die ganze Natur, welche
aus einer naͤheren Verbindung mit dem hoͤchſten
Weſen entſpringet, ſein Daſeyn fortſetzen. Forthin
wird dieſe erhoͤhete Natur, welche die Quelle der
Gluͤckſeeligkeit in ſich ſelber hat, ſich nicht mehr un-
ter den aͤuſſeren Gegenſtaͤnden zerſtreuen, um eine
Beruhigung bey ihnen zu ſuchen. Der geſammte
Jnnbegriff der Geſchoͤpfe, welcher eine nothwendige
Uebereinſtimmung zum Wohlgefallen des hoͤchſten

Ur-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0267" n="199"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und Theorie des Himmels.</hi></fw><lb/>
Grab &#x017F;elber nicht unterbricht, &#x017F;ondern nur vera&#x0364;n-<lb/>
dert, an die&#x017F;en Punkt des Weltraumes, an un&#x017F;ere Er-<lb/>
de jederzeit geheftet bleiben? Solte &#x017F;ie niemals von<lb/>
den u&#x0364;brigen Wundern der Scho&#x0364;pfung eines na&#x0364;he-<lb/>
ren An&#x017F;chauens theilhaftig werden? Wer weis, i&#x017F;t<lb/>
es ihr nicht zugedacht, daß &#x017F;ie derein&#x017F;t jene entfernte<lb/>
Kugeln des Weltgeba&#x0364;udes, und die Treflichkeit ih-<lb/>
rer An&#x017F;talten, die &#x017F;chon von weitem ihre Neugierde<lb/>
&#x017F;o reitzen, von nahem &#x017F;oll kennen lernen? Vielleicht<lb/>
bilden &#x017F;ich darum noch einige Kugeln des Planeten-<lb/>
&#x017F;y&#x017F;tems aus, um nach vollendetem Ablaufe der Zeit,<lb/>
die un&#x017F;erem Aufenthalte allhier vorge&#x017F;chrieben i&#x017F;t,<lb/>
uns in andern Himmeln neue Wohnpla&#x0364;tze zu berei-<lb/>
ten. Wer weis, laufen nicht jene Trabanten um<lb/>
den Jupiter, um uns derein&#x017F;t zu leuchten?</p><lb/>
          <p>Es i&#x017F;t erlaubt, es i&#x017F;t an&#x017F;ta&#x0364;ndig, &#x017F;ich mit der-<lb/>
gleichen Vor&#x017F;tellungen zu belu&#x017F;tigen; allein nie-<lb/>
mand wird die Hoffnung des Ku&#x0364;nftigen auf &#x017F;o un&#x017F;i-<lb/>
chern Bildern der Einbildungskraft gru&#x0364;nden. Nach-<lb/>
dem die Eitelkeit ihren Antheil an der men&#x017F;chlichen<lb/>
Natur wird abgefordert haben: &#x017F;o wird der un&#x017F;terb-<lb/>
liche Gei&#x017F;t, mit einem &#x017F;chnellen Schwunge, &#x017F;ich u&#x0364;ber<lb/>
alles, was endlich i&#x017F;t, empor &#x017F;chwingen, und in einem<lb/>
neuen Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e gegen die ganze Natur, welche<lb/>
aus einer na&#x0364;heren Verbindung mit dem ho&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
We&#x017F;en ent&#x017F;pringet, &#x017F;ein Da&#x017F;eyn fort&#x017F;etzen. Forthin<lb/>
wird die&#x017F;e erho&#x0364;hete Natur, welche die Quelle der<lb/>
Glu&#x0364;ck&#x017F;eeligkeit in &#x017F;ich &#x017F;elber hat, &#x017F;ich nicht mehr un-<lb/>
ter den a&#x0364;u&#x017F;&#x017F;eren Gegen&#x017F;ta&#x0364;nden zer&#x017F;treuen, um eine<lb/>
Beruhigung bey ihnen zu &#x017F;uchen. Der ge&#x017F;ammte<lb/>
Jnnbegriff der Ge&#x017F;cho&#x0364;pfe, welcher eine nothwendige<lb/>
Ueberein&#x017F;timmung zum Wohlgefallen des ho&#x0364;ch&#x017F;ten<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Ur-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[199/0267] und Theorie des Himmels. Grab ſelber nicht unterbricht, ſondern nur veraͤn- dert, an dieſen Punkt des Weltraumes, an unſere Er- de jederzeit geheftet bleiben? Solte ſie niemals von den uͤbrigen Wundern der Schoͤpfung eines naͤhe- ren Anſchauens theilhaftig werden? Wer weis, iſt es ihr nicht zugedacht, daß ſie dereinſt jene entfernte Kugeln des Weltgebaͤudes, und die Treflichkeit ih- rer Anſtalten, die ſchon von weitem ihre Neugierde ſo reitzen, von nahem ſoll kennen lernen? Vielleicht bilden ſich darum noch einige Kugeln des Planeten- ſyſtems aus, um nach vollendetem Ablaufe der Zeit, die unſerem Aufenthalte allhier vorgeſchrieben iſt, uns in andern Himmeln neue Wohnplaͤtze zu berei- ten. Wer weis, laufen nicht jene Trabanten um den Jupiter, um uns dereinſt zu leuchten? Es iſt erlaubt, es iſt anſtaͤndig, ſich mit der- gleichen Vorſtellungen zu beluſtigen; allein nie- mand wird die Hoffnung des Kuͤnftigen auf ſo unſi- chern Bildern der Einbildungskraft gruͤnden. Nach- dem die Eitelkeit ihren Antheil an der menſchlichen Natur wird abgefordert haben: ſo wird der unſterb- liche Geiſt, mit einem ſchnellen Schwunge, ſich uͤber alles, was endlich iſt, empor ſchwingen, und in einem neuen Verhaͤltniſſe gegen die ganze Natur, welche aus einer naͤheren Verbindung mit dem hoͤchſten Weſen entſpringet, ſein Daſeyn fortſetzen. Forthin wird dieſe erhoͤhete Natur, welche die Quelle der Gluͤckſeeligkeit in ſich ſelber hat, ſich nicht mehr un- ter den aͤuſſeren Gegenſtaͤnden zerſtreuen, um eine Beruhigung bey ihnen zu ſuchen. Der geſammte Jnnbegriff der Geſchoͤpfe, welcher eine nothwendige Uebereinſtimmung zum Wohlgefallen des hoͤchſten Ur-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/267
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 199. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/267>, abgerufen am 21.11.2024.