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Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

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Allgemeine Naturgeschichte
im Stande ist, ihnen Wiederstand zu leisten,
wenn es seiner Trägheit nicht vielmehr gefiele, sich
durch dieselbe hinreissen zu lassen, wo also der ge-
fährliche Zwischenpunkt zwischen der Schwachheit
und dem Vermögen ist, da eben dieselbe Vorzüge,
die ihn über die niederen Classen erheben, ihn auf
eine Höhe stellen, von welcher er wiederum unendlich
tiefer unter diese herabsinken kan. Jn der That
sind die beyden Planeten, die Erde und der Mars,
die mittelsten Glieder des planetischen Systems,
und es läst sich von ihren Bewohnern vielleicht
nicht mit Unwahrscheinlichkeit ein mittlerer Stand
der physischen sowohl, als moralischen Beschaffen-
heit zwischen den zwey Endpunkten vermuthen, al-
lein ich will diese Betrachtung lieber denenjenigen
überlassen, die mehr Beruhigung bey einem uner-
weißlichen Erkenntnisse, und mehr Neigung dessen
Verantwortung zu übernehmen, bey sich finden.

Beschluß.

Es ist uns nicht einmal recht bekannt, was der
Mensch anjetzo wirklich ist, ob uns gleich das Be-
wustseyn und die Sinne hievon belehren solten; wie
vielweniger werden wir errathen können, was er der-
einst werden soll. Dennoch schnappet die Wißbe-
gierde der menschlichen Seele sehr begierig nach die-
sem von ihr so entfernten Gegenstande, und strebet,
in solchem dunkeln Erkenntnisse, einiges Licht zu be-
kommen.

Solte die unsterbliche Seele wohl in der gan-
zen Unendlichkeit ihrer künftigen Dauer, die das

Grab

Allgemeine Naturgeſchichte
im Stande iſt, ihnen Wiederſtand zu leiſten,
wenn es ſeiner Traͤgheit nicht vielmehr gefiele, ſich
durch dieſelbe hinreiſſen zu laſſen, wo alſo der ge-
faͤhrliche Zwiſchenpunkt zwiſchen der Schwachheit
und dem Vermoͤgen iſt, da eben dieſelbe Vorzuͤge,
die ihn uͤber die niederen Claſſen erheben, ihn auf
eine Hoͤhe ſtellen, von welcher er wiederum unendlich
tiefer unter dieſe herabſinken kan. Jn der That
ſind die beyden Planeten, die Erde und der Mars,
die mittelſten Glieder des planetiſchen Syſtems,
und es laͤſt ſich von ihren Bewohnern vielleicht
nicht mit Unwahrſcheinlichkeit ein mittlerer Stand
der phyſiſchen ſowohl, als moraliſchen Beſchaffen-
heit zwiſchen den zwey Endpunkten vermuthen, al-
lein ich will dieſe Betrachtung lieber denenjenigen
uͤberlaſſen, die mehr Beruhigung bey einem uner-
weißlichen Erkenntniſſe, und mehr Neigung deſſen
Verantwortung zu uͤbernehmen, bey ſich finden.

Beſchluß.

Es iſt uns nicht einmal recht bekannt, was der
Menſch anjetzo wirklich iſt, ob uns gleich das Be-
wuſtſeyn und die Sinne hievon belehren ſolten; wie
vielweniger werden wir errathen koͤnnen, was er der-
einſt werden ſoll. Dennoch ſchnappet die Wißbe-
gierde der menſchlichen Seele ſehr begierig nach die-
ſem von ihr ſo entfernten Gegenſtande, und ſtrebet,
in ſolchem dunkeln Erkenntniſſe, einiges Licht zu be-
kommen.

Solte die unſterbliche Seele wohl in der gan-
zen Unendlichkeit ihrer kuͤnftigen Dauer, die das

Grab
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[198/0266] Allgemeine Naturgeſchichte im Stande iſt, ihnen Wiederſtand zu leiſten, wenn es ſeiner Traͤgheit nicht vielmehr gefiele, ſich durch dieſelbe hinreiſſen zu laſſen, wo alſo der ge- faͤhrliche Zwiſchenpunkt zwiſchen der Schwachheit und dem Vermoͤgen iſt, da eben dieſelbe Vorzuͤge, die ihn uͤber die niederen Claſſen erheben, ihn auf eine Hoͤhe ſtellen, von welcher er wiederum unendlich tiefer unter dieſe herabſinken kan. Jn der That ſind die beyden Planeten, die Erde und der Mars, die mittelſten Glieder des planetiſchen Syſtems, und es laͤſt ſich von ihren Bewohnern vielleicht nicht mit Unwahrſcheinlichkeit ein mittlerer Stand der phyſiſchen ſowohl, als moraliſchen Beſchaffen- heit zwiſchen den zwey Endpunkten vermuthen, al- lein ich will dieſe Betrachtung lieber denenjenigen uͤberlaſſen, die mehr Beruhigung bey einem uner- weißlichen Erkenntniſſe, und mehr Neigung deſſen Verantwortung zu uͤbernehmen, bey ſich finden. Beſchluß. Es iſt uns nicht einmal recht bekannt, was der Menſch anjetzo wirklich iſt, ob uns gleich das Be- wuſtſeyn und die Sinne hievon belehren ſolten; wie vielweniger werden wir errathen koͤnnen, was er der- einſt werden ſoll. Dennoch ſchnappet die Wißbe- gierde der menſchlichen Seele ſehr begierig nach die- ſem von ihr ſo entfernten Gegenſtande, und ſtrebet, in ſolchem dunkeln Erkenntniſſe, einiges Licht zu be- kommen. Solte die unſterbliche Seele wohl in der gan- zen Unendlichkeit ihrer kuͤnftigen Dauer, die das Grab

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 198. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/266>, abgerufen am 17.11.2024.