Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

Bild:
<< vorherige Seite

und Theorie des Himmels.
re, dieses, in Ansehung aller, oder auch nur der mei-
sten, zu leugnen. Bey dem Reichthume der Na-
tur, da Welten und Systeme, in Ansehung des
Ganzen der Schöpfung, nur Sonnenstäubcyen
seyn, könnte es auch wohl öde und unbewohnte Ge-
genden geben, die nicht auf das genaueste zu dem
Zwecke der Natur, nemlich der Betrachtung ver-
nünftiger Wesen, genutzet würden. Es wäre, als
wenn man sich aus dem Grunde der Weisheit GOt-
tes ein Bedenken machen wolte, zuzugeben, daß
sandigte und unbewohnte Wüsteneyen grosse Stre-
cken des Erdbodens einnehmen, und daß es verlas-
sene Jnseln im Weltmeere gebe, darauf kein
Mensch befindlich ist. Jndessen ist ein Planet, viel
weniger in Anschung des Ganzen der Schöpfung,
als eine Wüste, oder Jnsel, in Ansehung des Erd-
bodens.

Vielleicht, daß sich noch nicht alle Himmelskör-
per völlig ausgebildet haben; es gehören Jahrhun-
derte, und vielleicht tausende von Jahren dazu, bis
ein grosser Himmelskörper einen festen Stand sei-
ner Materien erlanget hat. Jupiter scheinet noch
in diesem Streite zu seyn. Die merkliche Abwech-
selung seiner Gestalt, zu verschiedenen Zeiten, hat
die Astronomen schon vorlängst muthmassen lassen,
daß er grosse Umstürzungen erleiden müsse, und bey
weiten so ruhig auf seiner Oberfläche nicht sey, als
es ein bewohnbarer Planet seyn muß. Wenn er
keine Bewohner hat, und auch keine jemals haben
solte, was vor ein unendlich kleiner Aufwand der

Na-

und Theorie des Himmels.
re, dieſes, in Anſehung aller, oder auch nur der mei-
ſten, zu leugnen. Bey dem Reichthume der Na-
tur, da Welten und Syſteme, in Anſehung des
Ganzen der Schoͤpfung, nur Sonnenſtaͤubcyen
ſeyn, koͤnnte es auch wohl oͤde und unbewohnte Ge-
genden geben, die nicht auf das genaueſte zu dem
Zwecke der Natur, nemlich der Betrachtung ver-
nuͤnftiger Weſen, genutzet wuͤrden. Es waͤre, als
wenn man ſich aus dem Grunde der Weisheit GOt-
tes ein Bedenken machen wolte, zuzugeben, daß
ſandigte und unbewohnte Wuͤſteneyen groſſe Stre-
cken des Erdbodens einnehmen, und daß es verlaſ-
ſene Jnſeln im Weltmeere gebe, darauf kein
Menſch befindlich iſt. Jndeſſen iſt ein Planet, viel
weniger in Anſchung des Ganzen der Schoͤpfung,
als eine Wuͤſte, oder Jnſel, in Anſehung des Erd-
bodens.

Vielleicht, daß ſich noch nicht alle Himmelskoͤr-
per voͤllig ausgebildet haben; es gehoͤren Jahrhun-
derte, und vielleicht tauſende von Jahren dazu, bis
ein groſſer Himmelskoͤrper einen feſten Stand ſei-
ner Materien erlanget hat. Jupiter ſcheinet noch
in dieſem Streite zu ſeyn. Die merkliche Abwech-
ſelung ſeiner Geſtalt, zu verſchiedenen Zeiten, hat
die Aſtronomen ſchon vorlaͤngſt muthmaſſen laſſen,
daß er groſſe Umſtuͤrzungen erleiden muͤſſe, und bey
weiten ſo ruhig auf ſeiner Oberflaͤche nicht ſey, als
es ein bewohnbarer Planet ſeyn muß. Wenn er
keine Bewohner hat, und auch keine jemals haben
ſolte, was vor ein unendlich kleiner Aufwand der

Na-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0243" n="175"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und Theorie des Himmels.</hi></fw><lb/>
re, die&#x017F;es, in An&#x017F;ehung aller, oder auch nur der mei-<lb/>
&#x017F;ten, zu leugnen. Bey dem Reichthume der Na-<lb/>
tur, da Welten und Sy&#x017F;teme, in An&#x017F;ehung des<lb/>
Ganzen der Scho&#x0364;pfung, nur Sonnen&#x017F;ta&#x0364;ubcyen<lb/>
&#x017F;eyn, ko&#x0364;nnte es auch wohl o&#x0364;de und unbewohnte Ge-<lb/>
genden geben, die nicht auf das genaue&#x017F;te zu dem<lb/>
Zwecke der Natur, nemlich der Betrachtung ver-<lb/>
nu&#x0364;nftiger We&#x017F;en, genutzet wu&#x0364;rden. Es wa&#x0364;re, als<lb/>
wenn man &#x017F;ich aus dem Grunde der Weisheit GOt-<lb/>
tes ein Bedenken machen wolte, zuzugeben, daß<lb/>
&#x017F;andigte und unbewohnte Wu&#x0364;&#x017F;teneyen gro&#x017F;&#x017F;e Stre-<lb/>
cken des Erdbodens einnehmen, und daß es verla&#x017F;-<lb/>
&#x017F;ene Jn&#x017F;eln im Weltmeere gebe, darauf kein<lb/>
Men&#x017F;ch befindlich i&#x017F;t. Jnde&#x017F;&#x017F;en i&#x017F;t ein Planet, viel<lb/>
weniger in An&#x017F;chung des Ganzen der Scho&#x0364;pfung,<lb/>
als eine Wu&#x0364;&#x017F;te, oder Jn&#x017F;el, in An&#x017F;ehung des Erd-<lb/>
bodens.</p><lb/>
          <p>Vielleicht, daß &#x017F;ich noch nicht alle Himmelsko&#x0364;r-<lb/>
per vo&#x0364;llig ausgebildet haben; es geho&#x0364;ren Jahrhun-<lb/>
derte, und vielleicht tau&#x017F;ende von Jahren dazu, bis<lb/>
ein gro&#x017F;&#x017F;er Himmelsko&#x0364;rper einen fe&#x017F;ten Stand &#x017F;ei-<lb/>
ner Materien erlanget hat. Jupiter &#x017F;cheinet noch<lb/>
in die&#x017F;em Streite zu &#x017F;eyn. Die merkliche Abwech-<lb/>
&#x017F;elung &#x017F;einer Ge&#x017F;talt, zu ver&#x017F;chiedenen Zeiten, hat<lb/>
die A&#x017F;tronomen &#x017F;chon vorla&#x0364;ng&#x017F;t muthma&#x017F;&#x017F;en la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
daß er gro&#x017F;&#x017F;e Um&#x017F;tu&#x0364;rzungen erleiden mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;e, und bey<lb/>
weiten &#x017F;o ruhig auf &#x017F;einer Oberfla&#x0364;che nicht &#x017F;ey, als<lb/>
es ein bewohnbarer Planet &#x017F;eyn muß. Wenn er<lb/>
keine Bewohner hat, und auch keine jemals haben<lb/>
&#x017F;olte, was vor ein unendlich kleiner Aufwand der<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Na-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[175/0243] und Theorie des Himmels. re, dieſes, in Anſehung aller, oder auch nur der mei- ſten, zu leugnen. Bey dem Reichthume der Na- tur, da Welten und Syſteme, in Anſehung des Ganzen der Schoͤpfung, nur Sonnenſtaͤubcyen ſeyn, koͤnnte es auch wohl oͤde und unbewohnte Ge- genden geben, die nicht auf das genaueſte zu dem Zwecke der Natur, nemlich der Betrachtung ver- nuͤnftiger Weſen, genutzet wuͤrden. Es waͤre, als wenn man ſich aus dem Grunde der Weisheit GOt- tes ein Bedenken machen wolte, zuzugeben, daß ſandigte und unbewohnte Wuͤſteneyen groſſe Stre- cken des Erdbodens einnehmen, und daß es verlaſ- ſene Jnſeln im Weltmeere gebe, darauf kein Menſch befindlich iſt. Jndeſſen iſt ein Planet, viel weniger in Anſchung des Ganzen der Schoͤpfung, als eine Wuͤſte, oder Jnſel, in Anſehung des Erd- bodens. Vielleicht, daß ſich noch nicht alle Himmelskoͤr- per voͤllig ausgebildet haben; es gehoͤren Jahrhun- derte, und vielleicht tauſende von Jahren dazu, bis ein groſſer Himmelskoͤrper einen feſten Stand ſei- ner Materien erlanget hat. Jupiter ſcheinet noch in dieſem Streite zu ſeyn. Die merkliche Abwech- ſelung ſeiner Geſtalt, zu verſchiedenen Zeiten, hat die Aſtronomen ſchon vorlaͤngſt muthmaſſen laſſen, daß er groſſe Umſtuͤrzungen erleiden muͤſſe, und bey weiten ſo ruhig auf ſeiner Oberflaͤche nicht ſey, als es ein bewohnbarer Planet ſeyn muß. Wenn er keine Bewohner hat, und auch keine jemals haben ſolte, was vor ein unendlich kleiner Aufwand der Na-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/243
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 175. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/243>, abgerufen am 23.11.2024.