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Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

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und Theorie des Himmels.
der Masse der Sonnen herrschet. Es wäre ein
unverautwortlicher Leichtsinn, diese Analogie ei-
nem Ungefehr zuzuschreiben, welche unter einer
Mannigfaltigkeit so unendlich verschiedener Mate-
rien, deren nur allein auf unserer Erde einige anzu-
treffen sind, die 15tausendmal an Dichtigkeit von
einander übetroffen worden, dennoch im ganzen der
Verhältniß von 1 bis 1 so nahe kommen: und man
muß zugeben, daß wenn man die Sonne als ein
Mengsel von allen Sorten Materie, die in dem
planetischen Gebäude von einander geschieden seyn,
betrachtet, alle insgesammt sich in einem Raume
scheinen gebildet zu haben, der ursprünglich mit
gleichförmig ausgebreiteten Stoffe erfüllet war,
und auf dem Centralkörper sich ohne Unterschied
versammlet, zur Bildung der Planeten aber nach
Maßgebung der Höhen eingetheilet worden. Jch
überlasse es denen, die die mechanische Erzeu-
gung der Weltkörper nicht zugeben können, aus
dem Bewegungsgründen der Wahl GOttes diese
so besondere Uebereinstimmung, wo sie können, zu
erklären. Jch will endlich aufhören, eine Sache
von so überzeugender Deutlichkeit, als die Entwicke-
lung des Weltgebäudes aus den Kräften der Natur
ist, auf mehr Beweisthümer zu gründen. Wenn
man im Stande ist, bey so vieler Ueberführung
unbeweglich zu bleiben; so muß man entweder gar
zu tief in den Fesseln des Vorurtheils liegen, oder
gänzlich unfähig seyn, sich über den Wust herge-
brachter Meinungen, zu der Betrachtung der aller-
reinsten Wahrheit, empor zu schwingen. Jndes-
sen ist zu glauben, daß niemand als die Blödsinnigen,

auf
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und Theorie des Himmels.
der Maſſe der Sonnen herrſchet. Es waͤre ein
unverautwortlicher Leichtſinn, dieſe Analogie ei-
nem Ungefehr zuzuſchreiben, welche unter einer
Mannigfaltigkeit ſo unendlich verſchiedener Mate-
rien, deren nur allein auf unſerer Erde einige anzu-
treffen ſind, die 15tauſendmal an Dichtigkeit von
einander uͤbetroffen worden, dennoch im ganzen der
Verhaͤltniß von 1 bis 1 ſo nahe kommen: und man
muß zugeben, daß wenn man die Sonne als ein
Mengſel von allen Sorten Materie, die in dem
planetiſchen Gebaͤude von einander geſchieden ſeyn,
betrachtet, alle insgeſammt ſich in einem Raume
ſcheinen gebildet zu haben, der urſpruͤnglich mit
gleichfoͤrmig ausgebreiteten Stoffe erfuͤllet war,
und auf dem Centralkoͤrper ſich ohne Unterſchied
verſammlet, zur Bildung der Planeten aber nach
Maßgebung der Hoͤhen eingetheilet worden. Jch
uͤberlaſſe es denen, die die mechaniſche Erzeu-
gung der Weltkoͤrper nicht zugeben koͤnnen, aus
dem Bewegungsgruͤnden der Wahl GOttes dieſe
ſo beſondere Uebereinſtimmung, wo ſie koͤnnen, zu
erklaͤren. Jch will endlich aufhoͤren, eine Sache
von ſo uͤberzeugender Deutlichkeit, als die Entwicke-
lung des Weltgebaͤudes aus den Kraͤften der Natur
iſt, auf mehr Beweisthuͤmer zu gruͤnden. Wenn
man im Stande iſt, bey ſo vieler Ueberfuͤhrung
unbeweglich zu bleiben; ſo muß man entweder gar
zu tief in den Feſſeln des Vorurtheils liegen, oder
gaͤnzlich unfaͤhig ſeyn, ſich uͤber den Wuſt herge-
brachter Meinungen, zu der Betrachtung der aller-
reinſten Wahrheit, empor zu ſchwingen. Jndeſ-
ſen iſt zu glauben, daß niemand als die Bloͤdſinnigen,

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[167/0235] und Theorie des Himmels. der Maſſe der Sonnen herrſchet. Es waͤre ein unverautwortlicher Leichtſinn, dieſe Analogie ei- nem Ungefehr zuzuſchreiben, welche unter einer Mannigfaltigkeit ſo unendlich verſchiedener Mate- rien, deren nur allein auf unſerer Erde einige anzu- treffen ſind, die 15tauſendmal an Dichtigkeit von einander uͤbetroffen worden, dennoch im ganzen der Verhaͤltniß von 1 bis 1 ſo nahe kommen: und man muß zugeben, daß wenn man die Sonne als ein Mengſel von allen Sorten Materie, die in dem planetiſchen Gebaͤude von einander geſchieden ſeyn, betrachtet, alle insgeſammt ſich in einem Raume ſcheinen gebildet zu haben, der urſpruͤnglich mit gleichfoͤrmig ausgebreiteten Stoffe erfuͤllet war, und auf dem Centralkoͤrper ſich ohne Unterſchied verſammlet, zur Bildung der Planeten aber nach Maßgebung der Hoͤhen eingetheilet worden. Jch uͤberlaſſe es denen, die die mechaniſche Erzeu- gung der Weltkoͤrper nicht zugeben koͤnnen, aus dem Bewegungsgruͤnden der Wahl GOttes dieſe ſo beſondere Uebereinſtimmung, wo ſie koͤnnen, zu erklaͤren. Jch will endlich aufhoͤren, eine Sache von ſo uͤberzeugender Deutlichkeit, als die Entwicke- lung des Weltgebaͤudes aus den Kraͤften der Natur iſt, auf mehr Beweisthuͤmer zu gruͤnden. Wenn man im Stande iſt, bey ſo vieler Ueberfuͤhrung unbeweglich zu bleiben; ſo muß man entweder gar zu tief in den Feſſeln des Vorurtheils liegen, oder gaͤnzlich unfaͤhig ſeyn, ſich uͤber den Wuſt herge- brachter Meinungen, zu der Betrachtung der aller- reinſten Wahrheit, empor zu ſchwingen. Jndeſ- ſen iſt zu glauben, daß niemand als die Bloͤdſinnigen, auf L 4

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/235>, abgerufen am 27.11.2024.