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Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

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und Theorie des Himmels.
bis zu willkührlichen Erdichtungen den Zügel schies-
sen lassen. Die Gottheit ist in der Unendlichkeit
des ganzen Weltraumes allenthalben gleich gegen-
wärtig; allenthalben wo Naturen seyn, welche
fähig seyn, sich über die Abhängigkeit der Geschö-
pfe, zu der Gemeinschaft des höchsten Wesens, em-
por zu schwingen, befindet es sich gleich nahe.
Die ganze Schöpfung ist von ihren Kräften durch-
drungen, aber nur derjenige, der sich von dem Ge-
schöpfe zu befreyen weiß, welcher so edel ist, einzu-
sehen, daß in dem Genusse dieser Urqvelle der Voll-
kommenheit die höchste Staffell der Glückseligkeit
einzig und allein zu suchen, der allein ist fähig,
diesem wahren Beziehungspunkte aller Treflichkeit
sich näher, als irgend etwas anders in der ganzen
Natur, zu befinden. Jndessen wenn ich, ohne an
der enthusiastischen Vorstellung des Engelländers
Theil zu nehmen, von den verschiedenen Graden der
Geisterwelt aus der physischen Beziehung ihrer
Wohnplätze gegen den Mittelpunkt der Schöpfung,
muthmassen soll, so wollte mit mehrer Wahrschein-
lichkeit die vollkommensten Classen vernünftiger We-
sen, weiter von diesem Mittelpunkte, als nahe bey
demselben, suchen. Die Vollkommenheit mit Ver-
nunft begabter Geschöpfe, in so weit sie von der Be-
schaffenheit der Materie abhänget, in deren Verbin-
dung sie beschränket seyn, kommt gar sehr auf die
Feinigkeit des Stoffes an, dessen Einfluß dieselbe
zur Vorstellung der Welt und zur Gegenwirkung
in dieselbe bestimmt. Die Trägheit und der Wie-
derstand der Materie schränket die Freyheit des gei-

stigen

und Theorie des Himmels.
bis zu willkuͤhrlichen Erdichtungen den Zuͤgel ſchieſ-
ſen laſſen. Die Gottheit iſt in der Unendlichkeit
des ganzen Weltraumes allenthalben gleich gegen-
waͤrtig; allenthalben wo Naturen ſeyn, welche
faͤhig ſeyn, ſich uͤber die Abhaͤngigkeit der Geſchoͤ-
pfe, zu der Gemeinſchaft des hoͤchſten Weſens, em-
por zu ſchwingen, befindet es ſich gleich nahe.
Die ganze Schoͤpfung iſt von ihren Kraͤften durch-
drungen, aber nur derjenige, der ſich von dem Ge-
ſchoͤpfe zu befreyen weiß, welcher ſo edel iſt, einzu-
ſehen, daß in dem Genuſſe dieſer Urqvelle der Voll-
kommenheit die hoͤchſte Staffell der Gluͤckſeligkeit
einzig und allein zu ſuchen, der allein iſt faͤhig,
dieſem wahren Beziehungspunkte aller Treflichkeit
ſich naͤher, als irgend etwas anders in der ganzen
Natur, zu befinden. Jndeſſen wenn ich, ohne an
der enthuſiaſtiſchen Vorſtellung des Engellaͤnders
Theil zu nehmen, von den verſchiedenen Graden der
Geiſterwelt aus der phyſiſchen Beziehung ihrer
Wohnplaͤtze gegen den Mittelpunkt der Schoͤpfung,
muthmaſſen ſoll, ſo wollte mit mehrer Wahrſchein-
lichkeit die vollkommenſten Claſſen vernuͤnftiger We-
ſen, weiter von dieſem Mittelpunkte, als nahe bey
demſelben, ſuchen. Die Vollkommenheit mit Ver-
nunft begabter Geſchoͤpfe, in ſo weit ſie von der Be-
ſchaffenheit der Materie abhaͤnget, in deren Verbin-
dung ſie beſchraͤnket ſeyn, kommt gar ſehr auf die
Feinigkeit des Stoffes an, deſſen Einfluß dieſelbe
zur Vorſtellung der Welt und zur Gegenwirkung
in dieſelbe beſtimmt. Die Traͤgheit und der Wie-
derſtand der Materie ſchraͤnket die Freyheit des gei-

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[141/0209] und Theorie des Himmels. bis zu willkuͤhrlichen Erdichtungen den Zuͤgel ſchieſ- ſen laſſen. Die Gottheit iſt in der Unendlichkeit des ganzen Weltraumes allenthalben gleich gegen- waͤrtig; allenthalben wo Naturen ſeyn, welche faͤhig ſeyn, ſich uͤber die Abhaͤngigkeit der Geſchoͤ- pfe, zu der Gemeinſchaft des hoͤchſten Weſens, em- por zu ſchwingen, befindet es ſich gleich nahe. Die ganze Schoͤpfung iſt von ihren Kraͤften durch- drungen, aber nur derjenige, der ſich von dem Ge- ſchoͤpfe zu befreyen weiß, welcher ſo edel iſt, einzu- ſehen, daß in dem Genuſſe dieſer Urqvelle der Voll- kommenheit die hoͤchſte Staffell der Gluͤckſeligkeit einzig und allein zu ſuchen, der allein iſt faͤhig, dieſem wahren Beziehungspunkte aller Treflichkeit ſich naͤher, als irgend etwas anders in der ganzen Natur, zu befinden. Jndeſſen wenn ich, ohne an der enthuſiaſtiſchen Vorſtellung des Engellaͤnders Theil zu nehmen, von den verſchiedenen Graden der Geiſterwelt aus der phyſiſchen Beziehung ihrer Wohnplaͤtze gegen den Mittelpunkt der Schoͤpfung, muthmaſſen ſoll, ſo wollte mit mehrer Wahrſchein- lichkeit die vollkommenſten Claſſen vernuͤnftiger We- ſen, weiter von dieſem Mittelpunkte, als nahe bey demſelben, ſuchen. Die Vollkommenheit mit Ver- nunft begabter Geſchoͤpfe, in ſo weit ſie von der Be- ſchaffenheit der Materie abhaͤnget, in deren Verbin- dung ſie beſchraͤnket ſeyn, kommt gar ſehr auf die Feinigkeit des Stoffes an, deſſen Einfluß dieſelbe zur Vorſtellung der Welt und zur Gegenwirkung in dieſelbe beſtimmt. Die Traͤgheit und der Wie- derſtand der Materie ſchraͤnket die Freyheit des gei- ſtigen

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 141. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/209>, abgerufen am 23.11.2024.