Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.und Theorie des Himmels. Mensch, der das Meisterstück der Schöpfung zuseyn scheinet, ist selbst von diesem Gesetze nicht aus- genommen. Die Natur beweiset, daß sie eben so reich, eben so unerschöpfet, in Hervorbringung des treflichsten unter den Creaturen, als des gering- schätzigsten, ist, und daß selbst deren Untergang ei- ne nothwendige Schattirung in der Mannigfaltig- keit ihrer Sonnen ist, weil die Erzeugung dersel- ben ihr nichts kostet. Die schädlichen Wirkungen der angesteckten Luft, die Erdbeben, die Ueber- schwemmungen, vertilgen ganze Völker von dem Erdboden; allein es scheinet nicht, daß die Na- tur dadurch einigen Nachtheil erlitten habe. Auf gleiche Weise verlassen ganze Welten und Systemen den Schauplatz, nachdem sie ihre Rolle ausgespie- let haben. Die Unendlichkeit der Schöpfung ist groß genug, um eine Welt, oder eine Milchstrasse von Welten, gegen sie anzusehen, wie man eine Blume, oder ein Jnsect, in Vergleichung gegen die Erde, ansiehet. Jndessen, daß die Natur mit veränderlichen Auftritten die Ewigkeit auszieret, bleibt GOtt in einer unaufhörlichen Schöpfung ge- schäftig, den Zeug zur Bildung noch grösserer Wel- ten zu formen.
Pope, nach Brockes Uebersetzung. Laßt H 5
und Theorie des Himmels. Menſch, der das Meiſterſtuͤck der Schoͤpfung zuſeyn ſcheinet, iſt ſelbſt von dieſem Geſetze nicht aus- genommen. Die Natur beweiſet, daß ſie eben ſo reich, eben ſo unerſchoͤpfet, in Hervorbringung des treflichſten unter den Creaturen, als des gering- ſchaͤtzigſten, iſt, und daß ſelbſt deren Untergang ei- ne nothwendige Schattirung in der Mannigfaltig- keit ihrer Sonnen iſt, weil die Erzeugung derſel- ben ihr nichts koſtet. Die ſchaͤdlichen Wirkungen der angeſteckten Luft, die Erdbeben, die Ueber- ſchwemmungen, vertilgen ganze Voͤlker von dem Erdboden; allein es ſcheinet nicht, daß die Na- tur dadurch einigen Nachtheil erlitten habe. Auf gleiche Weiſe verlaſſen ganze Welten und Syſtemen den Schauplatz, nachdem ſie ihre Rolle ausgeſpie- let haben. Die Unendlichkeit der Schoͤpfung iſt groß genug, um eine Welt, oder eine Milchſtraſſe von Welten, gegen ſie anzuſehen, wie man eine Blume, oder ein Jnſect, in Vergleichung gegen die Erde, anſiehet. Jndeſſen, daß die Natur mit veraͤnderlichen Auftritten die Ewigkeit auszieret, bleibt GOtt in einer unaufhoͤrlichen Schoͤpfung ge- ſchaͤftig, den Zeug zur Bildung noch groͤſſerer Wel- ten zu formen.
Pope, nach Brockes Ueberſetzung. Laßt H 5
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0189" n="121"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">und Theorie des Himmels.</hi></fw><lb/> Menſch, der das Meiſterſtuͤck der Schoͤpfung zu<lb/> ſeyn ſcheinet, iſt ſelbſt von dieſem Geſetze nicht aus-<lb/> genommen. Die Natur beweiſet, daß ſie eben ſo<lb/> reich, eben ſo unerſchoͤpfet, in Hervorbringung des<lb/> treflichſten unter den Creaturen, als des gering-<lb/> ſchaͤtzigſten, iſt, und daß ſelbſt deren Untergang ei-<lb/> ne nothwendige Schattirung in der Mannigfaltig-<lb/> keit ihrer Sonnen iſt, weil die Erzeugung derſel-<lb/> ben ihr nichts koſtet. Die ſchaͤdlichen Wirkungen<lb/> der angeſteckten Luft, die Erdbeben, die Ueber-<lb/> ſchwemmungen, vertilgen ganze Voͤlker von dem<lb/> Erdboden; allein es ſcheinet nicht, daß die Na-<lb/> tur dadurch einigen Nachtheil erlitten habe. Auf<lb/> gleiche Weiſe verlaſſen ganze Welten und Syſtemen<lb/> den Schauplatz, nachdem ſie ihre Rolle ausgeſpie-<lb/> let haben. Die Unendlichkeit der Schoͤpfung iſt<lb/> groß genug, um eine Welt, oder eine Milchſtraſſe<lb/> von Welten, gegen ſie anzuſehen, wie man eine<lb/> Blume, oder ein Jnſect, in Vergleichung gegen<lb/> die Erde, anſiehet. Jndeſſen, daß die Natur mit<lb/> veraͤnderlichen Auftritten die Ewigkeit auszieret,<lb/> bleibt GOtt in einer unaufhoͤrlichen Schoͤpfung ge-<lb/> ſchaͤftig, den Zeug zur Bildung noch groͤſſerer Wel-<lb/> ten zu formen.</p><lb/> <cit> <quote> <lg rendition="#et" type="poem"> <l>Der ſtets mit einem gleichen Auge, weil er,<lb/><hi rendition="#et">der Schoͤpfer, ja von allen,</hi></l><lb/> <l>Sieht einen Helden untergehn, und einen<lb/><hi rendition="#et">kleinen Sperling fallen,</hi></l><lb/> <l>Sieht eine Waſſerblaſe ſpringen, und eine<lb/><hi rendition="#et">ganze Welt vergehn.</hi></l> </lg> </quote><lb/> <bibl> <hi rendition="#et"><hi rendition="#fr">Pope,</hi><lb/> nach <hi rendition="#fr">Brockes</hi> Ueberſetzung.</hi> </bibl> </cit><lb/> <fw place="bottom" type="sig">H 5</fw> <fw place="bottom" type="catch">Laßt</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [121/0189]
und Theorie des Himmels.
Menſch, der das Meiſterſtuͤck der Schoͤpfung zu
ſeyn ſcheinet, iſt ſelbſt von dieſem Geſetze nicht aus-
genommen. Die Natur beweiſet, daß ſie eben ſo
reich, eben ſo unerſchoͤpfet, in Hervorbringung des
treflichſten unter den Creaturen, als des gering-
ſchaͤtzigſten, iſt, und daß ſelbſt deren Untergang ei-
ne nothwendige Schattirung in der Mannigfaltig-
keit ihrer Sonnen iſt, weil die Erzeugung derſel-
ben ihr nichts koſtet. Die ſchaͤdlichen Wirkungen
der angeſteckten Luft, die Erdbeben, die Ueber-
ſchwemmungen, vertilgen ganze Voͤlker von dem
Erdboden; allein es ſcheinet nicht, daß die Na-
tur dadurch einigen Nachtheil erlitten habe. Auf
gleiche Weiſe verlaſſen ganze Welten und Syſtemen
den Schauplatz, nachdem ſie ihre Rolle ausgeſpie-
let haben. Die Unendlichkeit der Schoͤpfung iſt
groß genug, um eine Welt, oder eine Milchſtraſſe
von Welten, gegen ſie anzuſehen, wie man eine
Blume, oder ein Jnſect, in Vergleichung gegen
die Erde, anſiehet. Jndeſſen, daß die Natur mit
veraͤnderlichen Auftritten die Ewigkeit auszieret,
bleibt GOtt in einer unaufhoͤrlichen Schoͤpfung ge-
ſchaͤftig, den Zeug zur Bildung noch groͤſſerer Wel-
ten zu formen.
Der ſtets mit einem gleichen Auge, weil er,
der Schoͤpfer, ja von allen,
Sieht einen Helden untergehn, und einen
kleinen Sperling fallen,
Sieht eine Waſſerblaſe ſpringen, und eine
ganze Welt vergehn.
Pope,
nach Brockes Ueberſetzung.
Laßt
H 5
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |