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Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

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und Theorie des Himmels.
weil sie in das innerste der Materie, ohne einigen
Stoß, selbst bey der allgemeinen Ruhe der Natur
wirket, muß, sage ich, die Anziehung nicht diese
Fixsternen-Systemata, ihrer unermeßlichen Ent-
fernungen ungeachtet, bey der ungebildeten Zer-
streuung ihres Stoffes, im Anfange der Regung
der Natur, in Bewegungen versetzet haben, die
eben so, wie wir im Kleinen gesehen haben, die
Qvelle der systematischen Verbindung, und der
dauerhaften Beständigkeit ihrer Glieder ist, die sie
vor den Verfall sichert?

Aber, welches wird denn endlich das Ende der
systematischen Einrichtungen seyn? wo wird die
Schöpfung selber aufhören? Man merket wohl,
daß, um sie in einem Verhältnisse mit der Macht
des unendlichen Wesens zu gedenken, sie gar keine
Grenzen haben müsse. Man kommt der Unend-
lichkeit der Schöpfungskraft GOttes nicht näher,
wenn man den Raum ihrer Offenbarung in einer
Sphäre mit dem Radius der Milchstrasse beschrie-
ben, einschliesset, als wenn man ihn in eine Kugel
beschränken will, die einen Zoll im Durchmesser
hat. Alles was endlich, was seine Schranken
und ein bestimmtes Verhältniß zur Einheit hat, ist
von dem unendlichen gleich weit entfernet. Nun
wäre es ungereimt, die Gottheit mit einem unend-
lich kleinen Theile ihres schöpferischen Vermögens in
Wirksamkeit zu setzen, und ihre unendliche Kraft,
den Schatz einer wahren Unermeßlichkeit, von Na-
turen und Welten unthätig, und in einem ewigen

Man-
G 5

und Theorie des Himmels.
weil ſie in das innerſte der Materie, ohne einigen
Stoß, ſelbſt bey der allgemeinen Ruhe der Natur
wirket, muß, ſage ich, die Anziehung nicht dieſe
Fixſternen-Syſtemata, ihrer unermeßlichen Ent-
fernungen ungeachtet, bey der ungebildeten Zer-
ſtreuung ihres Stoffes, im Anfange der Regung
der Natur, in Bewegungen verſetzet haben, die
eben ſo, wie wir im Kleinen geſehen haben, die
Qvelle der ſyſtematiſchen Verbindung, und der
dauerhaften Beſtaͤndigkeit ihrer Glieder iſt, die ſie
vor den Verfall ſichert?

Aber, welches wird denn endlich das Ende der
ſyſtematiſchen Einrichtungen ſeyn? wo wird die
Schoͤpfung ſelber aufhoͤren? Man merket wohl,
daß, um ſie in einem Verhaͤltniſſe mit der Macht
des unendlichen Weſens zu gedenken, ſie gar keine
Grenzen haben muͤſſe. Man kommt der Unend-
lichkeit der Schoͤpfungskraft GOttes nicht naͤher,
wenn man den Raum ihrer Offenbarung in einer
Sphaͤre mit dem Radius der Milchſtraſſe beſchrie-
ben, einſchlieſſet, als wenn man ihn in eine Kugel
beſchraͤnken will, die einen Zoll im Durchmeſſer
hat. Alles was endlich, was ſeine Schranken
und ein beſtimmtes Verhaͤltniß zur Einheit hat, iſt
von dem unendlichen gleich weit entfernet. Nun
waͤre es ungereimt, die Gottheit mit einem unend-
lich kleinen Theile ihres ſchoͤpferiſchen Vermoͤgens in
Wirkſamkeit zu ſetzen, und ihre unendliche Kraft,
den Schatz einer wahren Unermeßlichkeit, von Na-
turen und Welten unthaͤtig, und in einem ewigen

Man-
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[105/0173] und Theorie des Himmels. weil ſie in das innerſte der Materie, ohne einigen Stoß, ſelbſt bey der allgemeinen Ruhe der Natur wirket, muß, ſage ich, die Anziehung nicht dieſe Fixſternen-Syſtemata, ihrer unermeßlichen Ent- fernungen ungeachtet, bey der ungebildeten Zer- ſtreuung ihres Stoffes, im Anfange der Regung der Natur, in Bewegungen verſetzet haben, die eben ſo, wie wir im Kleinen geſehen haben, die Qvelle der ſyſtematiſchen Verbindung, und der dauerhaften Beſtaͤndigkeit ihrer Glieder iſt, die ſie vor den Verfall ſichert? Aber, welches wird denn endlich das Ende der ſyſtematiſchen Einrichtungen ſeyn? wo wird die Schoͤpfung ſelber aufhoͤren? Man merket wohl, daß, um ſie in einem Verhaͤltniſſe mit der Macht des unendlichen Weſens zu gedenken, ſie gar keine Grenzen haben muͤſſe. Man kommt der Unend- lichkeit der Schoͤpfungskraft GOttes nicht naͤher, wenn man den Raum ihrer Offenbarung in einer Sphaͤre mit dem Radius der Milchſtraſſe beſchrie- ben, einſchlieſſet, als wenn man ihn in eine Kugel beſchraͤnken will, die einen Zoll im Durchmeſſer hat. Alles was endlich, was ſeine Schranken und ein beſtimmtes Verhaͤltniß zur Einheit hat, iſt von dem unendlichen gleich weit entfernet. Nun waͤre es ungereimt, die Gottheit mit einem unend- lich kleinen Theile ihres ſchoͤpferiſchen Vermoͤgens in Wirkſamkeit zu ſetzen, und ihre unendliche Kraft, den Schatz einer wahren Unermeßlichkeit, von Na- turen und Welten unthaͤtig, und in einem ewigen Man- G 5

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Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 105. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/173>, abgerufen am 24.11.2024.