Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

Bild:

<< vorherige Seite

nächste Seite >>

Allgemeine Naturgeschichte

Schönheit sich unwürdig gemacht hatte, mit Ueber-
schwemmungen zu züchtigen. Entweder ein Co-
met, dessen Anziehung die regelmäßige Bewegun-
gen seiner Theile in Verwirrung brachte, oder die
Verkühlung der Gegend seines Aufenthalts verei-
nigte dessen zerstreuete Dunsttheile, und stürzte sie,
in einem der allergrausamsten Wolkenbrüche, auf
den Erdboden nieder. Man weiß leichtlich, was
die Folge hievon war. Alle Welt gieng im Was-
ser unter, und sog noch über dieses, in denen frem-
den und flüchtigen Dünsten dieses unnatürlichen Re-
gens, denjenigen langsamen Gift ein, der alle Ge-
schöpfe dem Tode und der Zerstörung näher brachte.
Nunmehro war die Figur eines blassen und lichten
Bogens von dem Horizonte verschwunden, und
die neue Welt, welche sich dieses Anblicks niemals
erinnern konte, ohne ein Schrecken vor dieses
fürchterliche Werkzeug der göttlichen Rache zu em-
pfinden, sahe vielleicht mit nicht geringer Bestür-
zung in dem ersten Regen denjenigen farbigten Bo-
gen, der, seiner Figur nach, den erstern abzubil-
den schien, aber durch die Versicherung des versöhn-
ten Himmels, ein Gnadenzeichen und Denkmaal ei-
ner fortwährenden Erhaltung des nunmehro ver-
änderten Erdbodens, seyn solte. Die Aehnlichkeit
der Gestalt dieses Erinnerungszeichens mit der be-
zeichneten Begebenheit, könte eine solche Hypothese
denenjenigen anpreisen, die der herrschenden Nei-
gung ergeben sind, die Wunder der Offenbarung
mit den ordentlichen Naturgesetzen in ein System
zu bringen. Jch finde es vor rathsamer, den

flüch-

Allgemeine Naturgeſchichte

Schoͤnheit ſich unwuͤrdig gemacht hatte, mit Ueber-
ſchwemmungen zu zuͤchtigen. Entweder ein Co-
met, deſſen Anziehung die regelmaͤßige Bewegun-
gen ſeiner Theile in Verwirrung brachte, oder die
Verkuͤhlung der Gegend ſeines Aufenthalts verei-
nigte deſſen zerſtreuete Dunſttheile, und ſtuͤrzte ſie,
in einem der allergrauſamſten Wolkenbruͤche, auf
den Erdboden nieder. Man weiß leichtlich, was
die Folge hievon war. Alle Welt gieng im Waſ-
ſer unter, und ſog noch uͤber dieſes, in denen frem-
den und fluͤchtigen Duͤnſten dieſes unnatuͤrlichen Re-
gens, denjenigen langſamen Gift ein, der alle Ge-
ſchoͤpfe dem Tode und der Zerſtoͤrung naͤher brachte.
Nunmehro war die Figur eines blaſſen und lichten
Bogens von dem Horizonte verſchwunden, und
die neue Welt, welche ſich dieſes Anblicks niemals
erinnern konte, ohne ein Schrecken vor dieſes
fuͤrchterliche Werkzeug der goͤttlichen Rache zu em-
pfinden, ſahe vielleicht mit nicht geringer Beſtuͤr-
zung in dem erſten Regen denjenigen farbigten Bo-
gen, der, ſeiner Figur nach, den erſtern abzubil-
den ſchien, aber durch die Verſicherung des verſoͤhn-
ten Himmels, ein Gnadenzeichen und Denkmaal ei-
ner fortwaͤhrenden Erhaltung des nunmehro ver-
aͤnderten Erdbodens, ſeyn ſolte. Die Aehnlichkeit
der Geſtalt dieſes Erinnerungszeichens mit der be-
zeichneten Begebenheit, koͤnte eine ſolche Hypotheſe
denenjenigen anpreiſen, die der herrſchenden Nei-
gung ergeben ſind, die Wunder der Offenbarung
mit den ordentlichen Naturgeſetzen in ein Syſtem
zu bringen. Jch finde es vor rathſamer, den

fluͤch-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0164" n="96"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b">Allgemeine Naturge&#x017F;chichte</hi></fw><lb/>
Scho&#x0364;nheit &#x017F;ich unwu&#x0364;rdig gemacht hatte, mit Ueber-<lb/>
&#x017F;chwemmungen zu zu&#x0364;chtigen. Entweder ein Co-<lb/>
met, de&#x017F;&#x017F;en Anziehung die regelma&#x0364;ßige Bewegun-<lb/>
gen &#x017F;einer Theile in Verwirrung brachte, oder die<lb/>
Verku&#x0364;hlung der Gegend &#x017F;eines Aufenthalts verei-<lb/>
nigte de&#x017F;&#x017F;en zer&#x017F;treuete Dun&#x017F;ttheile, und &#x017F;tu&#x0364;rzte &#x017F;ie,<lb/>
in einem der allergrau&#x017F;am&#x017F;ten Wolkenbru&#x0364;che, auf<lb/>
den Erdboden nieder. Man weiß leichtlich, was<lb/>
die Folge hievon war. Alle Welt gieng im Wa&#x017F;-<lb/>
&#x017F;er unter, und &#x017F;og noch u&#x0364;ber die&#x017F;es, in denen frem-<lb/>
den und flu&#x0364;chtigen Du&#x0364;n&#x017F;ten die&#x017F;es unnatu&#x0364;rlichen Re-<lb/>
gens, denjenigen lang&#x017F;amen Gift ein, der alle Ge-<lb/>
&#x017F;cho&#x0364;pfe dem Tode und der Zer&#x017F;to&#x0364;rung na&#x0364;her brachte.<lb/>
Nunmehro war die Figur eines bla&#x017F;&#x017F;en und lichten<lb/>
Bogens von dem Horizonte ver&#x017F;chwunden, und<lb/>
die neue Welt, welche &#x017F;ich die&#x017F;es Anblicks niemals<lb/>
erinnern konte, ohne ein Schrecken vor die&#x017F;es<lb/>
fu&#x0364;rchterliche Werkzeug der go&#x0364;ttlichen Rache zu em-<lb/>
pfinden, &#x017F;ahe vielleicht mit nicht geringer Be&#x017F;tu&#x0364;r-<lb/>
zung in dem er&#x017F;ten Regen denjenigen farbigten Bo-<lb/>
gen, der, &#x017F;einer Figur nach, den er&#x017F;tern abzubil-<lb/>
den &#x017F;chien, aber durch die Ver&#x017F;icherung des ver&#x017F;o&#x0364;hn-<lb/>
ten Himmels, ein Gnadenzeichen und Denkmaal ei-<lb/>
ner fortwa&#x0364;hrenden Erhaltung des nunmehro ver-<lb/>
a&#x0364;nderten Erdbodens, &#x017F;eyn &#x017F;olte. Die Aehnlichkeit<lb/>
der Ge&#x017F;talt die&#x017F;es Erinnerungszeichens mit der be-<lb/>
zeichneten Begebenheit, ko&#x0364;nte eine &#x017F;olche Hypothe&#x017F;e<lb/>
denenjenigen anprei&#x017F;en, die der herr&#x017F;chenden Nei-<lb/>
gung ergeben &#x017F;ind, die Wunder der Offenbarung<lb/>
mit den ordentlichen Naturge&#x017F;etzen in ein Sy&#x017F;tem<lb/>
zu bringen. Jch finde es vor rath&#x017F;amer, den<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">flu&#x0364;ch-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>

[96/0164] Allgemeine Naturgeſchichte Schoͤnheit ſich unwuͤrdig gemacht hatte, mit Ueber- ſchwemmungen zu zuͤchtigen. Entweder ein Co- met, deſſen Anziehung die regelmaͤßige Bewegun- gen ſeiner Theile in Verwirrung brachte, oder die Verkuͤhlung der Gegend ſeines Aufenthalts verei- nigte deſſen zerſtreuete Dunſttheile, und ſtuͤrzte ſie, in einem der allergrauſamſten Wolkenbruͤche, auf den Erdboden nieder. Man weiß leichtlich, was die Folge hievon war. Alle Welt gieng im Waſ- ſer unter, und ſog noch uͤber dieſes, in denen frem- den und fluͤchtigen Duͤnſten dieſes unnatuͤrlichen Re- gens, denjenigen langſamen Gift ein, der alle Ge- ſchoͤpfe dem Tode und der Zerſtoͤrung naͤher brachte. Nunmehro war die Figur eines blaſſen und lichten Bogens von dem Horizonte verſchwunden, und die neue Welt, welche ſich dieſes Anblicks niemals erinnern konte, ohne ein Schrecken vor dieſes fuͤrchterliche Werkzeug der goͤttlichen Rache zu em- pfinden, ſahe vielleicht mit nicht geringer Beſtuͤr- zung in dem erſten Regen denjenigen farbigten Bo- gen, der, ſeiner Figur nach, den erſtern abzubil- den ſchien, aber durch die Verſicherung des verſoͤhn- ten Himmels, ein Gnadenzeichen und Denkmaal ei- ner fortwaͤhrenden Erhaltung des nunmehro ver- aͤnderten Erdbodens, ſeyn ſolte. Die Aehnlichkeit der Geſtalt dieſes Erinnerungszeichens mit der be- zeichneten Begebenheit, koͤnte eine ſolche Hypotheſe denenjenigen anpreiſen, die der herrſchenden Nei- gung ergeben ſind, die Wunder der Offenbarung mit den ordentlichen Naturgeſetzen in ein Syſtem zu bringen. Jch finde es vor rathſamer, den fluͤch-

Suche im Werk

Informationen zum Werk

Titeldaten
Verfügbarkeit Text (TEI-XML-, HTML-, TCF-, E-Book-Fassung): CC BY-SA 4.0.
Nutzungsbedingungen

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ^?

Language Resource Switchboard^?

Resource/URL übermitteln

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.

Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk:	https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755
URL zu dieser Seite:	https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/164
Zitationshilfe:	Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/164>, abgerufen am 22.11.2024.

Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer Creative-Commons-Lizenz. Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken. Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.

Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.

2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften. Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de.

Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.