Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755.

Bild:
<< vorherige Seite
und Theorie des Himmels.

Nach diesen Gründen müsten die Durchmesser
des Saturns noch in grösserem Verhältnisse, als
das von 20 zu 32 ist, gegen einander seyn; sie
müsten der Proportion von 1 zu 2 beynahe gleich
kommen. Ein Unterscheid, der so groß ist, daß
die geringste Aufmerksamkeit ihn nicht fehlen wür-
de, so klein auch Saturn durch die Ferngläser er-
scheinen mag. Allein hieraus ist nur zu ersehen,
daß die Voraussetzung der gleichförmigen Dichtig-
keit, welche bey dem Erdkörper ziemlich richtig an-
gebracht zu seyn scheinet, beym Saturn gar zu weit
von der Warheit abweiche; welches schon an sich
selber bey einem Planeten wahrscheinlich ist, des-
sen Klumpen dem grossesten Theile, seines Jnhaltes
nach, aus den leichtesten Materien bestehet, und
denen von schwererer Art in seinem Zusammensatze,
bevor er den Zustand der Festigkeit bekommt, die
Niedersinkung zum Mittelpunkte, nach Beschaf-
fenheit ihrer Schweere, weit freyer verstattet, als
diejenige Himmelskörper, deren viel dichterer
Stoff den Niedersatz der Materien verzögert, und
sie, ehe diese Niedersinkung geschehen kan, fest wer-
den läßt. Jndem wir also beym Saturn voraus-
setzen, daß die Dichtigkeit seiner Materien, in sei-
nem Jnnern, mit der Annäherung zum Mittel-
punkte zunehme, so nimmt die Schweere nicht
mehr in diesem Verhältnisse ab; sondern die wach-
sende Dichtigkeit ersetzt den Mangel der Theile, die
über die Höhe des in dem Planeten befindlichen
Punkts gesetzt seyn, und durch ihre Anziehung zu

des-
F 2
und Theorie des Himmels.

Nach dieſen Gruͤnden muͤſten die Durchmeſſer
des Saturns noch in groͤſſerem Verhaͤltniſſe, als
das von 20 zu 32 iſt, gegen einander ſeyn; ſie
muͤſten der Proportion von 1 zu 2 beynahe gleich
kommen. Ein Unterſcheid, der ſo groß iſt, daß
die geringſte Aufmerkſamkeit ihn nicht fehlen wuͤr-
de, ſo klein auch Saturn durch die Fernglaͤſer er-
ſcheinen mag. Allein hieraus iſt nur zu erſehen,
daß die Vorausſetzung der gleichfoͤrmigen Dichtig-
keit, welche bey dem Erdkoͤrper ziemlich richtig an-
gebracht zu ſeyn ſcheinet, beym Saturn gar zu weit
von der Warheit abweiche; welches ſchon an ſich
ſelber bey einem Planeten wahrſcheinlich iſt, deſ-
ſen Klumpen dem groſſeſten Theile, ſeines Jnhaltes
nach, aus den leichteſten Materien beſtehet, und
denen von ſchwererer Art in ſeinem Zuſammenſatze,
bevor er den Zuſtand der Feſtigkeit bekommt, die
Niederſinkung zum Mittelpunkte, nach Beſchaf-
fenheit ihrer Schweere, weit freyer verſtattet, als
diejenige Himmelskoͤrper, deren viel dichterer
Stoff den Niederſatz der Materien verzoͤgert, und
ſie, ehe dieſe Niederſinkung geſchehen kan, feſt wer-
den laͤßt. Jndem wir alſo beym Saturn voraus-
ſetzen, daß die Dichtigkeit ſeiner Materien, in ſei-
nem Jnnern, mit der Annaͤherung zum Mittel-
punkte zunehme, ſo nimmt die Schweere nicht
mehr in dieſem Verhaͤltniſſe ab; ſondern die wach-
ſende Dichtigkeit erſetzt den Mangel der Theile, die
uͤber die Hoͤhe des in dem Planeten befindlichen
Punkts geſetzt ſeyn, und durch ihre Anziehung zu

deſ-
F 2
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0151" n="83"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b">und Theorie des Himmels.</hi> </fw><lb/>
          <p>Nach die&#x017F;en Gru&#x0364;nden mu&#x0364;&#x017F;ten die Durchme&#x017F;&#x017F;er<lb/>
des Saturns noch in gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;erem Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e, als<lb/>
das von 20 zu 32 i&#x017F;t, gegen einander &#x017F;eyn; &#x017F;ie<lb/>
mu&#x0364;&#x017F;ten der Proportion von 1 zu 2 beynahe gleich<lb/>
kommen. Ein Unter&#x017F;cheid, der &#x017F;o groß i&#x017F;t, daß<lb/>
die gering&#x017F;te Aufmerk&#x017F;amkeit ihn nicht fehlen wu&#x0364;r-<lb/>
de, &#x017F;o klein auch Saturn durch die Ferngla&#x0364;&#x017F;er er-<lb/>
&#x017F;cheinen mag. Allein hieraus i&#x017F;t nur zu er&#x017F;ehen,<lb/>
daß die Voraus&#x017F;etzung der gleichfo&#x0364;rmigen Dichtig-<lb/>
keit, welche bey dem Erdko&#x0364;rper ziemlich richtig an-<lb/>
gebracht zu &#x017F;eyn &#x017F;cheinet, beym Saturn gar zu weit<lb/>
von der Warheit abweiche; welches &#x017F;chon an &#x017F;ich<lb/>
&#x017F;elber bey einem Planeten wahr&#x017F;cheinlich i&#x017F;t, de&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en Klumpen dem gro&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten Theile, &#x017F;eines Jnhaltes<lb/>
nach, aus den leichte&#x017F;ten Materien be&#x017F;tehet, und<lb/>
denen von &#x017F;chwererer Art in &#x017F;einem Zu&#x017F;ammen&#x017F;atze,<lb/>
bevor er den Zu&#x017F;tand der Fe&#x017F;tigkeit bekommt, die<lb/>
Nieder&#x017F;inkung zum Mittelpunkte, nach Be&#x017F;chaf-<lb/>
fenheit ihrer Schweere, weit freyer ver&#x017F;tattet, als<lb/>
diejenige Himmelsko&#x0364;rper, deren viel dichterer<lb/>
Stoff den Nieder&#x017F;atz der Materien verzo&#x0364;gert, und<lb/>
&#x017F;ie, ehe die&#x017F;e Nieder&#x017F;inkung ge&#x017F;chehen kan, fe&#x017F;t wer-<lb/>
den la&#x0364;ßt. Jndem wir al&#x017F;o beym Saturn voraus-<lb/>
&#x017F;etzen, daß die Dichtigkeit &#x017F;einer Materien, in &#x017F;ei-<lb/>
nem Jnnern, mit der Anna&#x0364;herung zum Mittel-<lb/>
punkte zunehme, &#x017F;o nimmt die Schweere nicht<lb/>
mehr in die&#x017F;em Verha&#x0364;ltni&#x017F;&#x017F;e ab; &#x017F;ondern die wach-<lb/>
&#x017F;ende Dichtigkeit er&#x017F;etzt den Mangel der Theile, die<lb/>
u&#x0364;ber die Ho&#x0364;he des in dem Planeten befindlichen<lb/>
Punkts ge&#x017F;etzt &#x017F;eyn, und durch ihre Anziehung zu<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">F 2</fw><fw place="bottom" type="catch">de&#x017F;-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[83/0151] und Theorie des Himmels. Nach dieſen Gruͤnden muͤſten die Durchmeſſer des Saturns noch in groͤſſerem Verhaͤltniſſe, als das von 20 zu 32 iſt, gegen einander ſeyn; ſie muͤſten der Proportion von 1 zu 2 beynahe gleich kommen. Ein Unterſcheid, der ſo groß iſt, daß die geringſte Aufmerkſamkeit ihn nicht fehlen wuͤr- de, ſo klein auch Saturn durch die Fernglaͤſer er- ſcheinen mag. Allein hieraus iſt nur zu erſehen, daß die Vorausſetzung der gleichfoͤrmigen Dichtig- keit, welche bey dem Erdkoͤrper ziemlich richtig an- gebracht zu ſeyn ſcheinet, beym Saturn gar zu weit von der Warheit abweiche; welches ſchon an ſich ſelber bey einem Planeten wahrſcheinlich iſt, deſ- ſen Klumpen dem groſſeſten Theile, ſeines Jnhaltes nach, aus den leichteſten Materien beſtehet, und denen von ſchwererer Art in ſeinem Zuſammenſatze, bevor er den Zuſtand der Feſtigkeit bekommt, die Niederſinkung zum Mittelpunkte, nach Beſchaf- fenheit ihrer Schweere, weit freyer verſtattet, als diejenige Himmelskoͤrper, deren viel dichterer Stoff den Niederſatz der Materien verzoͤgert, und ſie, ehe dieſe Niederſinkung geſchehen kan, feſt wer- den laͤßt. Jndem wir alſo beym Saturn voraus- ſetzen, daß die Dichtigkeit ſeiner Materien, in ſei- nem Jnnern, mit der Annaͤherung zum Mittel- punkte zunehme, ſo nimmt die Schweere nicht mehr in dieſem Verhaͤltniſſe ab; ſondern die wach- ſende Dichtigkeit erſetzt den Mangel der Theile, die uͤber die Hoͤhe des in dem Planeten befindlichen Punkts geſetzt ſeyn, und durch ihre Anziehung zu deſ- F 2

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/151
Zitationshilfe: Kant, Immanuel: Allgemeine Naturgeschichte und Theorie des Himmels. Königsberg u. a., 1755, S. 83. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kant_naturgeschichte_1755/151>, abgerufen am 24.11.2024.