Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.völlig eingerichtetes Wohnzimmer bildete. Die Frau bemerkte sein Staunen und sagte: "Ja, wir haben hier freie Wohnung, müssen aber an Sitzungstagen das Zimmer ausräumen. Die Stellung meines Mannes hat manche Nachteile." "Ich staune nicht so sehr über das Zimmer," sagte K. und blickte sie böse an, "als vielmehr darüber, daß Sie verheiratet sind." "Spielen Sie vielleicht auf den Vorfall in der letzten Sitzung an, durch den ich Ihre Rede störte," fragte die Frau. "Natürlich," sagte K., "heute ist es ja schon vorüber und fast vergessen, aber damals hat es mich geradezu wütend gemacht. Und nun sagen Sie selbst, daß Sie eine verheiratete Frau sind." "Es war nicht zu Ihrem Nachteil, daß ihre Rede abgebrochen wurde. Man hat nachher noch sehr ungünstig über sie geurteilt." "Mag sein," sagte K. ablenkend, "aber Sie entschuldigt das nicht." "Ich bin vor allen entschuldigt, die mich kennen," sagte die Frau, "der, welcher mich damals umarmt hat, verfolgt mich schon seit langem. Ich mag im allgemeinen nicht verlockend sein, für ihn bin ich es aber. Es gibt hierfür keinen Schutz, auch mein Mann hat sich schon damit abgefunden; will er seine Stellung behalten, völlig eingerichtetes Wohnzimmer bildete. Die Frau bemerkte sein Staunen und sagte: „Ja, wir haben hier freie Wohnung, müssen aber an Sitzungstagen das Zimmer ausräumen. Die Stellung meines Mannes hat manche Nachteile.“ „Ich staune nicht so sehr über das Zimmer,“ sagte K. und blickte sie böse an, „als vielmehr darüber, daß Sie verheiratet sind.“ „Spielen Sie vielleicht auf den Vorfall in der letzten Sitzung an, durch den ich Ihre Rede störte,“ fragte die Frau. „Natürlich,“ sagte K., „heute ist es ja schon vorüber und fast vergessen, aber damals hat es mich geradezu wütend gemacht. Und nun sagen Sie selbst, daß Sie eine verheiratete Frau sind.“ „Es war nicht zu Ihrem Nachteil, daß ihre Rede abgebrochen wurde. Man hat nachher noch sehr ungünstig über sie geurteilt.“ „Mag sein,“ sagte K. ablenkend, „aber Sie entschuldigt das nicht.“ „Ich bin vor allen entschuldigt, die mich kennen,“ sagte die Frau, „der, welcher mich damals umarmt hat, verfolgt mich schon seit langem. Ich mag im allgemeinen nicht verlockend sein, für ihn bin ich es aber. Es gibt hierfür keinen Schutz, auch mein Mann hat sich schon damit abgefunden; will er seine Stellung behalten, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0088" n="86"/> völlig eingerichtetes Wohnzimmer bildete. Die Frau bemerkte sein Staunen und sagte: „Ja, wir haben hier freie Wohnung, müssen aber an Sitzungstagen das Zimmer ausräumen. Die Stellung meines Mannes hat manche Nachteile.“ „Ich staune nicht so sehr über das Zimmer,“ sagte K. und blickte sie böse an, „als vielmehr darüber, daß Sie verheiratet sind.“ „Spielen Sie vielleicht auf den Vorfall in der letzten Sitzung an, durch den ich Ihre Rede störte,“ fragte die Frau. „Natürlich,“ sagte K., „heute ist es ja schon vorüber und fast vergessen, aber damals hat es mich geradezu wütend gemacht. Und nun sagen Sie selbst, daß Sie eine verheiratete Frau sind.“ „Es war nicht zu Ihrem Nachteil, daß ihre Rede abgebrochen wurde. Man hat nachher noch sehr ungünstig über sie geurteilt.“ „Mag sein,“ sagte K. ablenkend, „aber Sie entschuldigt das nicht.“ „Ich bin vor allen entschuldigt, die mich kennen,“ sagte die Frau, „der, welcher mich damals umarmt hat, verfolgt mich schon seit langem. Ich mag im allgemeinen nicht verlockend sein, für ihn bin ich es aber. Es gibt hierfür keinen Schutz, auch mein Mann hat sich schon damit abgefunden; will er seine Stellung behalten, </p> </div> </body> </text> </TEI> [86/0088]
völlig eingerichtetes Wohnzimmer bildete. Die Frau bemerkte sein Staunen und sagte: „Ja, wir haben hier freie Wohnung, müssen aber an Sitzungstagen das Zimmer ausräumen. Die Stellung meines Mannes hat manche Nachteile.“ „Ich staune nicht so sehr über das Zimmer,“ sagte K. und blickte sie böse an, „als vielmehr darüber, daß Sie verheiratet sind.“ „Spielen Sie vielleicht auf den Vorfall in der letzten Sitzung an, durch den ich Ihre Rede störte,“ fragte die Frau. „Natürlich,“ sagte K., „heute ist es ja schon vorüber und fast vergessen, aber damals hat es mich geradezu wütend gemacht. Und nun sagen Sie selbst, daß Sie eine verheiratete Frau sind.“ „Es war nicht zu Ihrem Nachteil, daß ihre Rede abgebrochen wurde. Man hat nachher noch sehr ungünstig über sie geurteilt.“ „Mag sein,“ sagte K. ablenkend, „aber Sie entschuldigt das nicht.“ „Ich bin vor allen entschuldigt, die mich kennen,“ sagte die Frau, „der, welcher mich damals umarmt hat, verfolgt mich schon seit langem. Ich mag im allgemeinen nicht verlockend sein, für ihn bin ich es aber. Es gibt hierfür keinen Schutz, auch mein Mann hat sich schon damit abgefunden; will er seine Stellung behalten,
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