Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

Bild:
<< vorherige Seite

bitten." "Mein Zimmer?" fragte Fräulein Bürstner, und sah statt des Zimmers K. prüfend an. "Es ist so," sagte K., und nun sahen einander beide zum erstenmal in die Augen, "die Art und Weise, in der es geschah, ist an sich keines Wortes wert." "Aber doch das eigentlich Interessante," sagte Fräulein Bürstner. "Nein," sagte K. "Nun," sagte Fräulein Bürstner, "ich will mich nicht in Geheimnisse eindrängen, bestehen Sie darauf, daß es uninteressant ist, so will ich auch nichts dagegen einwenden. Die Entschuldigung, um die Sie bitten, gebe ich Ihnen hiermit gern, besonders da ich keine Spur einer Unordnung finden kann." Sie machte, die flachen Hände tief an die Hüften gelegt, einen Rundgang durch das Zimmer. Bei der Matte mit den Photographien blieb sie stehen. "Sehen Sie doch," rief sie, "meine Photographien sind wirklich durcheinandergeworfen. Das ist aber häßlich. Es ist also jemand unberechtigterweise in meinem Zimmer gewesen." K. nickte und verfluchte im stillen den Beamten Kaminer, der seine öde sinnlose Lebhaftigkeit niemals zähmen konnte. "Es ist sonderbar," sagte Fräulein Bürstner, "daß ich gezwungen bin, Ihnen etwas

bitten.“ „Mein Zimmer?“ fragte Fräulein Bürstner, und sah statt des Zimmers K. prüfend an. „Es ist so,“ sagte K., und nun sahen einander beide zum erstenmal in die Augen, „die Art und Weise, in der es geschah, ist an sich keines Wortes wert.“ „Aber doch das eigentlich Interessante,“ sagte Fräulein Bürstner. „Nein,“ sagte K. „Nun,“ sagte Fräulein Bürstner, „ich will mich nicht in Geheimnisse eindrängen, bestehen Sie darauf, daß es uninteressant ist, so will ich auch nichts dagegen einwenden. Die Entschuldigung, um die Sie bitten, gebe ich Ihnen hiermit gern, besonders da ich keine Spur einer Unordnung finden kann.“ Sie machte, die flachen Hände tief an die Hüften gelegt, einen Rundgang durch das Zimmer. Bei der Matte mit den Photographien blieb sie stehen. „Sehen Sie doch,“ rief sie, „meine Photographien sind wirklich durcheinandergeworfen. Das ist aber häßlich. Es ist also jemand unberechtigterweise in meinem Zimmer gewesen.“ K. nickte und verfluchte im stillen den Beamten Kaminer, der seine öde sinnlose Lebhaftigkeit niemals zähmen konnte. „Es ist sonderbar,“ sagte Fräulein Bürstner, „daß ich gezwungen bin, Ihnen etwas

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0045" n="43"/>
bitten.&#x201C; &#x201E;Mein Zimmer?&#x201C; fragte Fräulein Bürstner, und sah statt des Zimmers K. prüfend an. &#x201E;Es ist so,&#x201C; sagte K., und nun sahen einander beide zum erstenmal in die Augen, &#x201E;die Art und Weise, in der es geschah, ist an sich keines Wortes wert.&#x201C; &#x201E;Aber doch das eigentlich Interessante,&#x201C; sagte Fräulein Bürstner. &#x201E;Nein,&#x201C; sagte K. &#x201E;Nun,&#x201C; sagte Fräulein Bürstner, &#x201E;ich will mich nicht in Geheimnisse eindrängen, bestehen Sie darauf, daß es uninteressant ist, so will ich auch nichts dagegen einwenden. Die Entschuldigung, um die Sie bitten, gebe ich Ihnen hiermit gern, besonders da ich keine Spur einer Unordnung finden kann.&#x201C; Sie machte, die flachen Hände tief an die Hüften gelegt, einen Rundgang durch das Zimmer. Bei der Matte mit den Photographien blieb sie stehen. &#x201E;Sehen Sie doch,&#x201C; rief sie, &#x201E;meine Photographien sind wirklich durcheinandergeworfen. Das ist aber häßlich. Es ist also jemand unberechtigterweise in meinem Zimmer gewesen.&#x201C; K. nickte und verfluchte im stillen den Beamten Kaminer, der seine öde sinnlose Lebhaftigkeit niemals zähmen konnte. &#x201E;Es ist sonderbar,&#x201C; sagte Fräulein Bürstner, &#x201E;daß ich gezwungen bin, Ihnen etwas
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[43/0045] bitten.“ „Mein Zimmer?“ fragte Fräulein Bürstner, und sah statt des Zimmers K. prüfend an. „Es ist so,“ sagte K., und nun sahen einander beide zum erstenmal in die Augen, „die Art und Weise, in der es geschah, ist an sich keines Wortes wert.“ „Aber doch das eigentlich Interessante,“ sagte Fräulein Bürstner. „Nein,“ sagte K. „Nun,“ sagte Fräulein Bürstner, „ich will mich nicht in Geheimnisse eindrängen, bestehen Sie darauf, daß es uninteressant ist, so will ich auch nichts dagegen einwenden. Die Entschuldigung, um die Sie bitten, gebe ich Ihnen hiermit gern, besonders da ich keine Spur einer Unordnung finden kann.“ Sie machte, die flachen Hände tief an die Hüften gelegt, einen Rundgang durch das Zimmer. Bei der Matte mit den Photographien blieb sie stehen. „Sehen Sie doch,“ rief sie, „meine Photographien sind wirklich durcheinandergeworfen. Das ist aber häßlich. Es ist also jemand unberechtigterweise in meinem Zimmer gewesen.“ K. nickte und verfluchte im stillen den Beamten Kaminer, der seine öde sinnlose Lebhaftigkeit niemals zähmen konnte. „Es ist sonderbar,“ sagte Fräulein Bürstner, „daß ich gezwungen bin, Ihnen etwas

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-28T19:24:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat (2012-11-28T19:24:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Trennungen am Zeilen- und am Seitenende werden aufgelöst, der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/45
Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 43. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/45>, abgerufen am 24.11.2024.