Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.Leute, mit denen er zum erstenmal zusammenkam; wie schön war es, sich zuerst vorzustellen und dann erst gekannt zu werden. "Du bist angeklagt," sagte der Geistliche besonders leise. "Ja," sagte K., "man hat mich davon verständigt." "Dann bist du der, den ich suche," sagte der Geistliche. "Ich bin der Gefängniskaplan." "Ach so," sagte K. "Ich habe dich hierher rufen lassen," sagte der Geistliche, "um mit dir zu sprechen." "Ich wußte es nicht," sagte K. "Ich bin hierhergekommen, um einem Italiener den Dom zu zeigen." "Laß das Nebensächliche," sagte der Geistliche. "Was hältst du in der Hand? Ist es ein Gebetbuch?" "Nein," antwortete K., "es ist ein Album der städtischen Sehenswürdigkeiten." "Leg es aus der Hand," sagte der Geistliche. K. warf es so heftig weg, daß es aufklappte und mit zerdrückten Blättern ein Stück über den Boden schleifte. "Weißt du, daß dein Prozeß schlecht steht?" fragte der Geistliche. "Es scheint mir auch so," sagte K. "Ich habe mir alle Mühe gegeben, bisher aber ohne Erfolg. Allerdings habe ich die Eingabe noch nicht fertig." "Wie stellst du dir das Ende vor," fragte der Geistliche. "Früher dachte ich, Leute, mit denen er zum erstenmal zusammenkam; wie schön war es, sich zuerst vorzustellen und dann erst gekannt zu werden. „Du bist angeklagt,“ sagte der Geistliche besonders leise. „Ja,“ sagte K., „man hat mich davon verständigt.“ „Dann bist du der, den ich suche,“ sagte der Geistliche. „Ich bin der Gefängniskaplan.“ „Ach so,“ sagte K. „Ich habe dich hierher rufen lassen,“ sagte der Geistliche, „um mit dir zu sprechen.“ „Ich wußte es nicht,“ sagte K. „Ich bin hierhergekommen, um einem Italiener den Dom zu zeigen.“ „Laß das Nebensächliche,“ sagte der Geistliche. „Was hältst du in der Hand? Ist es ein Gebetbuch?“ „Nein,“ antwortete K., „es ist ein Album der städtischen Sehenswürdigkeiten.“ „Leg es aus der Hand,“ sagte der Geistliche. K. warf es so heftig weg, daß es aufklappte und mit zerdrückten Blättern ein Stück über den Boden schleifte. „Weißt du, daß dein Prozeß schlecht steht?“ fragte der Geistliche. „Es scheint mir auch so,“ sagte K. „Ich habe mir alle Mühe gegeben, bisher aber ohne Erfolg. Allerdings habe ich die Eingabe noch nicht fertig.“ „Wie stellst du dir das Ende vor,“ fragte der Geistliche. „Früher dachte ich, <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0372" n="370"/> Leute, mit denen er zum erstenmal zusammenkam; wie schön war es, sich zuerst vorzustellen und dann erst gekannt zu werden. „Du bist angeklagt,“ sagte der Geistliche besonders leise. „Ja,“ sagte K., „man hat mich davon verständigt.“ „Dann bist du der, den ich suche,“ sagte der Geistliche. „Ich bin der Gefängniskaplan.“ „Ach so,“ sagte K. „Ich habe dich hierher rufen lassen,“ sagte der Geistliche, „um mit dir zu sprechen.“ „Ich wußte es nicht,“ sagte K. „Ich bin hierhergekommen, um einem Italiener den Dom zu zeigen.“ „Laß das Nebensächliche,“ sagte der Geistliche. „Was hältst du in der Hand? Ist es ein Gebetbuch?“ „Nein,“ antwortete K., „es ist ein Album der städtischen Sehenswürdigkeiten.“ „Leg es aus der Hand,“ sagte der Geistliche. K. warf es so heftig weg, daß es aufklappte und mit zerdrückten Blättern ein Stück über den Boden schleifte. „Weißt du, daß dein Prozeß schlecht steht?“ fragte der Geistliche. „Es scheint mir auch so,“ sagte K. „Ich habe mir alle Mühe gegeben, bisher aber ohne Erfolg. Allerdings habe ich die Eingabe noch nicht fertig.“ „Wie stellst du dir das Ende vor,“ fragte der Geistliche. „Früher dachte ich, </p> </div> </body> </text> </TEI> [370/0372]
Leute, mit denen er zum erstenmal zusammenkam; wie schön war es, sich zuerst vorzustellen und dann erst gekannt zu werden. „Du bist angeklagt,“ sagte der Geistliche besonders leise. „Ja,“ sagte K., „man hat mich davon verständigt.“ „Dann bist du der, den ich suche,“ sagte der Geistliche. „Ich bin der Gefängniskaplan.“ „Ach so,“ sagte K. „Ich habe dich hierher rufen lassen,“ sagte der Geistliche, „um mit dir zu sprechen.“ „Ich wußte es nicht,“ sagte K. „Ich bin hierhergekommen, um einem Italiener den Dom zu zeigen.“ „Laß das Nebensächliche,“ sagte der Geistliche. „Was hältst du in der Hand? Ist es ein Gebetbuch?“ „Nein,“ antwortete K., „es ist ein Album der städtischen Sehenswürdigkeiten.“ „Leg es aus der Hand,“ sagte der Geistliche. K. warf es so heftig weg, daß es aufklappte und mit zerdrückten Blättern ein Stück über den Boden schleifte. „Weißt du, daß dein Prozeß schlecht steht?“ fragte der Geistliche. „Es scheint mir auch so,“ sagte K. „Ich habe mir alle Mühe gegeben, bisher aber ohne Erfolg. Allerdings habe ich die Eingabe noch nicht fertig.“ „Wie stellst du dir das Ende vor,“ fragte der Geistliche. „Früher dachte ich,
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