Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.K.s Kenntnis des Italienischen war zwar nicht sehr groß, aber immerhin genügend; das Entscheidende aber war, daß K. aus früherer Zeit einige künstlerische Kenntnisse besaß, was in äußerst übertriebener Weise dadurch in der Bank bekannt geworden war, daß K. eine Zeit lang übrigens auch nur aus geschäftlichen Gründen Mitglied des Vereins zur Erhaltung der städtischen Kunstdenkmäler gewesen war. Nun war aber der Italiener, wie man gerüchteweise erfahren hatte, ein Kunstliebhaber und die Wahl K.s zu seinem Begleiter war daher selbstverständlich. Es war ein sehr regnerischer stürmischer Morgen, als K. voll Ärger über den Tag, der ihm bevorstand, schon um 7 Uhr ins Bureau kam, um wenigstens einige Arbeit noch fertigzubringen, ehe der Besuch ihn allem entziehen würde. Er war sehr müde, denn er hatte die halbe Nacht mit dem Studium einer italienischen Grammatik verbracht, um sich ein wenig vorzubereiten, das Fenster, an dem er in der letzten Zeit viel zu oft zu sitzen pflegte, lockte ihn mehr als der Schreibtisch, aber er widerstand und setzte sich zur Arbeit. Leider trat gerade der Diener ein und meldete, der Herr K.s Kenntnis des Italienischen war zwar nicht sehr groß, aber immerhin genügend; das Entscheidende aber war, daß K. aus früherer Zeit einige künstlerische Kenntnisse besaß, was in äußerst übertriebener Weise dadurch in der Bank bekannt geworden war, daß K. eine Zeit lang übrigens auch nur aus geschäftlichen Gründen Mitglied des Vereins zur Erhaltung der städtischen Kunstdenkmäler gewesen war. Nun war aber der Italiener, wie man gerüchteweise erfahren hatte, ein Kunstliebhaber und die Wahl K.s zu seinem Begleiter war daher selbstverständlich. Es war ein sehr regnerischer stürmischer Morgen, als K. voll Ärger über den Tag, der ihm bevorstand, schon um 7 Uhr ins Bureau kam, um wenigstens einige Arbeit noch fertigzubringen, ehe der Besuch ihn allem entziehen würde. Er war sehr müde, denn er hatte die halbe Nacht mit dem Studium einer italienischen Grammatik verbracht, um sich ein wenig vorzubereiten, das Fenster, an dem er in der letzten Zeit viel zu oft zu sitzen pflegte, lockte ihn mehr als der Schreibtisch, aber er widerstand und setzte sich zur Arbeit. Leider trat gerade der Diener ein und meldete, der Herr <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0352" n="350"/> K.s Kenntnis des Italienischen war zwar nicht sehr groß, aber immerhin genügend; das Entscheidende aber war, daß K. aus früherer Zeit einige künstlerische Kenntnisse besaß, was in äußerst übertriebener Weise dadurch in der Bank bekannt geworden war, daß K. eine Zeit lang übrigens auch nur aus geschäftlichen Gründen Mitglied des Vereins zur Erhaltung der städtischen Kunstdenkmäler gewesen war. Nun war aber der Italiener, wie man gerüchteweise erfahren hatte, ein Kunstliebhaber und die Wahl K.s zu seinem Begleiter war daher selbstverständlich.</p> <p>Es war ein sehr regnerischer stürmischer Morgen, als K. voll Ärger über den Tag, der ihm bevorstand, schon um 7 Uhr ins Bureau kam, um wenigstens einige Arbeit noch fertigzubringen, ehe der Besuch ihn allem entziehen würde. Er war sehr müde, denn er hatte die halbe Nacht mit dem Studium einer italienischen Grammatik verbracht, um sich ein wenig vorzubereiten, das Fenster, an dem er in der letzten Zeit viel zu oft zu sitzen pflegte, lockte ihn mehr als der Schreibtisch, aber er widerstand und setzte sich zur Arbeit. Leider trat gerade der Diener ein und meldete, der Herr </p> </div> </body> </text> </TEI> [350/0352]
K.s Kenntnis des Italienischen war zwar nicht sehr groß, aber immerhin genügend; das Entscheidende aber war, daß K. aus früherer Zeit einige künstlerische Kenntnisse besaß, was in äußerst übertriebener Weise dadurch in der Bank bekannt geworden war, daß K. eine Zeit lang übrigens auch nur aus geschäftlichen Gründen Mitglied des Vereins zur Erhaltung der städtischen Kunstdenkmäler gewesen war. Nun war aber der Italiener, wie man gerüchteweise erfahren hatte, ein Kunstliebhaber und die Wahl K.s zu seinem Begleiter war daher selbstverständlich.
Es war ein sehr regnerischer stürmischer Morgen, als K. voll Ärger über den Tag, der ihm bevorstand, schon um 7 Uhr ins Bureau kam, um wenigstens einige Arbeit noch fertigzubringen, ehe der Besuch ihn allem entziehen würde. Er war sehr müde, denn er hatte die halbe Nacht mit dem Studium einer italienischen Grammatik verbracht, um sich ein wenig vorzubereiten, das Fenster, an dem er in der letzten Zeit viel zu oft zu sitzen pflegte, lockte ihn mehr als der Schreibtisch, aber er widerstand und setzte sich zur Arbeit. Leider trat gerade der Diener ein und meldete, der Herr
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