K. bekam den Auftrag, einem italienischen Geschäftsfreund der Bank, der für sie sehr wichtig war und sich zum erstenmal in dieser Stadt aufhielt, einige Kunstdenkmäler zu zeigen. Es war ein Auftrag, den er zu anderer Zeit gewiß für ehrend gehalten hätte, den er aber jetzt, da er nur mit großer Anstrengung sein Ansehn in der Bank noch wahren konnte, widerwillig übernahm. Jede Stunde, die er dem Bureau entzogen wurde, machte ihm Kummer; er konnte zwar die Bureauzeit bei weitem nicht mehr so ausnutzen wie früher, er brachte manche Stunden nur unter dem notdürftigsten Anschein wirklicher Arbeit hin, aber desto größer waren seine Sorgen, wenn er nicht im Bureau war. Er glaubte dann zu sehn, wie der Direktor-Stellvertreter, der ja immer auf der Lauer gewesen war, von Zeit zu Zeit in sein Bureau kam,
NEUNTES KAPITEL
IM DOM
K. bekam den Auftrag, einem italienischen Geschäftsfreund der Bank, der für sie sehr wichtig war und sich zum erstenmal in dieser Stadt aufhielt, einige Kunstdenkmäler zu zeigen. Es war ein Auftrag, den er zu anderer Zeit gewiß für ehrend gehalten hätte, den er aber jetzt, da er nur mit großer Anstrengung sein Ansehn in der Bank noch wahren konnte, widerwillig übernahm. Jede Stunde, die er dem Bureau entzogen wurde, machte ihm Kummer; er konnte zwar die Bureauzeit bei weitem nicht mehr so ausnutzen wie früher, er brachte manche Stunden nur unter dem notdürftigsten Anschein wirklicher Arbeit hin, aber desto größer waren seine Sorgen, wenn er nicht im Bureau war. Er glaubte dann zu sehn, wie der Direktor-Stellvertreter, der ja immer auf der Lauer gewesen war, von Zeit zu Zeit in sein Bureau kam,
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NEUNTES KAPITEL
IM DOM
K. bekam den Auftrag, einem italienischen Geschäftsfreund der Bank, der für sie sehr wichtig war und sich zum erstenmal in dieser Stadt aufhielt, einige Kunstdenkmäler zu zeigen. Es war ein Auftrag, den er zu anderer Zeit gewiß für ehrend gehalten hätte, den er aber jetzt, da er nur mit großer Anstrengung sein Ansehn in der Bank noch wahren konnte, widerwillig übernahm. Jede Stunde, die er dem Bureau entzogen wurde, machte ihm Kummer; er konnte zwar die Bureauzeit bei weitem nicht mehr so ausnutzen wie früher, er brachte manche Stunden nur unter dem notdürftigsten Anschein wirklicher Arbeit hin, aber desto größer waren seine Sorgen, wenn er nicht im Bureau war. Er glaubte dann zu sehn, wie der Direktor-Stellvertreter, der ja immer auf der Lauer gewesen war, von Zeit zu Zeit in sein Bureau kam,
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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 347. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/349>, abgerufen am 22.02.2025.
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