Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

Bild:
<< vorherige Seite

fragte Leni. "Wie ist das möglich?" Block sah sie mit einem so gespannten Blick an, als traue er ihr die Fähigkeit zu, jetzt noch die längst ausgesprochenen Worte des Richters zu seinen Gunsten zu wenden. "Nicht günstig," sagte der Advokat. "Er war sogar unangenehm berührt, als ich von Block zu sprechen anfing. Reden Sie nicht von Block, sagte er. Er ist mein Klient, sagte ich. Sie lassen sich mißbrauchen, sagte er. Ich halte seine Sache nicht für verloren, sagte ich. Sie lassen sich mißbrauchen, wiederholte er. Ich glaube es nicht, sagte ich. Block ist im Prozeß fleißig und immer hinter seiner Sache her. Er wohnt fast bei mir, um immer auf dem Laufenden zu sein. Solchen Eifer findet man nicht immer. Gewiß, er ist persönlich nicht angenehm, hat häßliche Umgangsformen und ist schmutzig, aber in prozessualer Hinsicht ist er untadelhaft. Ich sagte untadelhaft, ich übertrieb absichtlich. Darauf sagte er: Block ist bloß schlau. Er hat viel Erfahrung angesammelt und versteht es, den Prozeß zu verschleppen. Aber seine Unwissenheit ist noch viel größer als seine Schlauheit. Was würde er wohl dazu sagen, wenn er erfahren würde, daß sein Prozeß noch gar nicht begonnen

fragte Leni. „Wie ist das möglich?“ Block sah sie mit einem so gespannten Blick an, als traue er ihr die Fähigkeit zu, jetzt noch die längst ausgesprochenen Worte des Richters zu seinen Gunsten zu wenden. „Nicht günstig,“ sagte der Advokat. „Er war sogar unangenehm berührt, als ich von Block zu sprechen anfing. Reden Sie nicht von Block, sagte er. Er ist mein Klient, sagte ich. Sie lassen sich mißbrauchen, sagte er. Ich halte seine Sache nicht für verloren, sagte ich. Sie lassen sich mißbrauchen, wiederholte er. Ich glaube es nicht, sagte ich. Block ist im Prozeß fleißig und immer hinter seiner Sache her. Er wohnt fast bei mir, um immer auf dem Laufenden zu sein. Solchen Eifer findet man nicht immer. Gewiß, er ist persönlich nicht angenehm, hat häßliche Umgangsformen und ist schmutzig, aber in prozessualer Hinsicht ist er untadelhaft. Ich sagte untadelhaft, ich übertrieb absichtlich. Darauf sagte er: Block ist bloß schlau. Er hat viel Erfahrung angesammelt und versteht es, den Prozeß zu verschleppen. Aber seine Unwissenheit ist noch viel größer als seine Schlauheit. Was würde er wohl dazu sagen, wenn er erfahren würde, daß sein Prozeß noch gar nicht begonnen

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0345" n="343"/>
fragte Leni. &#x201E;Wie ist das möglich?&#x201C; Block sah sie mit einem so gespannten Blick an, als traue er ihr die Fähigkeit zu, jetzt noch die längst ausgesprochenen Worte des Richters zu seinen Gunsten zu wenden. &#x201E;Nicht günstig,&#x201C; sagte der Advokat. &#x201E;Er war sogar unangenehm berührt, als ich von Block zu sprechen anfing. Reden Sie nicht von Block, sagte er. Er ist mein Klient, sagte ich. Sie lassen sich mißbrauchen, sagte er. Ich halte seine Sache nicht für verloren, sagte ich. Sie lassen sich mißbrauchen, wiederholte er. Ich glaube es nicht, sagte ich. Block ist im Prozeß fleißig und immer hinter seiner Sache her. Er wohnt fast bei mir, um immer auf dem Laufenden zu sein. Solchen Eifer findet man nicht immer. Gewiß, er ist persönlich nicht angenehm, hat häßliche Umgangsformen und ist schmutzig, aber in prozessualer Hinsicht ist er untadelhaft. Ich sagte untadelhaft, ich übertrieb absichtlich. Darauf sagte er: Block ist bloß schlau. Er hat viel Erfahrung angesammelt und versteht es, den Prozeß zu verschleppen. Aber seine Unwissenheit ist noch viel größer als seine Schlauheit. Was würde er wohl dazu sagen, wenn er erfahren würde, daß sein Prozeß noch gar nicht begonnen
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[343/0345] fragte Leni. „Wie ist das möglich?“ Block sah sie mit einem so gespannten Blick an, als traue er ihr die Fähigkeit zu, jetzt noch die längst ausgesprochenen Worte des Richters zu seinen Gunsten zu wenden. „Nicht günstig,“ sagte der Advokat. „Er war sogar unangenehm berührt, als ich von Block zu sprechen anfing. Reden Sie nicht von Block, sagte er. Er ist mein Klient, sagte ich. Sie lassen sich mißbrauchen, sagte er. Ich halte seine Sache nicht für verloren, sagte ich. Sie lassen sich mißbrauchen, wiederholte er. Ich glaube es nicht, sagte ich. Block ist im Prozeß fleißig und immer hinter seiner Sache her. Er wohnt fast bei mir, um immer auf dem Laufenden zu sein. Solchen Eifer findet man nicht immer. Gewiß, er ist persönlich nicht angenehm, hat häßliche Umgangsformen und ist schmutzig, aber in prozessualer Hinsicht ist er untadelhaft. Ich sagte untadelhaft, ich übertrieb absichtlich. Darauf sagte er: Block ist bloß schlau. Er hat viel Erfahrung angesammelt und versteht es, den Prozeß zu verschleppen. Aber seine Unwissenheit ist noch viel größer als seine Schlauheit. Was würde er wohl dazu sagen, wenn er erfahren würde, daß sein Prozeß noch gar nicht begonnen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-28T19:24:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat (2012-11-28T19:24:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Trennungen am Zeilen- und am Seitenende werden aufgelöst, der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/345
Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/345>, abgerufen am 25.11.2024.