Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

Bild:
<< vorherige Seite

diesmal aber blieb auch sie geschlossen. Endlich erschienen an dem Guckfenster der Tür des Advokaten zwei Augen, es waren aber nicht Lenis Augen. Jemand schloß die Tür auf, stemmte sich aber vorläufig noch gegen sie, rief in die Wohnung zurück: "Er ist es," und öffnete erst dann vollständig. K. hatte gegen die Tür gedrängt, denn schon hörte er, wie hinter ihm in der Tür der andern Wohnung der Schlüssel hastig im Schloß gedreht wurde. Als sich daher die Tür vor ihm endlich öffnete, stürmte er geradezu ins Vorzimmer und sah noch, wie durch den Gang, der zwischen den Zimmern hindurchführte, Leni, welcher der Warnungsruf des Türöffners gegolten hatte, im Hemd davonlief. Er blickte ihr ein Weilchen nach und sah sich dann nach dem Türöffner um. Es war ein kleiner dürrer Mann mit Vollbart, er hielt eine Kerze in der Hand. "Sie sind hier angestellt?" fragte K. "Nein," antwortete der Mann, "ich bin hier fremd, der Advokat ist nur mein Vertreter, ich bin hier wegen einer Rechtsangelegenheit." "Ohne Rock?" fragte K. und zeigte mit einer Handbewegung auf die mangelhafte Bekleidung des Mannes. "Ach verzeihen Sie," sagte der Mann

diesmal aber blieb auch sie geschlossen. Endlich erschienen an dem Guckfenster der Tür des Advokaten zwei Augen, es waren aber nicht Lenis Augen. Jemand schloß die Tür auf, stemmte sich aber vorläufig noch gegen sie, rief in die Wohnung zurück: „Er ist es,“ und öffnete erst dann vollständig. K. hatte gegen die Tür gedrängt, denn schon hörte er, wie hinter ihm in der Tür der andern Wohnung der Schlüssel hastig im Schloß gedreht wurde. Als sich daher die Tür vor ihm endlich öffnete, stürmte er geradezu ins Vorzimmer und sah noch, wie durch den Gang, der zwischen den Zimmern hindurchführte, Leni, welcher der Warnungsruf des Türöffners gegolten hatte, im Hemd davonlief. Er blickte ihr ein Weilchen nach und sah sich dann nach dem Türöffner um. Es war ein kleiner dürrer Mann mit Vollbart, er hielt eine Kerze in der Hand. „Sie sind hier angestellt?“ fragte K. „Nein,“ antwortete der Mann, „ich bin hier fremd, der Advokat ist nur mein Vertreter, ich bin hier wegen einer Rechtsangelegenheit.“ „Ohne Rock?“ fragte K. und zeigte mit einer Handbewegung auf die mangelhafte Bekleidung des Mannes. „Ach verzeihen Sie,“ sagte der Mann

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0294" n="292"/>
diesmal aber blieb auch sie geschlossen. Endlich erschienen an dem Guckfenster der Tür des Advokaten zwei Augen, es waren aber nicht Lenis Augen. Jemand schloß die Tür auf, stemmte sich aber vorläufig noch gegen sie, rief in die Wohnung zurück: &#x201E;Er ist es,&#x201C; und öffnete erst dann vollständig. K. hatte gegen die Tür gedrängt, denn schon hörte er, wie hinter ihm in der Tür der andern Wohnung der Schlüssel hastig im Schloß gedreht wurde. Als sich daher die Tür vor ihm endlich öffnete, stürmte er geradezu ins Vorzimmer und sah noch, wie durch den Gang, der zwischen den Zimmern hindurchführte, Leni, welcher der Warnungsruf des Türöffners gegolten hatte, im Hemd davonlief. Er blickte ihr ein Weilchen nach und sah sich dann nach dem Türöffner um. Es war ein kleiner dürrer Mann mit Vollbart, er hielt eine Kerze in der Hand. &#x201E;Sie sind hier angestellt?&#x201C; fragte K. &#x201E;Nein,&#x201C; antwortete der Mann, &#x201E;ich bin hier fremd, der Advokat ist nur mein Vertreter, ich bin hier wegen einer Rechtsangelegenheit.&#x201C; &#x201E;Ohne Rock?&#x201C; fragte K. und zeigte mit einer Handbewegung auf die mangelhafte Bekleidung des Mannes. &#x201E;Ach verzeihen Sie,&#x201C; sagte der Mann
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[292/0294] diesmal aber blieb auch sie geschlossen. Endlich erschienen an dem Guckfenster der Tür des Advokaten zwei Augen, es waren aber nicht Lenis Augen. Jemand schloß die Tür auf, stemmte sich aber vorläufig noch gegen sie, rief in die Wohnung zurück: „Er ist es,“ und öffnete erst dann vollständig. K. hatte gegen die Tür gedrängt, denn schon hörte er, wie hinter ihm in der Tür der andern Wohnung der Schlüssel hastig im Schloß gedreht wurde. Als sich daher die Tür vor ihm endlich öffnete, stürmte er geradezu ins Vorzimmer und sah noch, wie durch den Gang, der zwischen den Zimmern hindurchführte, Leni, welcher der Warnungsruf des Türöffners gegolten hatte, im Hemd davonlief. Er blickte ihr ein Weilchen nach und sah sich dann nach dem Türöffner um. Es war ein kleiner dürrer Mann mit Vollbart, er hielt eine Kerze in der Hand. „Sie sind hier angestellt?“ fragte K. „Nein,“ antwortete der Mann, „ich bin hier fremd, der Advokat ist nur mein Vertreter, ich bin hier wegen einer Rechtsangelegenheit.“ „Ohne Rock?“ fragte K. und zeigte mit einer Handbewegung auf die mangelhafte Bekleidung des Mannes. „Ach verzeihen Sie,“ sagte der Mann

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-28T19:24:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat (2012-11-28T19:24:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Trennungen am Zeilen- und am Seitenende werden aufgelöst, der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/294
Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 292. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/294>, abgerufen am 25.11.2024.