Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

Bild:
<< vorherige Seite

mit ihm zu besprechen haben." "Welchen Sinn?" rief K., mehr bestürzt als geärgert. "Wer sind Sie denn? Sie wollen einen Sinn und führen das Sinnloseste auf, was es gibt. Ist es nicht zum Steinerweichen? Die Herren haben mich zuerst überfallen und jetzt sitzen oder stehn sie hier herum und lassen mich vor Ihnen die hohe Schule reiten. Welchen Sinn es hätte, an einen Staatsanwalt zu telephonieren, wenn ich angeblich verhaftet bin? Gut, ich werde nicht telephonieren." "Aber doch," sagte der Aufseher und streckte die Hand zum Vorzimmer aus, wo das Telephon war, "bitte telephonieren Sie doch." "Nein, ich will nicht mehr," sagte K. und ging zum Fenster. Drüben war noch die Gesellschaft beim Fenster und schien nur jetzt dadurch, daß K. ans Fenster herangetreten war, in der Ruhe des Zuschauens ein wenig gestört. Die Alten wollten sich erheben, aber der Mann hinter ihnen beruhigte sie. "Dort sind auch solche Zuschauer," rief K. ganz laut dem Aufseher zu und zeigte mit dem Zeigefinger hinaus. "Weg von dort," rief er dann hinüber. Die drei wichen auch sofort ein paar Schritte zurück, die beiden Alten sogar noch hinter den Mann, der

mit ihm zu besprechen haben.“ „Welchen Sinn?“ rief K., mehr bestürzt als geärgert. „Wer sind Sie denn? Sie wollen einen Sinn und führen das Sinnloseste auf, was es gibt. Ist es nicht zum Steinerweichen? Die Herren haben mich zuerst überfallen und jetzt sitzen oder stehn sie hier herum und lassen mich vor Ihnen die hohe Schule reiten. Welchen Sinn es hätte, an einen Staatsanwalt zu telephonieren, wenn ich angeblich verhaftet bin? Gut, ich werde nicht telephonieren.“ „Aber doch,“ sagte der Aufseher und streckte die Hand zum Vorzimmer aus, wo das Telephon war, „bitte telephonieren Sie doch.“ „Nein, ich will nicht mehr,“ sagte K. und ging zum Fenster. Drüben war noch die Gesellschaft beim Fenster und schien nur jetzt dadurch, daß K. ans Fenster herangetreten war, in der Ruhe des Zuschauens ein wenig gestört. Die Alten wollten sich erheben, aber der Mann hinter ihnen beruhigte sie. „Dort sind auch solche Zuschauer,“ rief K. ganz laut dem Aufseher zu und zeigte mit dem Zeigefinger hinaus. „Weg von dort,“ rief er dann hinüber. Die drei wichen auch sofort ein paar Schritte zurück, die beiden Alten sogar noch hinter den Mann, der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="22"/>
mit ihm zu besprechen haben.&#x201C; &#x201E;Welchen Sinn?&#x201C; rief K., mehr bestürzt als geärgert. &#x201E;Wer sind Sie denn? Sie wollen einen Sinn und führen das Sinnloseste auf, was es gibt. Ist es nicht zum Steinerweichen? Die Herren haben mich zuerst überfallen und jetzt sitzen oder stehn sie hier herum und lassen mich vor Ihnen die hohe Schule reiten. Welchen Sinn es hätte, an einen Staatsanwalt zu telephonieren, wenn ich angeblich verhaftet bin? Gut, ich werde nicht telephonieren.&#x201C; &#x201E;Aber doch,&#x201C; sagte der Aufseher und streckte die Hand zum Vorzimmer aus, wo das Telephon war, &#x201E;bitte telephonieren Sie doch.&#x201C; &#x201E;Nein, ich will nicht mehr,&#x201C; sagte K. und ging zum Fenster. Drüben war noch die Gesellschaft beim Fenster und schien nur jetzt dadurch, daß K. ans Fenster herangetreten war, in der Ruhe des Zuschauens ein wenig gestört. Die Alten wollten sich erheben, aber der Mann hinter ihnen beruhigte sie. &#x201E;Dort sind auch solche Zuschauer,&#x201C; rief K. ganz laut dem Aufseher zu und zeigte mit dem Zeigefinger hinaus. &#x201E;Weg von dort,&#x201C; rief er dann hinüber. Die drei wichen auch sofort ein paar Schritte zurück, die beiden Alten sogar noch hinter den Mann, der
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[22/0024] mit ihm zu besprechen haben.“ „Welchen Sinn?“ rief K., mehr bestürzt als geärgert. „Wer sind Sie denn? Sie wollen einen Sinn und führen das Sinnloseste auf, was es gibt. Ist es nicht zum Steinerweichen? Die Herren haben mich zuerst überfallen und jetzt sitzen oder stehn sie hier herum und lassen mich vor Ihnen die hohe Schule reiten. Welchen Sinn es hätte, an einen Staatsanwalt zu telephonieren, wenn ich angeblich verhaftet bin? Gut, ich werde nicht telephonieren.“ „Aber doch,“ sagte der Aufseher und streckte die Hand zum Vorzimmer aus, wo das Telephon war, „bitte telephonieren Sie doch.“ „Nein, ich will nicht mehr,“ sagte K. und ging zum Fenster. Drüben war noch die Gesellschaft beim Fenster und schien nur jetzt dadurch, daß K. ans Fenster herangetreten war, in der Ruhe des Zuschauens ein wenig gestört. Die Alten wollten sich erheben, aber der Mann hinter ihnen beruhigte sie. „Dort sind auch solche Zuschauer,“ rief K. ganz laut dem Aufseher zu und zeigte mit dem Zeigefinger hinaus. „Weg von dort,“ rief er dann hinüber. Die drei wichen auch sofort ein paar Schritte zurück, die beiden Alten sogar noch hinter den Mann, der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-28T19:24:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat (2012-11-28T19:24:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Trennungen am Zeilen- und am Seitenende werden aufgelöst, der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/24
Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/24>, abgerufen am 18.12.2024.