An einem Wintervormittag - draußen fiel Schnee im trüben Licht - saß K. trotz der frühen Stunde schon äußerst müde in seinem Bureau. Um sich wenigstens vor den untersten Beamten zu schützen, hatte er dem Diener den Auftrag gegeben, niemanden von ihnen einzulassen, da er mit einer größern Arbeit beschäftigt sei. Aber statt zu arbeiten, drehte er sich in seinem Sessel, verschob langsam einige Gegenstände auf dem Tisch, ließ dann aber, ohne es zu wissen, den ganzen Arm ausgestreckt auf der Tischplatte liegen und blieb mit gesenktem Kopf unbeweglich sitzen.
Der Gedanke an den Prozeß verließ ihn nicht mehr. Öfters schon hatte er überlegt, ob es nicht gut wäre, eine Verteidigungsschrift auszuarbeiten und bei Gericht einzureichen. Er wollte darin eine kurze Lebensbeschreibung vorlegen und bei jedem
SIEBENTES KAPITEL
ADVOKAT · FABRIKANT· MALER
An einem Wintervormittag – draußen fiel Schnee im trüben Licht – saß K. trotz der frühen Stunde schon äußerst müde in seinem Bureau. Um sich wenigstens vor den untersten Beamten zu schützen, hatte er dem Diener den Auftrag gegeben, niemanden von ihnen einzulassen, da er mit einer größern Arbeit beschäftigt sei. Aber statt zu arbeiten, drehte er sich in seinem Sessel, verschob langsam einige Gegenstände auf dem Tisch, ließ dann aber, ohne es zu wissen, den ganzen Arm ausgestreckt auf der Tischplatte liegen und blieb mit gesenktem Kopf unbeweglich sitzen.
Der Gedanke an den Prozeß verließ ihn nicht mehr. Öfters schon hatte er überlegt, ob es nicht gut wäre, eine Verteidigungsschrift auszuarbeiten und bei Gericht einzureichen. Er wollte darin eine kurze Lebensbeschreibung vorlegen und bei jedem
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SIEBENTES KAPITEL
ADVOKAT · FABRIKANT· MALER
An einem Wintervormittag – draußen fiel Schnee im trüben Licht – saß K. trotz der frühen Stunde schon äußerst müde in seinem Bureau. Um sich wenigstens vor den untersten Beamten zu schützen, hatte er dem Diener den Auftrag gegeben, niemanden von ihnen einzulassen, da er mit einer größern Arbeit beschäftigt sei. Aber statt zu arbeiten, drehte er sich in seinem Sessel, verschob langsam einige Gegenstände auf dem Tisch, ließ dann aber, ohne es zu wissen, den ganzen Arm ausgestreckt auf der Tischplatte liegen und blieb mit gesenktem Kopf unbeweglich sitzen.
Der Gedanke an den Prozeß verließ ihn nicht mehr. Öfters schon hatte er überlegt, ob es nicht gut wäre, eine Verteidigungsschrift auszuarbeiten und bei Gericht einzureichen. Er wollte darin eine kurze Lebensbeschreibung vorlegen und bei jedem
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Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/197>, abgerufen am 16.02.2025.
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