Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925.

Bild:
<< vorherige Seite

wenigstens an diesem Ort den Anschein haben, als ob er verhaftet vorgeführt werde. Er wartete also öfters auf den Gerichtsdiener, aber dieser blieb gleich wieder zurück. Schließlich sagte K., um seinem Unbehagen ein Ende zu machen: "Nun habe ich gesehn, wie es hier aussieht, ich will jetzt weggehn." "Sie haben noch nicht alles gesehn," sagte der Gerichtsdiener vollständig unverfänglich. "Ich will nicht alles sehn," sagte K., der sich übrigens wirklich müde fühlte, "ich will gehn, wie kommt man zum Ausgang?" "Sie haben sich doch nicht schon verirrt," fragte der Gerichtsdiener erstaunt, "Sie gehn hier bis zur Ecke und dann rechts den Gang hinunter geradeaus zur Tür." "Kommen Sie mit," sagte K., "zeigen Sie mir den Weg, ich werde ihn verfehlen, es sind hier so viele Wege." "Es ist der einzige Weg," sagte der Gerichtsdiener nun schon vorwurfsvoll, "ich kann nicht wieder mit Ihnen zurückgehn, ich muß doch meine Meldung vorbringen und habe schon viel Zeit durch Sie versäumt." "Kommen Sie mit," wiederholte K. jetzt schärfer, als habe er endlich den Gerichtsdiener auf einer Unwahrheit ertappt. "Schreien Sie doch nicht so," flüsterte der

wenigstens an diesem Ort den Anschein haben, als ob er verhaftet vorgeführt werde. Er wartete also öfters auf den Gerichtsdiener, aber dieser blieb gleich wieder zurück. Schließlich sagte K., um seinem Unbehagen ein Ende zu machen: „Nun habe ich gesehn, wie es hier aussieht, ich will jetzt weggehn.“ „Sie haben noch nicht alles gesehn,“ sagte der Gerichtsdiener vollständig unverfänglich. „Ich will nicht alles sehn,“ sagte K., der sich übrigens wirklich müde fühlte, „ich will gehn, wie kommt man zum Ausgang?“ „Sie haben sich doch nicht schon verirrt,“ fragte der Gerichtsdiener erstaunt, „Sie gehn hier bis zur Ecke und dann rechts den Gang hinunter geradeaus zur Tür.“ „Kommen Sie mit,“ sagte K., „zeigen Sie mir den Weg, ich werde ihn verfehlen, es sind hier so viele Wege.“ „Es ist der einzige Weg,“ sagte der Gerichtsdiener nun schon vorwurfsvoll, „ich kann nicht wieder mit Ihnen zurückgehn, ich muß doch meine Meldung vorbringen und habe schon viel Zeit durch Sie versäumt.“ „Kommen Sie mit,“ wiederholte K. jetzt schärfer, als habe er endlich den Gerichtsdiener auf einer Unwahrheit ertappt. „Schreien Sie doch nicht so,“ flüsterte der

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0116" n="114"/>
wenigstens an diesem Ort den Anschein haben, als ob er verhaftet vorgeführt werde. Er wartete also öfters auf den Gerichtsdiener, aber dieser blieb gleich wieder zurück. Schließlich sagte K., um seinem Unbehagen ein Ende zu machen: &#x201E;Nun habe ich gesehn, wie es hier aussieht, ich will jetzt weggehn.&#x201C; &#x201E;Sie haben noch nicht alles gesehn,&#x201C; sagte der Gerichtsdiener vollständig unverfänglich. &#x201E;Ich will nicht alles sehn,&#x201C; sagte K., der sich übrigens wirklich müde fühlte, &#x201E;ich will gehn, wie kommt man zum Ausgang?&#x201C; &#x201E;Sie haben sich doch nicht schon verirrt,&#x201C; fragte der Gerichtsdiener erstaunt, &#x201E;Sie gehn hier bis zur Ecke und dann rechts den Gang hinunter geradeaus zur Tür.&#x201C; &#x201E;Kommen Sie mit,&#x201C; sagte K., &#x201E;zeigen Sie mir den Weg, ich werde ihn verfehlen, es sind hier so viele Wege.&#x201C; &#x201E;Es ist der einzige Weg,&#x201C; sagte der Gerichtsdiener nun schon vorwurfsvoll, &#x201E;ich kann nicht wieder mit Ihnen zurückgehn, ich muß doch meine Meldung vorbringen und habe schon viel Zeit durch Sie versäumt.&#x201C; &#x201E;Kommen Sie mit,&#x201C; wiederholte K. jetzt schärfer, als habe er endlich den Gerichtsdiener auf einer Unwahrheit ertappt. &#x201E;Schreien Sie doch nicht so,&#x201C; flüsterte der
</p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[114/0116] wenigstens an diesem Ort den Anschein haben, als ob er verhaftet vorgeführt werde. Er wartete also öfters auf den Gerichtsdiener, aber dieser blieb gleich wieder zurück. Schließlich sagte K., um seinem Unbehagen ein Ende zu machen: „Nun habe ich gesehn, wie es hier aussieht, ich will jetzt weggehn.“ „Sie haben noch nicht alles gesehn,“ sagte der Gerichtsdiener vollständig unverfänglich. „Ich will nicht alles sehn,“ sagte K., der sich übrigens wirklich müde fühlte, „ich will gehn, wie kommt man zum Ausgang?“ „Sie haben sich doch nicht schon verirrt,“ fragte der Gerichtsdiener erstaunt, „Sie gehn hier bis zur Ecke und dann rechts den Gang hinunter geradeaus zur Tür.“ „Kommen Sie mit,“ sagte K., „zeigen Sie mir den Weg, ich werde ihn verfehlen, es sind hier so viele Wege.“ „Es ist der einzige Weg,“ sagte der Gerichtsdiener nun schon vorwurfsvoll, „ich kann nicht wieder mit Ihnen zurückgehn, ich muß doch meine Meldung vorbringen und habe schon viel Zeit durch Sie versäumt.“ „Kommen Sie mit,“ wiederholte K. jetzt schärfer, als habe er endlich den Gerichtsdiener auf einer Unwahrheit ertappt. „Schreien Sie doch nicht so,“ flüsterte der

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Wikisource: Bereitstellung der Texttranskription und Auszeichnung in Wikisource-Syntax. (2012-11-28T19:24:31Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme aus Wikisource entsprechen muss.
Wikimedia Commons: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2012-11-28T19:24:31Z)
Frank Wiegand: Konvertierung von Wikisource-Markup nach XML/TEI gemäß DTA-Basisformat (2012-11-28T19:24:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Als Grundlage dienen die Wikisource:Editionsrichtlinien.
  • Trennungen am Zeilen- und am Seitenende werden aufgelöst, der Seitenwechsel erfolgt bei Worttrennung nach dem gesamten Wort.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/116
Zitationshilfe: Kafka, Franz: Der Prozess (Hg. Max Brod). Berlin, 1925, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kafka_prozess_1925/116>, abgerufen am 27.11.2024.