Den Bernstein haben die Naturkündiger mit mehr Grund zu dem Geschlecht des Ambra gezählet. Denn er ist, wie dieser, eine fettige aber reinere Erde, die durch die Luft in das Meer verhärtet worden. Jch habe in Preussen gesehn, nicht nur wie man die- se von den Wellen ans Ufer geworfne Materie sammelt, sondern auch, wie man sie aus den unterirrdischen Gängen der Erde herausgräbt, und diese leztere Gattung, die oft sehr weich und gebrüchig ist, wieder ins Meer wirft, damit sie hart werde. Hätte der berühmte Denis dieses gewußt, so würde er sich (in der eben angeführten Schrift) nicht so viele Mü- he gegeben haben, den Bernstein aus den schwedischen Wäldern an das Ufer der Ostsee zu bringen.
Die entfernten Nationen *) ziehen den Bernstein dem ächten Ambra weit vor, so wie überhaupt auch allen kostbaren Steinen, die rothen Korallen allein ausgenommen. Andre edle Steine schäzen und gebrauchen sie nicht. Vorzüglich wird von diesen Völkern der gelbe durchsichtige Bernstein, den wir Europäer gerade am wenigsten achten, wegen des Alters und der ausnehmenden Vollkommenheit, die sie ihm beilegen, am höchsten geachtet; die übrigen Arten aber weniger. Jch bemühte mich zuweilen ihnen das Gegentheil hierin zu beweisen, erregte aber dadurch nur das Gelächter meiner Zuhörer, und richtete ohngefehr eben so viel bei ihnen aus, als derjenige erwarten könnte, der uns überzeugen wollte, Silber sey kostbarer als Gold.
Die schwarzen asiatischen Nationen, an deren Küste sich der Ambra findet, gebrau- chen ihn gar nicht; die Europäer aber in der Medicin. Der stärkste Gebrauch davon wird im mogolischen Reich, in Persien und Arabien zu eingemachten süssen Sachen gemacht. Die Sineser, Japaner, Tunkineser bedienen sich desselben zu ihrem Räuchwerk, dessen liebli- cher Duft dadurch sowol erhöhet als verlängert wird, da er ohne Ambra bald verfliegen und viel schwächer seyn würde. Es ist merkwürdig, daß diese Materie beide Kräfte in vorzüg- lichem Grade und doch vor sich allein nur einen ganz geringen Geruch hat. Seine Kräfte übergehe ich, da sie hinlänglich bekant sind. Doch will ich noch einen geheimen kräftigen Gebrauch des Ambra anführen, den mich ein sehr erfahrner Japanischer Arzt gelehrt hat. Sein Recept war folgendes: Nimm eine beliebige Dosis rohes Opium, wikle sie in Lein- wand, und hänge sie in den Dampf von kochendem Wasser. Hat diese nach ein bis zwei Stunden etwa ein Nössel ausgeschwizt, so hast du ein ganz herrliches Opium. Thue alsdenn noch einmal so viel vom beßten Ambra hinzu, woraus dann eine Masse wird, die man in ganz kleine Pillen drehen kann, die alsdenn zu Beförderung des Beischlafs, vor der Nacht, da man sich dazu begiebt, aber in sehr kleiner Dosis, zu nehmen sind.
Verzeich-
*) Unstreltig versteht hier K. die im östlichen Asten.
Vom Ambra.
Den Bernſtein haben die Naturkuͤndiger mit mehr Grund zu dem Geſchlecht des Ambra gezaͤhlet. Denn er iſt, wie dieſer, eine fettige aber reinere Erde, die durch die Luft in das Meer verhaͤrtet worden. Jch habe in Preuſſen geſehn, nicht nur wie man die- ſe von den Wellen ans Ufer geworfne Materie ſammelt, ſondern auch, wie man ſie aus den unterirrdiſchen Gaͤngen der Erde herausgraͤbt, und dieſe leztere Gattung, die oft ſehr weich und gebruͤchig iſt, wieder ins Meer wirft, damit ſie hart werde. Haͤtte der beruͤhmte Denis dieſes gewußt, ſo wuͤrde er ſich (in der eben angefuͤhrten Schrift) nicht ſo viele Muͤ- he gegeben haben, den Bernſtein aus den ſchwediſchen Waͤldern an das Ufer der Oſtſee zu bringen.
Die entfernten Nationen *) ziehen den Bernſtein dem aͤchten Ambra weit vor, ſo wie uͤberhaupt auch allen koſtbaren Steinen, die rothen Korallen allein ausgenommen. Andre edle Steine ſchaͤzen und gebrauchen ſie nicht. Vorzuͤglich wird von dieſen Voͤlkern der gelbe durchſichtige Bernſtein, den wir Europaͤer gerade am wenigſten achten, wegen des Alters und der ausnehmenden Vollkommenheit, die ſie ihm beilegen, am hoͤchſten geachtet; die uͤbrigen Arten aber weniger. Jch bemuͤhte mich zuweilen ihnen das Gegentheil hierin zu beweiſen, erregte aber dadurch nur das Gelaͤchter meiner Zuhoͤrer, und richtete ohngefehr eben ſo viel bei ihnen aus, als derjenige erwarten koͤnnte, der uns uͤberzeugen wollte, Silber ſey koſtbarer als Gold.
Die ſchwarzen aſiatiſchen Nationen, an deren Kuͤſte ſich der Ambra findet, gebrau- chen ihn gar nicht; die Europaͤer aber in der Medicin. Der ſtaͤrkſte Gebrauch davon wird im mogoliſchen Reich, in Perſien und Arabien zu eingemachten ſuͤſſen Sachen gemacht. Die Sineſer, Japaner, Tunkineſer bedienen ſich deſſelben zu ihrem Raͤuchwerk, deſſen liebli- cher Duft dadurch ſowol erhoͤhet als verlaͤngert wird, da er ohne Ambra bald verfliegen und viel ſchwaͤcher ſeyn wuͤrde. Es iſt merkwuͤrdig, daß dieſe Materie beide Kraͤfte in vorzuͤg- lichem Grade und doch vor ſich allein nur einen ganz geringen Geruch hat. Seine Kraͤfte uͤbergehe ich, da ſie hinlaͤnglich bekant ſind. Doch will ich noch einen geheimen kraͤftigen Gebrauch des Ambra anfuͤhren, den mich ein ſehr erfahrner Japaniſcher Arzt gelehrt hat. Sein Recept war folgendes: Nimm eine beliebige Doſis rohes Opium, wikle ſie in Lein- wand, und haͤnge ſie in den Dampf von kochendem Waſſer. Hat dieſe nach ein bis zwei Stunden etwa ein Noͤſſel ausgeſchwizt, ſo haſt du ein ganz herrliches Opium. Thue alsdenn noch einmal ſo viel vom beßten Ambra hinzu, woraus dann eine Maſſe wird, die man in ganz kleine Pillen drehen kann, die alsdenn zu Befoͤrderung des Beiſchlafs, vor der Nacht, da man ſich dazu begiebt, aber in ſehr kleiner Doſis, zu nehmen ſind.
Verzeich-
*) Unſtreltig verſteht hier K. die im oͤſtlichen Aſten.
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Den Bernſtein haben die Naturkuͤndiger mit mehr Grund zu dem Geſchlecht des
Ambra gezaͤhlet. Denn er iſt, wie dieſer, eine fettige aber reinere Erde, die durch die
Luft in das Meer verhaͤrtet worden. Jch habe in Preuſſen geſehn, nicht nur wie man die-
ſe von den Wellen ans Ufer geworfne Materie ſammelt, ſondern auch, wie man ſie aus
den unterirrdiſchen Gaͤngen der Erde herausgraͤbt, und dieſe leztere Gattung, die oft ſehr
weich und gebruͤchig iſt, wieder ins Meer wirft, damit ſie hart werde. Haͤtte der beruͤhmte
Denis dieſes gewußt, ſo wuͤrde er ſich (in der eben angefuͤhrten Schrift) nicht ſo viele Muͤ-
he gegeben haben, den Bernſtein aus den ſchwediſchen Waͤldern an das Ufer der Oſtſee zu
bringen.
Die entfernten Nationen *) ziehen den Bernſtein dem aͤchten Ambra weit vor, ſo
wie uͤberhaupt auch allen koſtbaren Steinen, die rothen Korallen allein ausgenommen. Andre
edle Steine ſchaͤzen und gebrauchen ſie nicht. Vorzuͤglich wird von dieſen Voͤlkern der gelbe
durchſichtige Bernſtein, den wir Europaͤer gerade am wenigſten achten, wegen des Alters
und der ausnehmenden Vollkommenheit, die ſie ihm beilegen, am hoͤchſten geachtet; die
uͤbrigen Arten aber weniger. Jch bemuͤhte mich zuweilen ihnen das Gegentheil hierin zu
beweiſen, erregte aber dadurch nur das Gelaͤchter meiner Zuhoͤrer, und richtete ohngefehr
eben ſo viel bei ihnen aus, als derjenige erwarten koͤnnte, der uns uͤberzeugen wollte, Silber
ſey koſtbarer als Gold.
Die ſchwarzen aſiatiſchen Nationen, an deren Kuͤſte ſich der Ambra findet, gebrau-
chen ihn gar nicht; die Europaͤer aber in der Medicin. Der ſtaͤrkſte Gebrauch davon wird
im mogoliſchen Reich, in Perſien und Arabien zu eingemachten ſuͤſſen Sachen gemacht. Die
Sineſer, Japaner, Tunkineſer bedienen ſich deſſelben zu ihrem Raͤuchwerk, deſſen liebli-
cher Duft dadurch ſowol erhoͤhet als verlaͤngert wird, da er ohne Ambra bald verfliegen und
viel ſchwaͤcher ſeyn wuͤrde. Es iſt merkwuͤrdig, daß dieſe Materie beide Kraͤfte in vorzuͤg-
lichem Grade und doch vor ſich allein nur einen ganz geringen Geruch hat. Seine Kraͤfte
uͤbergehe ich, da ſie hinlaͤnglich bekant ſind. Doch will ich noch einen geheimen kraͤftigen
Gebrauch des Ambra anfuͤhren, den mich ein ſehr erfahrner Japaniſcher Arzt gelehrt hat.
Sein Recept war folgendes: Nimm eine beliebige Doſis rohes Opium, wikle ſie in Lein-
wand, und haͤnge ſie in den Dampf von kochendem Waſſer. Hat dieſe nach ein bis zwei
Stunden etwa ein Noͤſſel ausgeſchwizt, ſo haſt du ein ganz herrliches Opium. Thue alsdenn
noch einmal ſo viel vom beßten Ambra hinzu, woraus dann eine Maſſe wird, die man in
ganz kleine Pillen drehen kann, die alsdenn zu Befoͤrderung des Beiſchlafs, vor der Nacht,
da man ſich dazu begiebt, aber in ſehr kleiner Doſis, zu nehmen ſind.
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*) Unſtreltig verſteht hier K. die im oͤſtlichen Aſten.
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 470. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/534>, abgerufen am 24.11.2024.
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