Vermuthlich werden viele glauben, daß ich hier eine schon gethane Arbeit übernehme, wenn ich eine Geschichte des Thees gebe. Der berühmte Ten Rhyn nehmlich, (mein verehrungswürdiger Freund und Vorgänger in der Stelle zu Nangasacki) hat schon eine sehr umständliche und genaue Geschichte des Thees geliefert, und der gelehrte Breynin Appendice Centuriae Exot. sie bekant gemacht. Da aber dieser sonst so sorgfältige Beobachter sich kürzre Zeit in diesem Reich aufgehalten hat, und weit einge- schränkter war, als ich, so hat er Manches vorbeigelassen, das doch ausnehmend wissens- würdig war, und zur genauern Richtigkeit der Materie gehörte. Jch habe es daher der Mühe werth geachtet, das von ihm Uebergangene nachzuholen, und die ganze Geschichte kurz zu wiederholen.
§. 1.
Tsia-Thea frutex folio cerasi flore rosae sylvestris, fructu unicocco, bicocco & ut plurimum tricocco. Der Thee ist ein Staudengewächs, welches lang- Tab. XXXVIII.sam Mannes Länge erreicht. Die Wurzel ist unordentlich getheilt, holzigt und außen schwarz; der Stam von unten auf mit Aesten beladen, deren zahlreiche Schossen und Sprößlinge sich ohne Ordnung verbreiten. Es dekt ihn eine schwache, dünne, trokne, helbraune, unterwärts grau und ganz oben grasgrüne Rinde. Das Holz hat ziemlich harte Fasern, und enthält ein gar dünnes fest angewachsenes Mark. Die Blätter bleiben auf sehr kurzen, nach keiner Ordnung zerstreuten, fleischichten Stielen beständig grünend sitzen, und gleichen an Gestalt, Gewebe, Farbe und Größe den sauren Garten-Kirschblät- tern, doch so, daß die jüngsten, die man einsammelt, vielleicht mit den Blättern des Evony- mus vulg. rub. gran. noch genauere Uebereinstimmungen, ausgenommen in der Farbe,
haben.
*) Aus den Amoenis. Exot. Fasc. III. Obs. XIII, p. 605 &c.
V. Geſchichte des Japaniſchen Thees*)
Vermuthlich werden viele glauben, daß ich hier eine ſchon gethane Arbeit uͤbernehme, wenn ich eine Geſchichte des Thees gebe. Der beruͤhmte Ten Rhyn nehmlich, (mein verehrungswuͤrdiger Freund und Vorgaͤnger in der Stelle zu Nangaſacki) hat ſchon eine ſehr umſtaͤndliche und genaue Geſchichte des Thees geliefert, und der gelehrte Breynin Appendice Centuriae Exot. ſie bekant gemacht. Da aber dieſer ſonſt ſo ſorgfaͤltige Beobachter ſich kuͤrzre Zeit in dieſem Reich aufgehalten hat, und weit einge- ſchraͤnkter war, als ich, ſo hat er Manches vorbeigelaſſen, das doch ausnehmend wiſſens- wuͤrdig war, und zur genauern Richtigkeit der Materie gehoͤrte. Jch habe es daher der Muͤhe werth geachtet, das von ihm Uebergangene nachzuholen, und die ganze Geſchichte kurz zu wiederholen.
§. 1.
Tſia-Thea frutex folio ceraſi flore roſae ſylveſtris, fructu unicocco, bicocco & ut plurimum tricocco. Der Thee iſt ein Staudengewaͤchs, welches lang- Tab. XXXVIII.ſam Mannes Laͤnge erreicht. Die Wurzel iſt unordentlich getheilt, holzigt und außen ſchwarz; der Stam von unten auf mit Aeſten beladen, deren zahlreiche Schoſſen und Sproͤßlinge ſich ohne Ordnung verbreiten. Es dekt ihn eine ſchwache, duͤnne, trokne, helbraune, unterwaͤrts grau und ganz oben grasgruͤne Rinde. Das Holz hat ziemlich harte Faſern, und enthaͤlt ein gar duͤnnes feſt angewachſenes Mark. Die Blaͤtter bleiben auf ſehr kurzen, nach keiner Ordnung zerſtreuten, fleiſchichten Stielen beſtaͤndig gruͤnend ſitzen, und gleichen an Geſtalt, Gewebe, Farbe und Groͤße den ſauren Garten-Kirſchblaͤt- tern, doch ſo, daß die juͤngſten, die man einſammelt, vielleicht mit den Blaͤttern des Evony- mus vulg. rub. gran. noch genauere Uebereinſtimmungen, ausgenommen in der Farbe,
haben.
*) Aus den Amoenis. Exot. Faſc. III. Obſ. XIII, p. 605 &c.
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V.
Geſchichte des Japaniſchen Thees *)
Vermuthlich werden viele glauben, daß ich hier eine ſchon gethane Arbeit uͤbernehme,
wenn ich eine Geſchichte des Thees gebe. Der beruͤhmte Ten Rhyn nehmlich,
(mein verehrungswuͤrdiger Freund und Vorgaͤnger in der Stelle zu Nangaſacki)
hat ſchon eine ſehr umſtaͤndliche und genaue Geſchichte des Thees geliefert, und der gelehrte
Breyn in Appendice Centuriae Exot. ſie bekant gemacht. Da aber dieſer ſonſt ſo
ſorgfaͤltige Beobachter ſich kuͤrzre Zeit in dieſem Reich aufgehalten hat, und weit einge-
ſchraͤnkter war, als ich, ſo hat er Manches vorbeigelaſſen, das doch ausnehmend wiſſens-
wuͤrdig war, und zur genauern Richtigkeit der Materie gehoͤrte. Jch habe es daher der
Muͤhe werth geachtet, das von ihm Uebergangene nachzuholen, und die ganze Geſchichte
kurz zu wiederholen.
§. 1.
Tſia-Thea frutex folio ceraſi flore roſae ſylveſtris, fructu unicocco,
bicocco & ut plurimum tricocco. Der Thee iſt ein Staudengewaͤchs, welches lang-
ſam Mannes Laͤnge erreicht. Die Wurzel iſt unordentlich getheilt, holzigt und außen
ſchwarz; der Stam von unten auf mit Aeſten beladen, deren zahlreiche Schoſſen und
Sproͤßlinge ſich ohne Ordnung verbreiten. Es dekt ihn eine ſchwache, duͤnne, trokne,
helbraune, unterwaͤrts grau und ganz oben grasgruͤne Rinde. Das Holz hat ziemlich
harte Faſern, und enthaͤlt ein gar duͤnnes feſt angewachſenes Mark. Die Blaͤtter bleiben
auf ſehr kurzen, nach keiner Ordnung zerſtreuten, fleiſchichten Stielen beſtaͤndig gruͤnend
ſitzen, und gleichen an Geſtalt, Gewebe, Farbe und Groͤße den ſauren Garten-Kirſchblaͤt-
tern, doch ſo, daß die juͤngſten, die man einſammelt, vielleicht mit den Blaͤttern des Evony-
mus vulg. rub. gran. noch genauere Uebereinſtimmungen, ausgenommen in der Farbe,
haben.
Tab.
XXXVIII.
*) Aus den Amoenis. Exot. Faſc. III. Obſ. XIII, p. 605 &c.
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 442. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/502>, abgerufen am 24.11.2024.
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