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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Drit. Kap. Von der Polizeiaufsicht über die Gassen von Nangasacki.
ist, daß er dieser Schande mit selbst eigener Entleibung zuvorkomt;) überdem wird das
Gesinde der 3 nächsten Häuser, wo die That vorgegangen, auf 3, 4 und mehr Monate in
den Häusern verschlossen gehalten, deren Fenster und Thüren man kreuzweise mit rauhen
Brettern vernagelt, nachdem sie zuvor mit der eingekauften nöthigen Kost zu diesem Ge-
fängnis hinreichend versehen sind: die übrigen Gassenbürger, besonders wenn ihnen einige
Nachlässigkeit, in Verhinderung der geschehenen That, zur Last komt, müssen ihre Strafe
auf einige Zeit durch Leibesarbeiten, durch gemeine Frohndienste und auch besondere bei den
Magistratspersonen empfinden: einer gleichen und schweren Strafe unterliegen die Kumi
gasjra in der Gasse, wo das Verbrechen geschehen, ja einer noch weit härteren, wann sie
überführt werden, gewust zu haben, daß der Missethäter zu der Schlägerei oder dem Ver-
brechen, worin er betroffen worden, eine vorsetzliche Neigung gehabt habe: so haben auch
die Hauswirthe und die Herren der Delinquenten nicht weniger eine schwere wilkührliche
Strafe davon zu gewarten. Es beruhet überhaupt dieses strenge Verfahren auf eben dem
Grunde als der Saz: Facientis culpam procul dubio habet, qui quod potest cor-
rigere, negligit emendare.

Wann einer, aus Eifer übereilt, auf einen andern seinen Säbel entblößete, ist
er, ob er ihn schon nicht verlezte, dem Schwerd anheim gefallen, wenn es der Obrigkeit
angeklagt wird.

Wann ein Bürger oder Einwohner aus Furcht einiger Strafe entliefe, muß die
Kumi jasjra ihn herbeizuschaffen sich bemühen, und ihn sowohl selbst als durch andere auf-
suchen lassen, bei Vermeidung wilkührlicher Leibesstrafe nach Befinden der Sache.

Jm lezten Monate des alten Jahrs geschiehet von dem Nitzi gjosi jeder Gasse
die Fito Aratame, d. i. Aufschreibung aller Hausgenossen, Kinder und Alten mit den
eigentlichen Namen ihres Geburtsorts und ihrer Sjuu oder Religionssekte; sie lassen sich
insgemein unter dem Namen der Sekte ihres Hausvaters aufschreiben, doch viele Eiferer,
besonders der Sekte Sjodo wollen es ihren Hauswirthen nicht bewilligen, sie anders als
mit dem Namen ihrer wahren Sjuu zu bezeichnen. Das weibliche Geschlecht wird bei
dieser Registrirung nur gezählt, und ohne weiter Detail der Summe zugesezt.

Nachdem am Schlusse des alten Jahrs diese Musterrolle verfertigt ist, wird dar-
auf mit dem Anfange des neuen Jahrs die Jefumi gehalten, das nach dem Buchstaben
so viel heißet, als die Figurtretung, weil sie das Bild des am Kreuz hangenden Chri-
stus und noch eines andern Heiligen *) mit Füssen treten, zum Beweis, daß sie der Lehre
Christi und seiner Apostel entsagen und sie verfluchen. Die Ceremonie dieser Entheiligung
des gekreuzigten Heilandes nimt von dem zweiten Tage des ersten Monats nach der Reihe

der
*) Scheuchzer gedenkt auch noch besonders des Marienbildes.
E 2

Drit. Kap. Von der Polizeiaufſicht uͤber die Gaſſen von Nangaſacki.
iſt, daß er dieſer Schande mit ſelbſt eigener Entleibung zuvorkomt;) uͤberdem wird das
Geſinde der 3 naͤchſten Haͤuſer, wo die That vorgegangen, auf 3, 4 und mehr Monate in
den Haͤuſern verſchloſſen gehalten, deren Fenſter und Thuͤren man kreuzweiſe mit rauhen
Brettern vernagelt, nachdem ſie zuvor mit der eingekauften noͤthigen Koſt zu dieſem Ge-
faͤngnis hinreichend verſehen ſind: die uͤbrigen Gaſſenbuͤrger, beſonders wenn ihnen einige
Nachlaͤſſigkeit, in Verhinderung der geſchehenen That, zur Laſt komt, muͤſſen ihre Strafe
auf einige Zeit durch Leibesarbeiten, durch gemeine Frohndienſte und auch beſondere bei den
Magiſtratsperſonen empfinden: einer gleichen und ſchweren Strafe unterliegen die Kumi
gaſjra in der Gaſſe, wo das Verbrechen geſchehen, ja einer noch weit haͤrteren, wann ſie
uͤberfuͤhrt werden, gewuſt zu haben, daß der Miſſethaͤter zu der Schlaͤgerei oder dem Ver-
brechen, worin er betroffen worden, eine vorſetzliche Neigung gehabt habe: ſo haben auch
die Hauswirthe und die Herren der Delinquenten nicht weniger eine ſchwere wilkuͤhrliche
Strafe davon zu gewarten. Es beruhet uͤberhaupt dieſes ſtrenge Verfahren auf eben dem
Grunde als der Saz: Facientis culpam procul dubio habet, qui quod poteſt cor-
rigere, negligit emendare.

Wann einer, aus Eifer uͤbereilt, auf einen andern ſeinen Saͤbel entbloͤßete, iſt
er, ob er ihn ſchon nicht verlezte, dem Schwerd anheim gefallen, wenn es der Obrigkeit
angeklagt wird.

Wann ein Buͤrger oder Einwohner aus Furcht einiger Strafe entliefe, muß die
Kumi jaſjra ihn herbeizuſchaffen ſich bemuͤhen, und ihn ſowohl ſelbſt als durch andere auf-
ſuchen laſſen, bei Vermeidung wilkuͤhrlicher Leibesſtrafe nach Befinden der Sache.

Jm lezten Monate des alten Jahrs geſchiehet von dem Nitzi gjoſi jeder Gaſſe
die Fito Aratame, d. i. Aufſchreibung aller Hausgenoſſen, Kinder und Alten mit den
eigentlichen Namen ihres Geburtsorts und ihrer Sjuu oder Religionsſekte; ſie laſſen ſich
insgemein unter dem Namen der Sekte ihres Hausvaters aufſchreiben, doch viele Eiferer,
beſonders der Sekte Sjodo wollen es ihren Hauswirthen nicht bewilligen, ſie anders als
mit dem Namen ihrer wahren Sjuu zu bezeichnen. Das weibliche Geſchlecht wird bei
dieſer Regiſtrirung nur gezaͤhlt, und ohne weiter Detail der Summe zugeſezt.

Nachdem am Schluſſe des alten Jahrs dieſe Muſterrolle verfertigt iſt, wird dar-
auf mit dem Anfange des neuen Jahrs die Jefumi gehalten, das nach dem Buchſtaben
ſo viel heißet, als die Figurtretung, weil ſie das Bild des am Kreuz hangenden Chri-
ſtus und noch eines andern Heiligen *) mit Fuͤſſen treten, zum Beweis, daß ſie der Lehre
Chriſti und ſeiner Apoſtel entſagen und ſie verfluchen. Die Ceremonie dieſer Entheiligung
des gekreuzigten Heilandes nimt von dem zweiten Tage des erſten Monats nach der Reihe

der
*) Scheuchzer gedenkt auch noch beſonders des Marienbildes.
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[35/0049] Drit. Kap. Von der Polizeiaufſicht uͤber die Gaſſen von Nangaſacki. iſt, daß er dieſer Schande mit ſelbſt eigener Entleibung zuvorkomt;) uͤberdem wird das Geſinde der 3 naͤchſten Haͤuſer, wo die That vorgegangen, auf 3, 4 und mehr Monate in den Haͤuſern verſchloſſen gehalten, deren Fenſter und Thuͤren man kreuzweiſe mit rauhen Brettern vernagelt, nachdem ſie zuvor mit der eingekauften noͤthigen Koſt zu dieſem Ge- faͤngnis hinreichend verſehen ſind: die uͤbrigen Gaſſenbuͤrger, beſonders wenn ihnen einige Nachlaͤſſigkeit, in Verhinderung der geſchehenen That, zur Laſt komt, muͤſſen ihre Strafe auf einige Zeit durch Leibesarbeiten, durch gemeine Frohndienſte und auch beſondere bei den Magiſtratsperſonen empfinden: einer gleichen und ſchweren Strafe unterliegen die Kumi gaſjra in der Gaſſe, wo das Verbrechen geſchehen, ja einer noch weit haͤrteren, wann ſie uͤberfuͤhrt werden, gewuſt zu haben, daß der Miſſethaͤter zu der Schlaͤgerei oder dem Ver- brechen, worin er betroffen worden, eine vorſetzliche Neigung gehabt habe: ſo haben auch die Hauswirthe und die Herren der Delinquenten nicht weniger eine ſchwere wilkuͤhrliche Strafe davon zu gewarten. Es beruhet uͤberhaupt dieſes ſtrenge Verfahren auf eben dem Grunde als der Saz: Facientis culpam procul dubio habet, qui quod poteſt cor- rigere, negligit emendare. Wann einer, aus Eifer uͤbereilt, auf einen andern ſeinen Saͤbel entbloͤßete, iſt er, ob er ihn ſchon nicht verlezte, dem Schwerd anheim gefallen, wenn es der Obrigkeit angeklagt wird. Wann ein Buͤrger oder Einwohner aus Furcht einiger Strafe entliefe, muß die Kumi jaſjra ihn herbeizuſchaffen ſich bemuͤhen, und ihn ſowohl ſelbſt als durch andere auf- ſuchen laſſen, bei Vermeidung wilkuͤhrlicher Leibesſtrafe nach Befinden der Sache. Jm lezten Monate des alten Jahrs geſchiehet von dem Nitzi gjoſi jeder Gaſſe die Fito Aratame, d. i. Aufſchreibung aller Hausgenoſſen, Kinder und Alten mit den eigentlichen Namen ihres Geburtsorts und ihrer Sjuu oder Religionsſekte; ſie laſſen ſich insgemein unter dem Namen der Sekte ihres Hausvaters aufſchreiben, doch viele Eiferer, beſonders der Sekte Sjodo wollen es ihren Hauswirthen nicht bewilligen, ſie anders als mit dem Namen ihrer wahren Sjuu zu bezeichnen. Das weibliche Geſchlecht wird bei dieſer Regiſtrirung nur gezaͤhlt, und ohne weiter Detail der Summe zugeſezt. Nachdem am Schluſſe des alten Jahrs dieſe Muſterrolle verfertigt iſt, wird dar- auf mit dem Anfange des neuen Jahrs die Jefumi gehalten, das nach dem Buchſtaben ſo viel heißet, als die Figurtretung, weil ſie das Bild des am Kreuz hangenden Chri- ſtus und noch eines andern Heiligen *) mit Fuͤſſen treten, zum Beweis, daß ſie der Lehre Chriſti und ſeiner Apoſtel entſagen und ſie verfluchen. Die Ceremonie dieſer Entheiligung des gekreuzigten Heilandes nimt von dem zweiten Tage des erſten Monats nach der Reihe der *) Scheuchzer gedenkt auch noch beſonders des Marienbildes. E 2

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/49>, abgerufen am 24.11.2024.