Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.Nacherinnerungen des Herausgebers. richtung ist wohl nicht viel einzuwenden, und sie hätte nicht so wortreich vom Verf. verthei-digt werden dürfen. Alles, was ein Staat zu seiner Erhaltung nöthig hält, ist gerecht, und kein Staat in der Welt kan einen andern mit Recht zwingen, seine Unterthanen in sein Land zuzulassen, wenn er es nicht gut findet. Auch die Unterthanen müssen sich alle Ein- schränkungen ihrer Freiheit gefallen lassen, so lange sie Glieder des Staats bleiben wollen, oder nicht nach dem Willen der Meisten und Stärksten ihm eine andre Form geben. Die Hauptfrage bleibt also, ob es politisch nüzlich ist, sich ganz von der übrigen Welt zu tren- nen, wie Japan gethan hat? Die Gründe dafür sind allerdings von Gewicht. Dies Land hat alle Produkte, die es zur Nethdurft und auch zum Lurus des Lebens bedarf; es kan also alle fremde Nationen entbehren. Die itzigen Monarchen suchen natürlich die einmal eingeführte Regierungsform zu erhalten, und diese kömt durch die freie Zulassung der Frem- den in Gefahr, die den in der Unterwürfigkeit schmachtenden Unterthanen zu Hülfe kommen könten. Diese Gefahr mus desto furchtbarer scheinen, da die treulosen Portugiesen schon wirklich einen Versuch gemacht haben, die Regierung Japans ganz umzustürzen, und es einem fremden Monarchen zu unterwerfen. Und da dieser Versuch mit Ausbreitung der christlichen Religion auf das genaueste verbunden war, und die Fremden nur durch diese das Zutrauen der Eingebornen in so hohem Grade gewannen; so war es natürlich, auch dieser Religion es entgelten zu lassen, daß sie zum Vorwand und zur Begünstigung des Aufruhrs gedient hatte. Und da diese einmal so vielen Eingang gefunden hatte, so diente sie Frem- den, die Unruhen erregen wolten, zu einem sichern Mittel, Verbindung mit den Eingebor- nen und ihr Zutrauen zu erwerben. Daher war der Has des Christenthums politisch ge- recht, und die Verfolgung desselben kan in Japan gewis besser gerechtfertigt werden, als die Verfolgung in irgend einem andern Theile der Welt. Die Japanische Religion ist to- lerant, nur die intolerante der Portugiesen reizte zur Rache. Es war auch hier nicht ein Jnquisitionsgericht, das den Glauben der Andersdenkenden verfolgte, sondern die Regie- rung, welche offenbar angreifende Fremdlinge und aufrührische Unterthanen strafte. Die Strafe war hart, aber war es das Verbrechen nicht auch? So hart sie auch war, konte sie doch nicht alle Ueberbleibsel der dem Wohl des So G g g 3
Nacherinnerungen des Herausgebers. richtung iſt wohl nicht viel einzuwenden, und ſie haͤtte nicht ſo wortreich vom Verf. verthei-digt werden duͤrfen. Alles, was ein Staat zu ſeiner Erhaltung noͤthig haͤlt, iſt gerecht, und kein Staat in der Welt kan einen andern mit Recht zwingen, ſeine Unterthanen in ſein Land zuzulaſſen, wenn er es nicht gut findet. Auch die Unterthanen muͤſſen ſich alle Ein- ſchraͤnkungen ihrer Freiheit gefallen laſſen, ſo lange ſie Glieder des Staats bleiben wollen, oder nicht nach dem Willen der Meiſten und Staͤrkſten ihm eine andre Form geben. Die Hauptfrage bleibt alſo, ob es politiſch nuͤzlich iſt, ſich ganz von der uͤbrigen Welt zu tren- nen, wie Japan gethan hat? Die Gruͤnde dafuͤr ſind allerdings von Gewicht. Dies Land hat alle Produkte, die es zur Nethdurft und auch zum Lurus des Lebens bedarf; es kan alſo alle fremde Nationen entbehren. Die itzigen Monarchen ſuchen natuͤrlich die einmal eingefuͤhrte Regierungsform zu erhalten, und dieſe koͤmt durch die freie Zulaſſung der Frem- den in Gefahr, die den in der Unterwuͤrfigkeit ſchmachtenden Unterthanen zu Huͤlfe kommen koͤnten. Dieſe Gefahr mus deſto furchtbarer ſcheinen, da die treuloſen Portugieſen ſchon wirklich einen Verſuch gemacht haben, die Regierung Japans ganz umzuſtuͤrzen, und es einem fremden Monarchen zu unterwerfen. Und da dieſer Verſuch mit Ausbreitung der chriſtlichen Religion auf das genaueſte verbunden war, und die Fremden nur durch dieſe das Zutrauen der Eingebornen in ſo hohem Grade gewannen; ſo war es natuͤrlich, auch dieſer Religion es entgelten zu laſſen, daß ſie zum Vorwand und zur Beguͤnſtigung des Aufruhrs gedient hatte. Und da dieſe einmal ſo vielen Eingang gefunden hatte, ſo diente ſie Frem- den, die Unruhen erregen wolten, zu einem ſichern Mittel, Verbindung mit den Eingebor- nen und ihr Zutrauen zu erwerben. Daher war der Has des Chriſtenthums politiſch ge- recht, und die Verfolgung deſſelben kan in Japan gewis beſſer gerechtfertigt werden, als die Verfolgung in irgend einem andern Theile der Welt. Die Japaniſche Religion iſt to- lerant, nur die intolerante der Portugieſen reizte zur Rache. Es war auch hier nicht ein Jnquiſitionsgericht, das den Glauben der Andersdenkenden verfolgte, ſondern die Regie- rung, welche offenbar angreifende Fremdlinge und aufruͤhriſche Unterthanen ſtrafte. Die Strafe war hart, aber war es das Verbrechen nicht auch? So hart ſie auch war, konte ſie doch nicht alle Ueberbleibſel der dem Wohl des So G g g 3
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Nacherinnerungen des Herausgebers.
richtung iſt wohl nicht viel einzuwenden, und ſie haͤtte nicht ſo wortreich vom Verf. verthei-
digt werden duͤrfen. Alles, was ein Staat zu ſeiner Erhaltung noͤthig haͤlt, iſt gerecht,
und kein Staat in der Welt kan einen andern mit Recht zwingen, ſeine Unterthanen in ſein
Land zuzulaſſen, wenn er es nicht gut findet. Auch die Unterthanen muͤſſen ſich alle Ein-
ſchraͤnkungen ihrer Freiheit gefallen laſſen, ſo lange ſie Glieder des Staats bleiben wollen,
oder nicht nach dem Willen der Meiſten und Staͤrkſten ihm eine andre Form geben. Die
Hauptfrage bleibt alſo, ob es politiſch nuͤzlich iſt, ſich ganz von der uͤbrigen Welt zu tren-
nen, wie Japan gethan hat? Die Gruͤnde dafuͤr ſind allerdings von Gewicht. Dies Land
hat alle Produkte, die es zur Nethdurft und auch zum Lurus des Lebens bedarf; es kan
alſo alle fremde Nationen entbehren. Die itzigen Monarchen ſuchen natuͤrlich die einmal
eingefuͤhrte Regierungsform zu erhalten, und dieſe koͤmt durch die freie Zulaſſung der Frem-
den in Gefahr, die den in der Unterwuͤrfigkeit ſchmachtenden Unterthanen zu Huͤlfe kommen
koͤnten. Dieſe Gefahr mus deſto furchtbarer ſcheinen, da die treuloſen Portugieſen ſchon
wirklich einen Verſuch gemacht haben, die Regierung Japans ganz umzuſtuͤrzen, und es
einem fremden Monarchen zu unterwerfen. Und da dieſer Verſuch mit Ausbreitung der
chriſtlichen Religion auf das genaueſte verbunden war, und die Fremden nur durch dieſe das
Zutrauen der Eingebornen in ſo hohem Grade gewannen; ſo war es natuͤrlich, auch dieſer
Religion es entgelten zu laſſen, daß ſie zum Vorwand und zur Beguͤnſtigung des Aufruhrs
gedient hatte. Und da dieſe einmal ſo vielen Eingang gefunden hatte, ſo diente ſie Frem-
den, die Unruhen erregen wolten, zu einem ſichern Mittel, Verbindung mit den Eingebor-
nen und ihr Zutrauen zu erwerben. Daher war der Has des Chriſtenthums politiſch ge-
recht, und die Verfolgung deſſelben kan in Japan gewis beſſer gerechtfertigt werden, als
die Verfolgung in irgend einem andern Theile der Welt. Die Japaniſche Religion iſt to-
lerant, nur die intolerante der Portugieſen reizte zur Rache. Es war auch hier nicht ein
Jnquiſitionsgericht, das den Glauben der Andersdenkenden verfolgte, ſondern die Regie-
rung, welche offenbar angreifende Fremdlinge und aufruͤhriſche Unterthanen ſtrafte. Die
Strafe war hart, aber war es das Verbrechen nicht auch?
So hart ſie auch war, konte ſie doch nicht alle Ueberbleibſel der dem Wohl des
Staats ſchaͤdlichen Lehre ausrotten, und alſo war es nothwendig, um die Vereinigung feind-
licher Fremdlinge und noch unentdekter uͤbelgeſinter Eingebornen zu verhindern, die Fremden
faſt ganz zu verbannen, und die wenigen Zugelasnen von aller Gemeinſchaft mit den Landes-
einwohnern auszuſchließen. Nur auf die Art konte die Japaniſche Regierung ſich vor allen
fernern Unternehmungen und der beſtaͤndigen Furcht einer Empoͤrung ſchuͤtzen. Und gewis
hat ſie dieſe Abſicht auf die volkommenſte Weiſe erreicht. Die Gefangenſchaft, in der die
Hollaͤnder und Sineſer gehalten werden, iſt freilich ſehr ſtrenge, aber die Liebe des Gewins
ſpornet jene Nationen doch noch immer an ſie zu ertragen.
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