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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der übrigen Welt.
vorbereitet war, und also nicht viele Arbeit erfoderte. Er entzog dem heiligen Thron seiner
Vorfahren, den er selbst zu besteigen, seiner jüngern Geburt wegen, nie hoffen konnte, alle
weltliche Gewalt, da er die Armee ganz seiner Willkühr unterwarf; lies aber die Gewalt
in geistlichen Dingen dem Kaiser ganz ungemindert, deren er noch jetzt genießt, als der ächte
Nachfolger der Götter angesehn, und zunächst nach ihnen vom Volke verehrt wird.

Dieser glückliche Ausgang eines kühnen Anschlags war dem ihn unternehmenden
Sohn nicht so vortheilhaft, als dem Reiche selbst, in welchem hiedurch der Grund zu einer
neuen Regierungsform, und zu einer bessern Bildung der Nation gelegt wurde. Der Räu-
ber selbst konnte die weltliche Krone, die er dem heiligen Haupte entrissen hatte, nicht auf
dem seinigen erhalten. Lange wurde um dieselbe von vielen Nebenbuhlern eifrigst gekämpft,
endlich errang sie sich Fidejos, ein Held von ganz unvergleichlicher Tapferkeit und Klugheit.
Er hatte aus dem niedrigsten Stande bis zu diesem Gipfel der Hoheit sich emporgeschwungen,
um das Jahr 1583, und erhielt nachher den Namen Taico. Er hatte Geist, Fähigkei-
ten, Neigungen, Wünsche und die ganze Lage der Fürsten und des Volks auf das genaueste
erforscht, und da bemerkte sein scharfer Blick bald, daß er nie einen dauerhaften Besitz
des Reichs hoffen könne, wenn er ihn nicht auf den ganz entkräfteten Ehrgeiz und die völlig
unterdrückte Freyheit der kleinen Könige gründete. Diese Unternehmung war ausnehmend
wichtig und völlig neu für diesen östlichsten Erdtheil, die aber doch ihm, zum ewigen Ruhm
seines Namens, vorbehalten war. Sie wurde ihm erleichtert, da er schon manche dieser
kleinen Beherrscher unterdrückt hatte, manche durch die langwierigen Kriege unter sich ent-
kräftet waren. Die Uebrigen aber musten nun noch durch List oder Gewalt bezwungen
werden.

Die heiligen Monarchen Japans hatten vier Jahrhunderte umsonst sich bemühet,
die übermüthige Gewalt ihrer Landesfürsten zu bändigen. Aber was sie durch die Gewalt
und ihre eigne Söhne, die Anführer ihrer Heere waren, nicht vermochten, das brachte
Taico in fünf bis zehn Jahren nicht sowohl durch Macht als durch Klugheit und Benutzung
günstiger Umstände, die seine Zeit ihm darbot, zu Stande. Er bekriegte Coräa und
entfernte dadurch die durch die bürgerlichen Kriege noch nicht genug geschwächten Großen aus
ihrem Vaterlande und Gebiete. Und nun, da diese jenseits des Meers durch die tatarischen
Heere hinlänglich beschäftigt waren, bevestigte Taico zu Hause, wo ihm Niemand mehr
widerstand, seine Herrschaft. Da er hierin weit glücklicher war, als in seinen Unterneh-
mungen auf feindlichem Boden, so faste er nach einiger Zeit den klugen Entschlus, seine klei-
nen Könige aus dem Lager wieder abzuruffen. Diese waren nun des Ungemachs, das sie
unter fremdem Himmel erdulden mußten, überdrüßig, ihr häusliches Vermögen war er-
schöpft, ihr Muth und zum Aufruhr geneigter Sinn gebändigt; sie sehnten sich alle endlich
wieder einmal der Ruhe im Vaterlande zu genießen. Bey solchen Gesinnungen hofte Taico,

daß

II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt.
vorbereitet war, und alſo nicht viele Arbeit erfoderte. Er entzog dem heiligen Thron ſeiner
Vorfahren, den er ſelbſt zu beſteigen, ſeiner juͤngern Geburt wegen, nie hoffen konnte, alle
weltliche Gewalt, da er die Armee ganz ſeiner Willkuͤhr unterwarf; lies aber die Gewalt
in geiſtlichen Dingen dem Kaiſer ganz ungemindert, deren er noch jetzt genießt, als der aͤchte
Nachfolger der Goͤtter angeſehn, und zunaͤchſt nach ihnen vom Volke verehrt wird.

Dieſer gluͤckliche Ausgang eines kuͤhnen Anſchlags war dem ihn unternehmenden
Sohn nicht ſo vortheilhaft, als dem Reiche ſelbſt, in welchem hiedurch der Grund zu einer
neuen Regierungsform, und zu einer beſſern Bildung der Nation gelegt wurde. Der Raͤu-
ber ſelbſt konnte die weltliche Krone, die er dem heiligen Haupte entriſſen hatte, nicht auf
dem ſeinigen erhalten. Lange wurde um dieſelbe von vielen Nebenbuhlern eifrigſt gekaͤmpft,
endlich errang ſie ſich Fidejos, ein Held von ganz unvergleichlicher Tapferkeit und Klugheit.
Er hatte aus dem niedrigſten Stande bis zu dieſem Gipfel der Hoheit ſich emporgeſchwungen,
um das Jahr 1583, und erhielt nachher den Namen Taico. Er hatte Geiſt, Faͤhigkei-
ten, Neigungen, Wuͤnſche und die ganze Lage der Fuͤrſten und des Volks auf das genaueſte
erforſcht, und da bemerkte ſein ſcharfer Blick bald, daß er nie einen dauerhaften Beſitz
des Reichs hoffen koͤnne, wenn er ihn nicht auf den ganz entkraͤfteten Ehrgeiz und die voͤllig
unterdruͤckte Freyheit der kleinen Koͤnige gruͤndete. Dieſe Unternehmung war ausnehmend
wichtig und voͤllig neu fuͤr dieſen oͤſtlichſten Erdtheil, die aber doch ihm, zum ewigen Ruhm
ſeines Namens, vorbehalten war. Sie wurde ihm erleichtert, da er ſchon manche dieſer
kleinen Beherrſcher unterdruͤckt hatte, manche durch die langwierigen Kriege unter ſich ent-
kraͤftet waren. Die Uebrigen aber muſten nun noch durch Liſt oder Gewalt bezwungen
werden.

Die heiligen Monarchen Japans hatten vier Jahrhunderte umſonſt ſich bemuͤhet,
die uͤbermuͤthige Gewalt ihrer Landesfuͤrſten zu baͤndigen. Aber was ſie durch die Gewalt
und ihre eigne Soͤhne, die Anfuͤhrer ihrer Heere waren, nicht vermochten, das brachte
Taico in fuͤnf bis zehn Jahren nicht ſowohl durch Macht als durch Klugheit und Benutzung
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entfernte dadurch die durch die buͤrgerlichen Kriege noch nicht genug geſchwaͤchten Großen aus
ihrem Vaterlande und Gebiete. Und nun, da dieſe jenſeits des Meers durch die tatariſchen
Heere hinlaͤnglich beſchaͤftigt waren, beveſtigte Taico zu Hauſe, wo ihm Niemand mehr
widerſtand, ſeine Herrſchaft. Da er hierin weit gluͤcklicher war, als in ſeinen Unterneh-
mungen auf feindlichem Boden, ſo faſte er nach einiger Zeit den klugen Entſchlus, ſeine klei-
nen Koͤnige aus dem Lager wieder abzuruffen. Dieſe waren nun des Ungemachs, das ſie
unter fremdem Himmel erdulden mußten, uͤberdruͤßig, ihr haͤusliches Vermoͤgen war er-
ſchoͤpft, ihr Muth und zum Aufruhr geneigter Sinn gebaͤndigt; ſie ſehnten ſich alle endlich
wieder einmal der Ruhe im Vaterlande zu genießen. Bey ſolchen Geſinnungen hofte Taico,

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[407/0463] II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. vorbereitet war, und alſo nicht viele Arbeit erfoderte. Er entzog dem heiligen Thron ſeiner Vorfahren, den er ſelbſt zu beſteigen, ſeiner juͤngern Geburt wegen, nie hoffen konnte, alle weltliche Gewalt, da er die Armee ganz ſeiner Willkuͤhr unterwarf; lies aber die Gewalt in geiſtlichen Dingen dem Kaiſer ganz ungemindert, deren er noch jetzt genießt, als der aͤchte Nachfolger der Goͤtter angeſehn, und zunaͤchſt nach ihnen vom Volke verehrt wird. Dieſer gluͤckliche Ausgang eines kuͤhnen Anſchlags war dem ihn unternehmenden Sohn nicht ſo vortheilhaft, als dem Reiche ſelbſt, in welchem hiedurch der Grund zu einer neuen Regierungsform, und zu einer beſſern Bildung der Nation gelegt wurde. Der Raͤu- ber ſelbſt konnte die weltliche Krone, die er dem heiligen Haupte entriſſen hatte, nicht auf dem ſeinigen erhalten. Lange wurde um dieſelbe von vielen Nebenbuhlern eifrigſt gekaͤmpft, endlich errang ſie ſich Fidejos, ein Held von ganz unvergleichlicher Tapferkeit und Klugheit. Er hatte aus dem niedrigſten Stande bis zu dieſem Gipfel der Hoheit ſich emporgeſchwungen, um das Jahr 1583, und erhielt nachher den Namen Taico. Er hatte Geiſt, Faͤhigkei- ten, Neigungen, Wuͤnſche und die ganze Lage der Fuͤrſten und des Volks auf das genaueſte erforſcht, und da bemerkte ſein ſcharfer Blick bald, daß er nie einen dauerhaften Beſitz des Reichs hoffen koͤnne, wenn er ihn nicht auf den ganz entkraͤfteten Ehrgeiz und die voͤllig unterdruͤckte Freyheit der kleinen Koͤnige gruͤndete. Dieſe Unternehmung war ausnehmend wichtig und voͤllig neu fuͤr dieſen oͤſtlichſten Erdtheil, die aber doch ihm, zum ewigen Ruhm ſeines Namens, vorbehalten war. Sie wurde ihm erleichtert, da er ſchon manche dieſer kleinen Beherrſcher unterdruͤckt hatte, manche durch die langwierigen Kriege unter ſich ent- kraͤftet waren. Die Uebrigen aber muſten nun noch durch Liſt oder Gewalt bezwungen werden. Die heiligen Monarchen Japans hatten vier Jahrhunderte umſonſt ſich bemuͤhet, die uͤbermuͤthige Gewalt ihrer Landesfuͤrſten zu baͤndigen. Aber was ſie durch die Gewalt und ihre eigne Soͤhne, die Anfuͤhrer ihrer Heere waren, nicht vermochten, das brachte Taico in fuͤnf bis zehn Jahren nicht ſowohl durch Macht als durch Klugheit und Benutzung guͤnſtiger Umſtaͤnde, die ſeine Zeit ihm darbot, zu Stande. Er bekriegte Coraͤa und entfernte dadurch die durch die buͤrgerlichen Kriege noch nicht genug geſchwaͤchten Großen aus ihrem Vaterlande und Gebiete. Und nun, da dieſe jenſeits des Meers durch die tatariſchen Heere hinlaͤnglich beſchaͤftigt waren, beveſtigte Taico zu Hauſe, wo ihm Niemand mehr widerſtand, ſeine Herrſchaft. Da er hierin weit gluͤcklicher war, als in ſeinen Unterneh- mungen auf feindlichem Boden, ſo faſte er nach einiger Zeit den klugen Entſchlus, ſeine klei- nen Koͤnige aus dem Lager wieder abzuruffen. Dieſe waren nun des Ungemachs, das ſie unter fremdem Himmel erdulden mußten, uͤberdruͤßig, ihr haͤusliches Vermoͤgen war er- ſchoͤpft, ihr Muth und zum Aufruhr geneigter Sinn gebaͤndigt; ſie ſehnten ſich alle endlich wieder einmal der Ruhe im Vaterlande zu genießen. Bey ſolchen Geſinnungen hofte Taico, daß

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 407. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/463>, abgerufen am 24.11.2024.