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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der übrigen Welt.
des Schmerzes (welche sie verschlossene Winde nennen) durch äußere Mittel nämlich die
Nadel und den Rauch zu vertilgen. Auch durch den Gebrauch der Bäder im Hause, de-
ren sich die Japaner täglich zur Reinigung ihres Körpers bedienen, vertreiben sie eine un-
zählige Menge Krankheiten, ohne gerade die Absicht zu haben. Auch die auf das heftigste
Gelähmten pflegen sie nach unsrer Weise in die Bäder zu schicken, die man im Reiche hin
und wieder, und zwar von ausnehmender Wirksamkeit, findet.

Aber, wird man vielleicht einwerfen, Japan kent doch gewis nicht die heiligen
Geheimnisse der Themis? Die unsrigen, denke ich, können sie nun wohl ganz ruhig ent-
behren, da durch ihren häufigen Misbrauch die Unschuld mehr leidet als geschäzt wird. Jn
Japan, und überhaupt in ganz Asien, ist der Weg zur Gerechtigkeit kürzer. Man bringt
hier nicht ganze Olympiaden damit hin, zu streiten und Schriften gegen einander zu wech-
seln, sondern wenn der Richter die Streitfrage gehörig gefaßt, die Zeugen von beiden Sei-
ten abgehört, alle Umstände genau erwogen hat, so fället er ein den Gesetzen gemäßes
Urtheil, das durch keine zögernde Appellation aufgehalten, durch keine Gunst eines höhern
Richters gemildert werden kan. Wenn bei dieser Kürze auch dann und wann gegen irgend
einen Punkt des Rechts gefehlt werden solte, so kan doch ein solcher Jrthum niemals so viel
Schaden bringen, als wir in Europa bei dem allerlegalsten Verfahren zu leiden pflegen.
Wie gros ist nicht hier die Verzögerung der Processe durch die vielen Exceptionen, Dila-
tionen und die unzähligen Advokatenkünste. Erst nach Ueberwindung so vieler Schwierig-
keiten kömt unsre Sache endlich an die sogenante höchste Jnstanz, wo wir denn den Proces
ganz von neuem wieder anfangen, und so sehr wir auch schon Geduld und Kosten angewandt
haben, doch noch mehr gebrauchen, und aus der Charybd's in Scyllam geführt werden. Man
darf aber sicher nicht glauben, daß Japan ohne Gesetze sey. Ein so wichtiger und blühen-
der Staat, eine Nation, die so unruhig und so leicht in Bewegung zu bringen ist, wie
das ihr benachbarte Meer, könte gewis nicht in so großer Ordnung und Ruhe erhalten wer-
den, wenn es nicht durch den Zaum einer guten Verfassung und strenger Gesetze geschähe.
Man wird dieses, ihre gute Einrichtung, und zugleich die Glükseligkeit der itzigen Regierung,
einsehn, wenn ich nunmehr den Japanischen Staat, wie er dermalen, da das Reich ge-
schlossen ist, verwaltet wird, und zugleich die ersten Veranlassungen und Gründe dieser Ver-
schließung beschreiben werde.

§. 4.

Die alten Einwohner sind aus Daats oder der Tatarei in den alten Zeiten
unter einem unbekanten Namen nach Japan gekommen, und daselbst lange der übrigen
Welt verborgen gewesen, da sie als ein Fischessendes Volk in einem sehr rohen Zustande

lebten.
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II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt.
des Schmerzes (welche ſie verſchloſſene Winde nennen) durch aͤußere Mittel naͤmlich die
Nadel und den Rauch zu vertilgen. Auch durch den Gebrauch der Baͤder im Hauſe, de-
ren ſich die Japaner taͤglich zur Reinigung ihres Koͤrpers bedienen, vertreiben ſie eine un-
zaͤhlige Menge Krankheiten, ohne gerade die Abſicht zu haben. Auch die auf das heftigſte
Gelaͤhmten pflegen ſie nach unſrer Weiſe in die Baͤder zu ſchicken, die man im Reiche hin
und wieder, und zwar von ausnehmender Wirkſamkeit, findet.

Aber, wird man vielleicht einwerfen, Japan kent doch gewis nicht die heiligen
Geheimniſſe der Themis? Die unſrigen, denke ich, koͤnnen ſie nun wohl ganz ruhig ent-
behren, da durch ihren haͤufigen Misbrauch die Unſchuld mehr leidet als geſchaͤzt wird. Jn
Japan, und uͤberhaupt in ganz Aſien, iſt der Weg zur Gerechtigkeit kuͤrzer. Man bringt
hier nicht ganze Olympiaden damit hin, zu ſtreiten und Schriften gegen einander zu wech-
ſeln, ſondern wenn der Richter die Streitfrage gehoͤrig gefaßt, die Zeugen von beiden Sei-
ten abgehoͤrt, alle Umſtaͤnde genau erwogen hat, ſo faͤllet er ein den Geſetzen gemaͤßes
Urtheil, das durch keine zoͤgernde Appellation aufgehalten, durch keine Gunſt eines hoͤhern
Richters gemildert werden kan. Wenn bei dieſer Kuͤrze auch dann und wann gegen irgend
einen Punkt des Rechts gefehlt werden ſolte, ſo kan doch ein ſolcher Jrthum niemals ſo viel
Schaden bringen, als wir in Europa bei dem allerlegalſten Verfahren zu leiden pflegen.
Wie gros iſt nicht hier die Verzoͤgerung der Proceſſe durch die vielen Exceptionen, Dila-
tionen und die unzaͤhligen Advokatenkuͤnſte. Erſt nach Ueberwindung ſo vieler Schwierig-
keiten koͤmt unſre Sache endlich an die ſogenante hoͤchſte Jnſtanz, wo wir denn den Proces
ganz von neuem wieder anfangen, und ſo ſehr wir auch ſchon Geduld und Koſten angewandt
haben, doch noch mehr gebrauchen, und aus der Charybd’s in Scyllam gefuͤhrt werden. Man
darf aber ſicher nicht glauben, daß Japan ohne Geſetze ſey. Ein ſo wichtiger und bluͤhen-
der Staat, eine Nation, die ſo unruhig und ſo leicht in Bewegung zu bringen iſt, wie
das ihr benachbarte Meer, koͤnte gewis nicht in ſo großer Ordnung und Ruhe erhalten wer-
den, wenn es nicht durch den Zaum einer guten Verfaſſung und ſtrenger Geſetze geſchaͤhe.
Man wird dieſes, ihre gute Einrichtung, und zugleich die Gluͤkſeligkeit der itzigen Regierung,
einſehn, wenn ich nunmehr den Japaniſchen Staat, wie er dermalen, da das Reich ge-
ſchloſſen iſt, verwaltet wird, und zugleich die erſten Veranlaſſungen und Gruͤnde dieſer Ver-
ſchließung beſchreiben werde.

§. 4.

Die alten Einwohner ſind aus Daats oder der Tatarei in den alten Zeiten
unter einem unbekanten Namen nach Japan gekommen, und daſelbſt lange der uͤbrigen
Welt verborgen geweſen, da ſie als ein Fiſcheſſendes Volk in einem ſehr rohen Zuſtande

lebten.
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[405/0461] II. Beweis der nothwendigen Trennung Japans von der uͤbrigen Welt. des Schmerzes (welche ſie verſchloſſene Winde nennen) durch aͤußere Mittel naͤmlich die Nadel und den Rauch zu vertilgen. Auch durch den Gebrauch der Baͤder im Hauſe, de- ren ſich die Japaner taͤglich zur Reinigung ihres Koͤrpers bedienen, vertreiben ſie eine un- zaͤhlige Menge Krankheiten, ohne gerade die Abſicht zu haben. Auch die auf das heftigſte Gelaͤhmten pflegen ſie nach unſrer Weiſe in die Baͤder zu ſchicken, die man im Reiche hin und wieder, und zwar von ausnehmender Wirkſamkeit, findet. Aber, wird man vielleicht einwerfen, Japan kent doch gewis nicht die heiligen Geheimniſſe der Themis? Die unſrigen, denke ich, koͤnnen ſie nun wohl ganz ruhig ent- behren, da durch ihren haͤufigen Misbrauch die Unſchuld mehr leidet als geſchaͤzt wird. Jn Japan, und uͤberhaupt in ganz Aſien, iſt der Weg zur Gerechtigkeit kuͤrzer. Man bringt hier nicht ganze Olympiaden damit hin, zu ſtreiten und Schriften gegen einander zu wech- ſeln, ſondern wenn der Richter die Streitfrage gehoͤrig gefaßt, die Zeugen von beiden Sei- ten abgehoͤrt, alle Umſtaͤnde genau erwogen hat, ſo faͤllet er ein den Geſetzen gemaͤßes Urtheil, das durch keine zoͤgernde Appellation aufgehalten, durch keine Gunſt eines hoͤhern Richters gemildert werden kan. Wenn bei dieſer Kuͤrze auch dann und wann gegen irgend einen Punkt des Rechts gefehlt werden ſolte, ſo kan doch ein ſolcher Jrthum niemals ſo viel Schaden bringen, als wir in Europa bei dem allerlegalſten Verfahren zu leiden pflegen. Wie gros iſt nicht hier die Verzoͤgerung der Proceſſe durch die vielen Exceptionen, Dila- tionen und die unzaͤhligen Advokatenkuͤnſte. Erſt nach Ueberwindung ſo vieler Schwierig- keiten koͤmt unſre Sache endlich an die ſogenante hoͤchſte Jnſtanz, wo wir denn den Proces ganz von neuem wieder anfangen, und ſo ſehr wir auch ſchon Geduld und Koſten angewandt haben, doch noch mehr gebrauchen, und aus der Charybd’s in Scyllam gefuͤhrt werden. Man darf aber ſicher nicht glauben, daß Japan ohne Geſetze ſey. Ein ſo wichtiger und bluͤhen- der Staat, eine Nation, die ſo unruhig und ſo leicht in Bewegung zu bringen iſt, wie das ihr benachbarte Meer, koͤnte gewis nicht in ſo großer Ordnung und Ruhe erhalten wer- den, wenn es nicht durch den Zaum einer guten Verfaſſung und ſtrenger Geſetze geſchaͤhe. Man wird dieſes, ihre gute Einrichtung, und zugleich die Gluͤkſeligkeit der itzigen Regierung, einſehn, wenn ich nunmehr den Japaniſchen Staat, wie er dermalen, da das Reich ge- ſchloſſen iſt, verwaltet wird, und zugleich die erſten Veranlaſſungen und Gruͤnde dieſer Ver- ſchließung beſchreiben werde. §. 4. Die alten Einwohner ſind aus Daats oder der Tatarei in den alten Zeiten unter einem unbekanten Namen nach Japan gekommen, und daſelbſt lange der uͤbrigen Welt verborgen geweſen, da ſie als ein Fiſcheſſendes Volk in einem ſehr rohen Zuſtande lebten. E e e 3

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 405. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/461>, abgerufen am 24.11.2024.