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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reise nach Hofe.

Nach diesem abgelegten Besuch ritten wir nach dem Gensemon, Sino Cami
Sama,
alwo wir in Gegenwart vieler uns unbekanten Fremden, unter andern auch des
Sjube und Gensemon Brüdern, die jedoch alle sehr vertraut mit uns waren, ebenfals sehr
wohl bewirthet wurden. Der Gensemon hatte einen Sohn mit schadhaften Füßen und der
Sjube einen Bruder mit einem ausgeschlagenen Gesichte, wogegen sie von mir Rath und
Hülfe begehrten. Dem hinter einer lichten Matte sich sehr häufig versamleten Frauenzim-
mer sangen wir ein Liedchen auf und machten einen Tanz.

Beim Tonnemon war alles, wie im vorigen Jahre, überflüssig und herrlich;
wir sangen bei ihm drei Lieder ab, und kamen endlich nach der Sonnenuntergang vergnügt
nach Hause; unter Wegs passirten wir den Tempel Koobojin vorbei.

Diesen Abend hatten verschiedene ordentliche Reichsräthe nebst einem der Gouver-
neurs in unserer Abwesenheit die Schenkröcke geschikt, welche der Joriki in unserm Na-
men angenommen, wiewol einige der damit Abgeschikten bis auf unsere Rükkunft warteten,
deren die mehresten an den Dolmetscher und des Wirths Sohn ebenfals ein Geschenk ge-
macht, weil sie von diesen bei uns angemeldet worden.

Die Ueberlieferung der Schenkröcke aber geschiehet auf folgende Art: Zuerst
gehen Kuli voraus, so in Kasten die Röcke tragen: einer von ihnen hat das Bret oder die
Tafel, worauf sie in Ordnung gelegt und vorgetragen werden, wo alsdenn darüber her ein
Glükspapier, wie man sagt, zu liegen komt, das in einigen platten und am Ende zusam-
men geflochtenen Strängen bestehet, die in ein Papier gethan und mit einigen verguldeten
und versilberten oder sonst farbigten papiernen Schnüren, doch alzeit in einem ungleichen
Paar, als 3, 5, 7, 11 etc. umwunden sind. Dann folgt der Abgeschikte, einer nämlich von
den Haushofmeistern, der vor unserm Joriki im Beiseyn der andern von seiner Suite, des
Wirths und der Dolmetscher, aufgeführt wird; dieser sezt sich gegen den Capitain auf ei-
nen Teppich und legt folgendes Kompliment ab: "N. N. lässet Euch zur gehabten Audienz
"und Abschied Glük, auch gut Wetter wünschen, Meditz! Eure Geschenke sind ihm lieb
"gewesen, und er schikt euch hier zur Erkentlichkeit einige wenige Röcke." Hiermit über-
reicht er an den Dolmetscher einen Bogen Papier, worauf die Anzahl der Röcke, auch
zuweilen derselben Farbe mit großen Buchstaben bemerkt ist: der Dolmetscher giebt solches
dem Capitain, dieser hält es über die Stirne und lässet durch den Dolmetscher mit Neigung
des Haupts (indem zugleich alles kniet und sizt) antworten: "Daß man sich zum höchsten
"bedanke, daß N. N. uns zur gehabten geschwinden und glüklichen Audienz beförderlich ge-

"wesen,
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Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe.

Nach dieſem abgelegten Beſuch ritten wir nach dem Genſemon, Sino Cami
Sama,
alwo wir in Gegenwart vieler uns unbekanten Fremden, unter andern auch des
Sjube und Genſemon Bruͤdern, die jedoch alle ſehr vertraut mit uns waren, ebenfals ſehr
wohl bewirthet wurden. Der Genſemon hatte einen Sohn mit ſchadhaften Fuͤßen und der
Sjube einen Bruder mit einem ausgeſchlagenen Geſichte, wogegen ſie von mir Rath und
Huͤlfe begehrten. Dem hinter einer lichten Matte ſich ſehr haͤufig verſamleten Frauenzim-
mer ſangen wir ein Liedchen auf und machten einen Tanz.

Beim Tonnemon war alles, wie im vorigen Jahre, uͤberfluͤſſig und herrlich;
wir ſangen bei ihm drei Lieder ab, und kamen endlich nach der Sonnenuntergang vergnuͤgt
nach Hauſe; unter Wegs paſſirten wir den Tempel Koobojin vorbei.

Dieſen Abend hatten verſchiedene ordentliche Reichsraͤthe nebſt einem der Gouver-
neurs in unſerer Abweſenheit die Schenkroͤcke geſchikt, welche der Joriki in unſerm Na-
men angenommen, wiewol einige der damit Abgeſchikten bis auf unſere Ruͤkkunft warteten,
deren die mehreſten an den Dolmetſcher und des Wirths Sohn ebenfals ein Geſchenk ge-
macht, weil ſie von dieſen bei uns angemeldet worden.

Die Ueberlieferung der Schenkroͤcke aber geſchiehet auf folgende Art: Zuerſt
gehen Kuli voraus, ſo in Kaſten die Roͤcke tragen: einer von ihnen hat das Bret oder die
Tafel, worauf ſie in Ordnung gelegt und vorgetragen werden, wo alsdenn daruͤber her ein
Gluͤkspapier, wie man ſagt, zu liegen komt, das in einigen platten und am Ende zuſam-
men geflochtenen Straͤngen beſtehet, die in ein Papier gethan und mit einigen verguldeten
und verſilberten oder ſonſt farbigten papiernen Schnuͤren, doch alzeit in einem ungleichen
Paar, als 3, 5, 7, 11 ꝛc. umwunden ſind. Dann folgt der Abgeſchikte, einer naͤmlich von
den Haushofmeiſtern, der vor unſerm Joriki im Beiſeyn der andern von ſeiner Suite, des
Wirths und der Dolmetſcher, aufgefuͤhrt wird; dieſer ſezt ſich gegen den Capitain auf ei-
nen Teppich und legt folgendes Kompliment ab: „N. N. laͤſſet Euch zur gehabten Audienz
„und Abſchied Gluͤk, auch gut Wetter wuͤnſchen, Meditz! Eure Geſchenke ſind ihm lieb
„geweſen, und er ſchikt euch hier zur Erkentlichkeit einige wenige Roͤcke.‟ Hiermit uͤber-
reicht er an den Dolmetſcher einen Bogen Papier, worauf die Anzahl der Roͤcke, auch
zuweilen derſelben Farbe mit großen Buchſtaben bemerkt iſt: der Dolmetſcher giebt ſolches
dem Capitain, dieſer haͤlt es uͤber die Stirne und laͤſſet durch den Dolmetſcher mit Neigung
des Haupts (indem zugleich alles kniet und ſizt) antworten: „Daß man ſich zum hoͤchſten
„bedanke, daß N. N. uns zur gehabten geſchwinden und gluͤklichen Audienz befoͤrderlich ge-

„weſen,
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[355/0401] Vierzehntes Kap. Von der zweiten Reiſe nach Hofe. Nach dieſem abgelegten Beſuch ritten wir nach dem Genſemon, Sino Cami Sama, alwo wir in Gegenwart vieler uns unbekanten Fremden, unter andern auch des Sjube und Genſemon Bruͤdern, die jedoch alle ſehr vertraut mit uns waren, ebenfals ſehr wohl bewirthet wurden. Der Genſemon hatte einen Sohn mit ſchadhaften Fuͤßen und der Sjube einen Bruder mit einem ausgeſchlagenen Geſichte, wogegen ſie von mir Rath und Huͤlfe begehrten. Dem hinter einer lichten Matte ſich ſehr haͤufig verſamleten Frauenzim- mer ſangen wir ein Liedchen auf und machten einen Tanz. Beim Tonnemon war alles, wie im vorigen Jahre, uͤberfluͤſſig und herrlich; wir ſangen bei ihm drei Lieder ab, und kamen endlich nach der Sonnenuntergang vergnuͤgt nach Hauſe; unter Wegs paſſirten wir den Tempel Koobojin vorbei. Dieſen Abend hatten verſchiedene ordentliche Reichsraͤthe nebſt einem der Gouver- neurs in unſerer Abweſenheit die Schenkroͤcke geſchikt, welche der Joriki in unſerm Na- men angenommen, wiewol einige der damit Abgeſchikten bis auf unſere Ruͤkkunft warteten, deren die mehreſten an den Dolmetſcher und des Wirths Sohn ebenfals ein Geſchenk ge- macht, weil ſie von dieſen bei uns angemeldet worden. Die Ueberlieferung der Schenkroͤcke aber geſchiehet auf folgende Art: Zuerſt gehen Kuli voraus, ſo in Kaſten die Roͤcke tragen: einer von ihnen hat das Bret oder die Tafel, worauf ſie in Ordnung gelegt und vorgetragen werden, wo alsdenn daruͤber her ein Gluͤkspapier, wie man ſagt, zu liegen komt, das in einigen platten und am Ende zuſam- men geflochtenen Straͤngen beſtehet, die in ein Papier gethan und mit einigen verguldeten und verſilberten oder ſonſt farbigten papiernen Schnuͤren, doch alzeit in einem ungleichen Paar, als 3, 5, 7, 11 ꝛc. umwunden ſind. Dann folgt der Abgeſchikte, einer naͤmlich von den Haushofmeiſtern, der vor unſerm Joriki im Beiſeyn der andern von ſeiner Suite, des Wirths und der Dolmetſcher, aufgefuͤhrt wird; dieſer ſezt ſich gegen den Capitain auf ei- nen Teppich und legt folgendes Kompliment ab: „N. N. laͤſſet Euch zur gehabten Audienz „und Abſchied Gluͤk, auch gut Wetter wuͤnſchen, Meditz! Eure Geſchenke ſind ihm lieb „geweſen, und er ſchikt euch hier zur Erkentlichkeit einige wenige Roͤcke.‟ Hiermit uͤber- reicht er an den Dolmetſcher einen Bogen Papier, worauf die Anzahl der Roͤcke, auch zuweilen derſelben Farbe mit großen Buchſtaben bemerkt iſt: der Dolmetſcher giebt ſolches dem Capitain, dieſer haͤlt es uͤber die Stirne und laͤſſet durch den Dolmetſcher mit Neigung des Haupts (indem zugleich alles kniet und ſizt) antworten: „Daß man ſich zum hoͤchſten „bedanke, daß N. N. uns zur gehabten geſchwinden und gluͤklichen Audienz befoͤrderlich ge- „weſen, Y y 2

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/401>, abgerufen am 25.11.2024.