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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779.

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Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangasacki.
getragen, vertheidigt und befochten. Die Unberedten bedienen sich der Advokaten, und die
Gründe des japanischen Rechts sind die Grundverfassung des Reichs, die kaiserlichen Ge-
setze, die Auctorität schon vorher entschiedner Fälle und die Urtheilssprüche berühmter Män-
ner. Nach gesprochnem Urtheil findet keine Appellation stat. Doch darf die Todesstrafe
nicht eher volzogen werden, bis der Reichshofrath *) sie gebilligt hat. **) Jn außeror-
dentlichen, höchstwichtigen, das ganze Reich betreffenden Angelegenheiten, die einigen Auf-
schub leiden, kan sich dies Tribunal auch durch geschwinde Posten vom Reichshofrath be-
lehren lassen.

Man nent die Bürgermeister auch Tosji Jori Sju, welches nach den japani-
schen Characteren und der Grundschrift heist: Elterleute, weil sie ehmals immer aus den
ältesten und weisesten Staatsbedienten erwählt wurden. Nachher aber ist diese Würde erb-
lich geworden, und man läst jezt gemeiniglich die Söhne, wegen der Verdienste der Väter,
diesen nachfolgen. Doch komt dieses allein auf das Gutbefinden der Gouverneurs und die
nachsolgende Billigung des kaiserlichen Reichsraths an, bei welchem der Candidat seine
Danksagung für die erhaltene Gnade vorher persönlich ablegen mus. So führt jezt wirklich
ein eilfjähriger Knabe Takaku Ganparo den Titel seines vor einem Jahre verstorbnen
Vaters Takaku Sjiro Bjoje, und wird mit den mündigen Jahren die Regierung selbst
antreten. Ein andrer schon wirklicher Bürgermeister von 22 Jahren hies vor diesem Takaku
Genso
jezt Takaku Sajemon, und hat vor fünf Jahren zugleich seinen kindischen Stand
und Namen mit dem, seines Vaters verwechseln müssen. Man erlaubt also, daß jezt drei
Personen aus der Familie Takaku die Bürgermeisterwürde, und der vierte die Stelle eines
Amtmans über die nahe an der Stadt liegenden Ländereien bekleide. Die Bürgetmeister
von Nangasacki stunden ehmals unmittelbar unter dem kaiserlichen Hofe oder Reichsrathe,
trugen zween Säbel als Beweise ihres adelmäßigen Rangs, und ließen eine Pike als Zei-
chen eines hohen und unmittelbaren Befehlshabers vor sich hertragen. Nachdem aber im
Jahr 1683 die Stathalter vom Kaiser größere Macht und Ansehn erhielten, so wurde diese

große
[Spaltenumbruch] das Versehn in schwierigen und wichtigen Fällen
nicht appellirt zu haben, mit dem Tode, Verban-
nung u. s. w. gestraft wird. -- Die Herzäh-
lung der für das Tribunal, von dem im Tert die
Rede ist, gehörigen Sachen beweist, dünkt mich,
offenbar, daß von keinem andern, als dem Stadt-
gericht, die Rede seyn könne. Denn was bliebe
sonst für die Hrn. Jahrwächter übrig?
*) [Spaltenumbruch] Unter diesem Namen versteht K. den höch-
sten Rath des Kaisers; der Hofrath ist der, des
Gouverneurs.
**) Also hat dieses Tribunal auch Criminalju-
risdiktion, aber eingeschränkt und untergeordnet,
und zwar nicht dem Gouverneur, sondern dem
Kaiser, daß also auch in Japan niemand, als der
Monarch selbst, die Todesstrafe erkennen kan.
Zweiter Band. D

Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki.
getragen, vertheidigt und befochten. Die Unberedten bedienen ſich der Advokaten, und die
Gruͤnde des japaniſchen Rechts ſind die Grundverfaſſung des Reichs, die kaiſerlichen Ge-
ſetze, die Auctoritaͤt ſchon vorher entſchiedner Faͤlle und die Urtheilsſpruͤche beruͤhmter Maͤn-
ner. Nach geſprochnem Urtheil findet keine Appellation ſtat. Doch darf die Todesſtrafe
nicht eher volzogen werden, bis der Reichshofrath *) ſie gebilligt hat. **) Jn außeror-
dentlichen, hoͤchſtwichtigen, das ganze Reich betreffenden Angelegenheiten, die einigen Auf-
ſchub leiden, kan ſich dies Tribunal auch durch geſchwinde Poſten vom Reichshofrath be-
lehren laſſen.

Man nent die Buͤrgermeiſter auch Toſji Jori Sju, welches nach den japani-
ſchen Characteren und der Grundſchrift heiſt: Elterleute, weil ſie ehmals immer aus den
aͤlteſten und weiſeſten Staatsbedienten erwaͤhlt wurden. Nachher aber iſt dieſe Wuͤrde erb-
lich geworden, und man laͤſt jezt gemeiniglich die Soͤhne, wegen der Verdienſte der Vaͤter,
dieſen nachfolgen. Doch komt dieſes allein auf das Gutbefinden der Gouverneurs und die
nachſolgende Billigung des kaiſerlichen Reichsraths an, bei welchem der Candidat ſeine
Dankſagung fuͤr die erhaltene Gnade vorher perſoͤnlich ablegen mus. So fuͤhrt jezt wirklich
ein eilfjaͤhriger Knabe Takaku Ganparo den Titel ſeines vor einem Jahre verſtorbnen
Vaters Takaku Sjiro Bjoje, und wird mit den muͤndigen Jahren die Regierung ſelbſt
antreten. Ein andrer ſchon wirklicher Buͤrgermeiſter von 22 Jahren hies vor dieſem Takaku
Genſo
jezt Takaku Sajemon, und hat vor fuͤnf Jahren zugleich ſeinen kindiſchen Stand
und Namen mit dem, ſeines Vaters verwechſeln muͤſſen. Man erlaubt alſo, daß jezt drei
Perſonen aus der Familie Takaku die Buͤrgermeiſterwuͤrde, und der vierte die Stelle eines
Amtmans uͤber die nahe an der Stadt liegenden Laͤndereien bekleide. Die Buͤrgetmeiſter
von Nangaſacki ſtunden ehmals unmittelbar unter dem kaiſerlichen Hofe oder Reichsrathe,
trugen zween Saͤbel als Beweiſe ihres adelmaͤßigen Rangs, und ließen eine Pike als Zei-
chen eines hohen und unmittelbaren Befehlshabers vor ſich hertragen. Nachdem aber im
Jahr 1683 die Stathalter vom Kaiſer groͤßere Macht und Anſehn erhielten, ſo wurde dieſe

große
[Spaltenumbruch] das Verſehn in ſchwierigen und wichtigen Faͤllen
nicht appellirt zu haben, mit dem Tode, Verban-
nung u. ſ. w. geſtraft wird. — Die Herzaͤh-
lung der fuͤr das Tribunal, von dem im Tert die
Rede iſt, gehoͤrigen Sachen beweiſt, duͤnkt mich,
offenbar, daß von keinem andern, als dem Stadt-
gericht, die Rede ſeyn koͤnne. Denn was bliebe
ſonſt fuͤr die Hrn. Jahrwaͤchter uͤbrig?
*) [Spaltenumbruch] Unter dieſem Namen verſteht K. den hoͤch-
ſten Rath des Kaiſers; der Hofrath iſt der, des
Gouverneurs.
**) Alſo hat dieſes Tribunal auch Criminalju-
risdiktion, aber eingeſchraͤnkt und untergeordnet,
und zwar nicht dem Gouverneur, ſondern dem
Kaiſer, daß alſo auch in Japan niemand, als der
Monarch ſelbſt, die Todesſtrafe erkennen kan.
Zweiter Band. D
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[25/0039] Zweit. Kap. Von der innern Regierung der Stadt Nangaſacki. getragen, vertheidigt und befochten. Die Unberedten bedienen ſich der Advokaten, und die Gruͤnde des japaniſchen Rechts ſind die Grundverfaſſung des Reichs, die kaiſerlichen Ge- ſetze, die Auctoritaͤt ſchon vorher entſchiedner Faͤlle und die Urtheilsſpruͤche beruͤhmter Maͤn- ner. Nach geſprochnem Urtheil findet keine Appellation ſtat. Doch darf die Todesſtrafe nicht eher volzogen werden, bis der Reichshofrath *) ſie gebilligt hat. **) Jn außeror- dentlichen, hoͤchſtwichtigen, das ganze Reich betreffenden Angelegenheiten, die einigen Auf- ſchub leiden, kan ſich dies Tribunal auch durch geſchwinde Poſten vom Reichshofrath be- lehren laſſen. Man nent die Buͤrgermeiſter auch Toſji Jori Sju, welches nach den japani- ſchen Characteren und der Grundſchrift heiſt: Elterleute, weil ſie ehmals immer aus den aͤlteſten und weiſeſten Staatsbedienten erwaͤhlt wurden. Nachher aber iſt dieſe Wuͤrde erb- lich geworden, und man laͤſt jezt gemeiniglich die Soͤhne, wegen der Verdienſte der Vaͤter, dieſen nachfolgen. Doch komt dieſes allein auf das Gutbefinden der Gouverneurs und die nachſolgende Billigung des kaiſerlichen Reichsraths an, bei welchem der Candidat ſeine Dankſagung fuͤr die erhaltene Gnade vorher perſoͤnlich ablegen mus. So fuͤhrt jezt wirklich ein eilfjaͤhriger Knabe Takaku Ganparo den Titel ſeines vor einem Jahre verſtorbnen Vaters Takaku Sjiro Bjoje, und wird mit den muͤndigen Jahren die Regierung ſelbſt antreten. Ein andrer ſchon wirklicher Buͤrgermeiſter von 22 Jahren hies vor dieſem Takaku Genſo jezt Takaku Sajemon, und hat vor fuͤnf Jahren zugleich ſeinen kindiſchen Stand und Namen mit dem, ſeines Vaters verwechſeln muͤſſen. Man erlaubt alſo, daß jezt drei Perſonen aus der Familie Takaku die Buͤrgermeiſterwuͤrde, und der vierte die Stelle eines Amtmans uͤber die nahe an der Stadt liegenden Laͤndereien bekleide. Die Buͤrgetmeiſter von Nangaſacki ſtunden ehmals unmittelbar unter dem kaiſerlichen Hofe oder Reichsrathe, trugen zween Saͤbel als Beweiſe ihres adelmaͤßigen Rangs, und ließen eine Pike als Zei- chen eines hohen und unmittelbaren Befehlshabers vor ſich hertragen. Nachdem aber im Jahr 1683 die Stathalter vom Kaiſer groͤßere Macht und Anſehn erhielten, ſo wurde dieſe große *) *) Unter dieſem Namen verſteht K. den hoͤch- ſten Rath des Kaiſers; der Hofrath iſt der, des Gouverneurs. **) Alſo hat dieſes Tribunal auch Criminalju- risdiktion, aber eingeſchraͤnkt und untergeordnet, und zwar nicht dem Gouverneur, ſondern dem Kaiſer, daß alſo auch in Japan niemand, als der Monarch ſelbſt, die Todesſtrafe erkennen kan. *) das Verſehn in ſchwierigen und wichtigen Faͤllen nicht appellirt zu haben, mit dem Tode, Verban- nung u. ſ. w. geſtraft wird. — Die Herzaͤh- lung der fuͤr das Tribunal, von dem im Tert die Rede iſt, gehoͤrigen Sachen beweiſt, duͤnkt mich, offenbar, daß von keinem andern, als dem Stadt- gericht, die Rede ſeyn koͤnne. Denn was bliebe ſonſt fuͤr die Hrn. Jahrwaͤchter uͤbrig? Zweiter Band. D

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Zitationshilfe: Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 25. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/39>, abgerufen am 27.11.2024.