allemal hieher gebracht werden müssen. Ausserdem müssen sie alle Fremde in strenger und genauer Aufficht haben, auch für die Sicherheit des Seehafens sorgen.
Es wäre ganz wider die Natur des mistrauischen Charakters dieser Nation und wider die Grundmarimen der japanischen Regierung, wenn sie so viele und wichtige Ge- schäfte den Gouverneurs allein und auf Treu und Glauben anvertrauen solte. Der Hof läst vielmehr ihr Betragen auf mannichfache Art sehr genau beobachten. Zuerst ist dazu in Nangasacki ein beständiger kaiserlicher Resident bestimt, der Deiquan oder kaiserlicher Faktor heist. Diesem aber sind noch die besondern Landesherrn auf Kjusju wieder vor- gesezt. Diese müssen sich beständig von ihren Residenten hier in der Stadt von allen Be- gebenhelten unterrichten lassen, und im Fal eines Aufstands oder feindlichen Einfals sogleich eilig mit ihren Truppen zum Marschiren bereit seyn. Diese mannichfachen und verschiednen Anstalten machen es unmöglich, daß von irgend einer Seite irgend etwas wider den Hof kan unternommen werden, ohne daß dieser sehr bald und genau davon solte unter- richtet seyn.
Zur Bequemlichkeit des Handels und der Geschäfte mit fremden Nationen werden vom Kaiser eine Schar Dolmetscher unterhalten und jährlich besoldet, für die Holländische, Portugiesische, Tunkinische, Siamische, drei Sinesische und einige andre Sprachen. Diese Leute sind aber gemeiniglich höchst unwissend, die nur einige gebrochne Worte der fremden Sprache mit einander verbinden, und diese nach dem Jdiotismus ihrer Landessprache aus- sprechen, meistens so unverständlich, daß man, um mit ihnen zu reden, noch neue Dolmet- scher nöthig hätte.
Um die Fremden in Aufsicht zu halten und für die Sicherheit des Hafens zu sor- gen, sind nun noch vier Wachen bestimt, die jede ihre besondere Einrichtung haben. Alle müssen sowohl die Stadt überhaupt, als auch immer eine die andre in Aufsicht haben.
Die erste ist die hohe kaiserliche Wache. Diese wird auf unmittelbaren Befehl und im Namen Sr. Kaiserlichen Majestät von den Landesherrn in Fisen und Tsikusen mit jährlicher Abwechslung gehalten. Daher führt sie auch den Namen Gobensjo und Go- ben tokoro d. i. die hohe Wache oder das kaiserliche Wachthaus, und steht nicht unter den Gouverneurs. Sie ist eine halbe deutsche Meile von der Stadt angelegt und hat zu beiden Seiten die bergigten Ufer, Tomatsj zur Linken und Nisj Domarj zur Rechten; (nach dem Ausfahren zu rechnen) sie hat nur hölzerne Häuser, aber keine Kanonen, Festung oder Schanze. Nur wenn Schiffe ankommen, wird der äußere Hof mit Schanztüchern umhan- gen, und es ist alsdann gewöhnlich, sich gegenseitig mit einer Salve zu beehren. *) Beide Wachten haben etwa 700, und wenn sie wohl besetzt, jede mehr als 500 Man, deren Com-
mendant
*) Jn der englischen Uebersetzung steht noch: the live in huts built of wood.
Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.
allemal hieher gebracht werden muͤſſen. Auſſerdem muͤſſen ſie alle Fremde in ſtrenger und genauer Aufficht haben, auch fuͤr die Sicherheit des Seehafens ſorgen.
Es waͤre ganz wider die Natur des mistrauiſchen Charakters dieſer Nation und wider die Grundmarimen der japaniſchen Regierung, wenn ſie ſo viele und wichtige Ge- ſchaͤfte den Gouverneurs allein und auf Treu und Glauben anvertrauen ſolte. Der Hof laͤſt vielmehr ihr Betragen auf mannichfache Art ſehr genau beobachten. Zuerſt iſt dazu in Nangaſacki ein beſtaͤndiger kaiſerlicher Reſident beſtimt, der Deiquan oder kaiſerlicher Faktor heiſt. Dieſem aber ſind noch die beſondern Landesherrn auf Kjusju wieder vor- geſezt. Dieſe muͤſſen ſich beſtaͤndig von ihren Reſidenten hier in der Stadt von allen Be- gebenhelten unterrichten laſſen, und im Fal eines Aufſtands oder feindlichen Einfals ſogleich eilig mit ihren Truppen zum Marſchiren bereit ſeyn. Dieſe mannichfachen und verſchiednen Anſtalten machen es unmoͤglich, daß von irgend einer Seite irgend etwas wider den Hof kan unternommen werden, ohne daß dieſer ſehr bald und genau davon ſolte unter- richtet ſeyn.
Zur Bequemlichkeit des Handels und der Geſchaͤfte mit fremden Nationen werden vom Kaiſer eine Schar Dolmetſcher unterhalten und jaͤhrlich beſoldet, fuͤr die Hollaͤndiſche, Portugieſiſche, Tunkiniſche, Siamiſche, drei Sineſiſche und einige andre Sprachen. Dieſe Leute ſind aber gemeiniglich hoͤchſt unwiſſend, die nur einige gebrochne Worte der fremden Sprache mit einander verbinden, und dieſe nach dem Jdiotismus ihrer Landesſprache aus- ſprechen, meiſtens ſo unverſtaͤndlich, daß man, um mit ihnen zu reden, noch neue Dolmet- ſcher noͤthig haͤtte.
Um die Fremden in Aufſicht zu halten und fuͤr die Sicherheit des Hafens zu ſor- gen, ſind nun noch vier Wachen beſtimt, die jede ihre beſondere Einrichtung haben. Alle muͤſſen ſowohl die Stadt uͤberhaupt, als auch immer eine die andre in Aufſicht haben.
Die erſte iſt die hohe kaiſerliche Wache. Dieſe wird auf unmittelbaren Befehl und im Namen Sr. Kaiſerlichen Majeſtaͤt von den Landesherrn in Fiſen und Tſikuſen mit jaͤhrlicher Abwechslung gehalten. Daher fuͤhrt ſie auch den Namen Gobenſjo und Go- ben tokoro d. i. die hohe Wache oder das kaiſerliche Wachthaus, und ſteht nicht unter den Gouverneurs. Sie iſt eine halbe deutſche Meile von der Stadt angelegt und hat zu beiden Seiten die bergigten Ufer, Tomatſj zur Linken und Niſj Domarj zur Rechten; (nach dem Ausfahren zu rechnen) ſie hat nur hoͤlzerne Haͤuſer, aber keine Kanonen, Feſtung oder Schanze. Nur wenn Schiffe ankommen, wird der aͤußere Hof mit Schanztuͤchern umhan- gen, und es iſt alsdann gewoͤhnlich, ſich gegenſeitig mit einer Salve zu beehren. *) Beide Wachten haben etwa 700, und wenn ſie wohl beſetzt, jede mehr als 500 Man, deren Com-
mendant
*) Jn der engliſchen Ueberſetzung ſteht noch: the live in huts built of wood.
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Kaͤmpfers Geſchichte von Japan. Viertes Buch.
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genauer Aufficht haben, auch fuͤr die Sicherheit des Seehafens ſorgen.
Es waͤre ganz wider die Natur des mistrauiſchen Charakters dieſer Nation und
wider die Grundmarimen der japaniſchen Regierung, wenn ſie ſo viele und wichtige Ge-
ſchaͤfte den Gouverneurs allein und auf Treu und Glauben anvertrauen ſolte. Der Hof
laͤſt vielmehr ihr Betragen auf mannichfache Art ſehr genau beobachten. Zuerſt iſt dazu in
Nangaſacki ein beſtaͤndiger kaiſerlicher Reſident beſtimt, der Deiquan oder kaiſerlicher
Faktor heiſt. Dieſem aber ſind noch die beſondern Landesherrn auf Kjusju wieder vor-
geſezt. Dieſe muͤſſen ſich beſtaͤndig von ihren Reſidenten hier in der Stadt von allen Be-
gebenhelten unterrichten laſſen, und im Fal eines Aufſtands oder feindlichen Einfals ſogleich
eilig mit ihren Truppen zum Marſchiren bereit ſeyn. Dieſe mannichfachen und verſchiednen
Anſtalten machen es unmoͤglich, daß von irgend einer Seite irgend etwas wider den Hof
kan unternommen werden, ohne daß dieſer ſehr bald und genau davon ſolte unter-
richtet ſeyn.
Zur Bequemlichkeit des Handels und der Geſchaͤfte mit fremden Nationen werden
vom Kaiſer eine Schar Dolmetſcher unterhalten und jaͤhrlich beſoldet, fuͤr die Hollaͤndiſche,
Portugieſiſche, Tunkiniſche, Siamiſche, drei Sineſiſche und einige andre Sprachen. Dieſe
Leute ſind aber gemeiniglich hoͤchſt unwiſſend, die nur einige gebrochne Worte der fremden
Sprache mit einander verbinden, und dieſe nach dem Jdiotismus ihrer Landesſprache aus-
ſprechen, meiſtens ſo unverſtaͤndlich, daß man, um mit ihnen zu reden, noch neue Dolmet-
ſcher noͤthig haͤtte.
Um die Fremden in Aufſicht zu halten und fuͤr die Sicherheit des Hafens zu ſor-
gen, ſind nun noch vier Wachen beſtimt, die jede ihre beſondere Einrichtung haben. Alle
muͤſſen ſowohl die Stadt uͤberhaupt, als auch immer eine die andre in Aufſicht haben.
Die erſte iſt die hohe kaiſerliche Wache. Dieſe wird auf unmittelbaren Befehl
und im Namen Sr. Kaiſerlichen Majeſtaͤt von den Landesherrn in Fiſen und Tſikuſen mit
jaͤhrlicher Abwechslung gehalten. Daher fuͤhrt ſie auch den Namen Gobenſjo und Go-
ben tokoro d. i. die hohe Wache oder das kaiſerliche Wachthaus, und ſteht nicht unter den
Gouverneurs. Sie iſt eine halbe deutſche Meile von der Stadt angelegt und hat zu beiden
Seiten die bergigten Ufer, Tomatſj zur Linken und Niſj Domarj zur Rechten; (nach dem
Ausfahren zu rechnen) ſie hat nur hoͤlzerne Haͤuſer, aber keine Kanonen, Feſtung oder
Schanze. Nur wenn Schiffe ankommen, wird der aͤußere Hof mit Schanztuͤchern umhan-
gen, und es iſt alsdann gewoͤhnlich, ſich gegenſeitig mit einer Salve zu beehren. *) Beide
Wachten haben etwa 700, und wenn ſie wohl beſetzt, jede mehr als 500 Man, deren Com-
mendant
*) Jn der engliſchen Ueberſetzung ſteht noch: the live in huts built of wood.
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Kaempfer, Engelbert: Geschichte und Beschreibung von Japan. Hrsg. v. Christian Wilhelm von Dohm. Bd. 2. Lemgo, 1779, S. 22. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/kaempfer_japan02_1779/36>, abgerufen am 22.07.2024.
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